Nahe dem Teufelsberg im Berliner Grunewald parkt die Drohne versteckt zwischen zwei Sträuchern. Am 1. Juli um Punkt 15 Uhr aber startet sie wie von Geisterhand, steigt auf und düst in 30 Meter Höhe nach Nordost. Sie sammelt sich mit weiteren 49 Drohnen am Himmel.
Zusammen bilden sie über Charlottenburg eine Angriffsformation und schwenken mit 120 Kilometer pro Stunde auf Kurs Ost ein. Ihr Ziel: der Reichstag. Die 50 Drohnen, mit jeweils zwei Kilogramm Sprengstoff an Bord, sollen geradewegs die Bundestagsabgeordneten während der Plenarsitzung treffen.
Drohnen gegen Drohnen
Doch schon während des Flugs über den Tiergarten hat ein Abwehrsystem sie erfasst. Sicherheitsdrohnen steigen auf, legen die Elektronik der Eindringlinge lahm oder fangen sie mit Netzen ein. Die Abgeordneten bekommen davon nichts mit, sie debattieren weiter über «Deutschland im demografischen Wandel».
Die Gefahr ist gebannt, die Täter aber sind kaum aufzuspüren: Sie haben die Drohnen morgens im Grunewald platziert, über Google Maps die Route einprogrammiert und danach im weit entfernten Pankow einige Autos demoliert. Die Polizei nahm die Täter in Gewahrsam und verschaffte ihnen so unfreiwillig ein nahezu perfektes Alibi.
Thrillerplot nicht weit von Realität entfernt
Dieses Szenario könnte Stoff für einen Thriller sein. Es ist frei erfunden – aber mehr als eine Fantasie. Denn terroristische oder kriminelle Attacken per Drohnen sind technisch machbar und bereits Realität. Die kleinen Flugkörper können zum ernsthaften Sicherheitsrisiko werden.
Einige brenzlige Situationen hat es bereits gegeben – als sich eine Drohne auf zwei Meter Angela Merkel genähert oder eine andere radioaktiven Sand auf dem Dach der japanischen Regierung abgesetzt hat. Techniker weltweit arbeiten daran, Abwehrsysteme zu entwickeln. Denn noch ist der Luftraum gegen Angriffe mit den kleinen, leisen Fluggeräten kaum zu schützen – aber vielleicht bald. Die Wirtschaft wittert ein lukratives Geschäft.
Die Bedrohung werde eher ansteigen als abnehmen, sagt Jörg Lamprecht. Der 45-jährige Mathematiker und Informatiker muss das sagen, schliesslich ist er Mitgründer von Dedrone, einem Unternehmen, das Drohnenabwehrsysteme entwickelt und davon lebt, dass die Flugkörper eine Bedrohung darstellen.
Es gibt aber auch gute Gründe für seine Einschätzung: Jeden Monat werden um die 300’000 Freizeitdrohnen weltweit verkauft – Tendenz steigend. Und sie werden technisch immer ausgefeilter.
Technisch bereits weit fortgeschritten
Drohnen neuer Bauart können 50 Kilometer weit fliegen, im atemberaubenden Tempo von 170 Kilometern pro Stunde. An Bord sind hochauflösende 4k-Kameras, die auch aus grossen Höhen gestochen scharfe Aufnahmen von Kindern machen, die nackt im Bassin planschen.
«Ausserdem gibt es mittlerweile Drohnen, die Lasten von 15 Kilogramm und mehr tragen können. Damit kann man sein Kind zur Kita bringen und wieder abholen lassen», sagt Lamprecht lachend. Und wird doch gleich wieder ernst: «Es lassen sich damit aber auch reichlich Sprengstoff oder chemische Waffen transportieren.»
Für kriminelle Machenschaften einsetzbar
Dabei muss nicht unbedingt etwas Gefährliches an Bord sein. «Es würde schon reichen, wenn jemand über der Allianz Arena in München eine Drohne fliegen lässt, die auf die Köpfe der Zuschauer Mehl oder Wassertropfen verteilt. Das würde zwar direkt keinen Zuschauer verletzen, könnte aber eine Massenpanik auslösen», sagt Lamprecht.
Paparazzi spähen mit Kameradrohnen Prominente aus, andere haben Schraubenzieher und Handys in ein britisches Gefängnis oder Drogen über die Grenze von Mexiko in die USA geschmuggelt. Weltweit werden immer mehr Vorfälle dieser Art bekannt, in denen Drohnen eine Rolle spielen. Anbietern winkt ein milliardenschweres Geschäft, wenn sie eine effektive Abwehrtechnik entwickeln. Das aber ist alles andere als einfach.
Drohnen über ihre Geräusche identifizieren
Eine Methode ist es, den Luftraum über einem Schutzbereich nach Drohnen mit Mikrofonen abzuhorchen. Das Unternehmen DroneShield hat schon 200 solcher Anlagen weltweit installiert. In einer Datenbank sind die Geräusche aller handelsüblichen Drohnen gespeichert.
So können die Lauscher das Schwirren von Propellern recht gut von Rasenmäher- oder Laubbläsergeräuschen unterscheiden – auch in einer Entfernung von 150 Metern. Doch starker Wind und vor allem Umgebungslärm – wie er in Sportstadien oder während schützenswerter öffentlicher Veranstaltungen besonders stark auftritt – erschweren die Arbeit der feinsinnigen Mikrofone.
Ausserdem gibt es Gleiterdrohnen, die nahezu geräuschlos durch die Luft rauschen. Manche Bastler haben ihre Drohnen zudem so bearbeitet, dass sie untypische Geräusche von sich geben und so das Abwehrsystem austricksen.
Ein weiteres Problem: Die Hersteller entwickeln zunehmend leise Drohnen – damit deren Besitzer die Nachbarn nicht stören. Manche Modelle sind derart leise, dass Vogelfreunde sie einsetzen, um Nahaufnahmen der Tiere zu machen – ohne sie zu verscheuchen.
Drohnen und Vögel sind sich sehr ähnlich
Eine Alternative zur akustischen Erfassung ist die optische, die auch noch in Entfernungen bis zu 1000 Metern exakt arbeitet. Nachts allerdings stösst die Videotechnik an ihre Grenzen, vor allem aber fällt es den Kameras und ihrer Software schwer, Drohnen und Vögel zu unterscheiden.
Zwar werkeln im Hintergrund Algorithmen, die unstete Muster der Flügelbewegungen vom ruhigen Flug einer Drohne unterschieden können. Sie versagen aber bei den neuartigen Drohnen, die sich flatternd wie Vögel fortbewegen können.
Wärmebilder und Radare schützen nicht zuverlässig
Thermische Kameras werden ebenfalls für den Abwehrkampf eingesetzt. Sie müssen aber schon sehr fein justiert sein, da die in Drohnen eingebauten Elektromotoren nur wenig Abwärme produzieren, die dann zudem noch im Plastik des Chassis hängen bleibt.
Auch herkömmliche Radare bringen nur wenig Schutz, sie erfassen die kleinen sowie tief und langsam fliegenden Drohnen nur selten. Das leisten zwar spezielle, hochauflösende Radare, die aber wiederum schlagen selbst dann Alarm, wenn sich auch nur ein Blatt im Wind bewegt.
Funksignale verraten Drohnenpilot
Eine vielversprechende Technik setzt unter anderem das Unternehmen Drone Labs ein, ein Spezialist für Abwehrsysteme: Sie erfasst die vom Steuerungsgerät ausgesendeten Funksignale und kann so erkennen, dass sich in der Nähe ein Flugkörper befinden muss. Die Technik funktioniert auch im Dunkeln, sie lässt sich nicht von Vögeln im Segelflug oder Lärm irritieren.
Ausserdem lässt sich der Weg einer Radiowelle von der Drohne zum Piloten verfolgen. Auf eine Entfernung von etwa 700 Metern sei das möglich, versichert Hersteller ECA Robotics. Dessen Drohne soll ein Foto des Angreifers machen können, wie er gerade die Drohne lenkt, und die Sicherheitskräfte über seinen Standort informieren, damit sie ihn ausschalten. Bei programmierten Drohnen ist das jedoch unbrauchbar.
Kombination von Techniken soll Erfolg bringen
Letztlich «reicht ein Sensor allein nicht aus, jeder hat so seine Schwächen. Daher setzen wir akustische Tracker, Videokameras und Infrarotsensoren ein. Dazu kommt eine Datenbank, in der Signaturen der bestehenden Drohnen am Markt gespeichert sind – wie sie klingen, wie sie aussehen zum Beispiel», so Lamprecht.
Künftig sollen die Sensoren auch Typ und Modell sofort erkennen. «Dann weiss der Sicherheitsdienst sofort, dass eine Drohne unterwegs ist, die zum Beispiel zehn Minuten lang fliegen und 500 Gramm Last mit sich führen kann», so Lamprecht.
Im Idealfall die Drohnen-Steuerung übernehmen
Doch was macht er dann? Sie einfach abzuschiessen oder mit einer anderen Drohne abzudrängen, ist nicht nur kompliziert, es ist auch gefährlich: Niemand kann kontrollieren, wo der Eindringling zu Boden knallt. Die Methode des Anbieters Malou Tech, eine Abwehrdrohne zu starten, die dann die fremde Drohne mit einem Netz einfängt, ist deutlich sicherer. Allerdings ist viel Training erforderlich, um eine Drohne zu kapern, die mit Höchsttempo unterwegs ist.
Eleganter ist es, die Radiowellen abzugreifen und die Steuerung der eingedrungenen Drohne zu beeinflussen. «Das wäre die Wunschvorstellung: Die Drohne wird übernommen, man bringt sie an einem ausgewählten Ort zur Landung und stellt sie so sicher. Das ist aber noch nicht möglich», sagt Lamprecht.
«Dafür gibt es zu viele unterschiedliche Systeme bei den Drohnen. Manche arbeiten im 2,4- andere im 5,8-Gigahertzbereich, manche verwenden offene Schnittstellen, andere geschlossene Systeme.» Ausserdem lässt sich die Steuerungssoftware so programmieren, dass sie während des Flugs Kommunikationsversuche von aussen ignoriert und stur den eingegebenen Kurs beibehält.
Auch Wasser hilft gegen Spionage-Drohnen
Doch gehe es «nicht immer nur darum, die Drohne unschädlich zu machen», so Lamprecht. «Hat das Sicherheitsteam eines Gefängnisses zum Beispiel eine Drohne geortet, werden die Zellen abgeriegelt und durchsucht. Taucht eine auf dem Gelände eines Industrieunternehmens auf, schliessen automatisch die Rollläden vor den Fenstern der Büros und Montagehallen.»
Wenn Autohersteller ihre Prototypen testen, versuchen Motorjournalisten oder auch manche Konkurrenten, Bilder davon zu machen – neuerdings gern per Kameradrohne. Erfasst das Abwehrsystem eine Drohne in der Nähe, wird der Nebelwerfer an Bord des Erlkönigs aktiv und hüllt den Prototyp in Qualm.
Kommt die Drohne noch näher, setzen manche auf eine eher rustikale Methode. Sie verscheuchen den Spionageflugkörper einfach mit einem kräftigen Wasserstrahl aus dem Gartenschlauch.
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