Die Frau hätte eine Karriere als Model machen können und alle, von Karl Lagerfeld bis Domenico Dolce und Stefano Gabbana, würden ihr zu Füssen liegen; Kate Moss und Naomi Campbell wären froh, ihr beim Ankleiden helfen zu dürfen. Ayaan Hirsi Ali sieht nicht nur rasend gut aus, sie beherrscht sechs Sprachen, hat einen IQ wie Albert Einstein und tritt wie Jeanne d'Arc auf. 1969 in Somalia geboren, lebte sie in Saudi-Arabien, Äthiopien und Kenia, bevor sie sich 1992 auf den Weg in die Freiheit machte. Eigentlich wollte sie nach Kanada, strandete aber auf halbem Weg in Holland, das die junge hochbegabte Frau aufnahm.

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Ali studierte Politikwissenschaft und wechselte dann in die Praxis. 2003 kandidierte sie für die rechtsliberale Volkspartij voor Vrijheid en Democratie bei den Parlamentswahlen und schaffte den Sprung in die Zweite Kammer. Drei Jahre später beendete sie nach einer parteiinternen Intrige ihre Karriere als Bilderbuchmigrantin und sagte Holland Adieu. Seit 2006 lebt sie, mit Unterbrechungen, in den USA.

Hirsi Ali hat fünf Reformideen

Ayan Hirsi Ali hat sich einen Namen als Kritikerin des Islam gemacht. Sie ist, ähnlich wie Hamed Abdel-Samad, «vom Glauben zum Wissen» konvertiert. Als sie vor Jahren einen Vortrag in Berlin hielt, sorgte schon der erste Satz für Aufsehen: «I am here to defend the right to offend.» Ich bin hier, um das Recht zu Beleidigen zu verteidigen.

«Ich halte es für wahrscheinlich, dass das Internet für die islamische Welt im 21. Jahrhundert das bewirkt, was die Erfindung des Buchdrucks für das Christentum bewerkstelligte.» Ayaan Hirsi Ali

Und dennoch, ebenso wie die meisten Dissidenten und Häretiker, bleibt sie dem Islam verbunden. Der Glaube an Allah und Mohammed hat ihre Kindheit bestimmt, und er bestimmt ihr Leben. Wie bei jenen Abweichlern, die sich vom Kommunismus losgesagt haben, um nach einem «Sozialismus mit menschlichem Antlitz» zu suchen.

Sie sagt ohne jedes Wenn und Aber «der Islam ist keine Religion des Friedens», belegt diese Feststellung mit vielen Beispielen und plädiert zugleich «für nichts Geringeres als eine Reformation des Islam». Das ist keine abstrakte Idee, wie sie inzwischen zum Programm eines jeden Kirchentages gehört, und neu ist sie auch nicht. «Die Forderung nach einer solchen Reformation ist mindestens seit dem Niedergang des Osmanischen Reiches und der anschliessenden Abschaffung des Kalifats wiederholt gestellt worden», schreibt sie.

Und präsentiert «die fünf Konzepte, die reformiert werden müssen». Das sind: die wörtliche Auslegung des Koran; die Vorstellung, das Leben nach dem Tode sei wichtiger als das Leben davor; die Scharia als Grundlage der islamischen Rechtslehre und Praxis; das Privileg der Gelehrten, das Rechte zu gebieten und das Verwerfliche zu verbieten; und schliesslich: «Die Notwendigkeit, den Dschihad bzw. den heiligen Krieg zu führen.»

Die Illusion des Arabischen Frühlings

Was aber bliebe vom Islam übrig, würden diese fünf Konzepte «reformiert»? Auch Ayan Hirsi Ali fragt: «Welche Hoffnung kann es geben, eine Religion zu reformieren, die sich seit 1400 Jahren einem Wandel widersetzt?», und sie gibt zu, «dass der Arabische Frühling eine Illusion war.»

Dennoch «glaube» sie, «dass eine muslimische Reformation bevorsteht», vielleicht habe sie sogar schon begonnen. «Ich halte es für wahrscheinlich, dass das Internet für die islamische Welt im 21. Jahrhundert das bewirkt, was die Erfindung des Buchdrucks für das Christentum bewerkstelligte.»

Spätestens an dieser Stelle obsiegt bei Ayaan Hirsi Ali die Hoffnung über die Vernunft, tritt der Glaube wieder an die Stelle des Wissens. Der Buchdruck war eine grossartige Erfindung. Nur konnte Gutenberg nicht voraussehen, dass man mit seiner Hilfe die Bergpredigt ebenso unter die Leute bringen könnte wie Hitlers «Mein Kampf».

Heute, im Zeitalter des Internets, sind es gerade die Glaubenskrieger, die sich bravourös der allermodernsten Techniken bedienen. Sie stellen Enthauptungen und Massaker ins Netz und entfalten so mit kleinem Einsatz eine gewaltige Wirkung, während Dissidenten ihr Leben riskieren, wenn sie auch nur ein kritisches Wort über den Islam posten.

Auf das Internet als Treibriemen der «Reformation» zu setzen, halte ich für leichtfertig. Schon den Kommunismus, der gerade einmal siebzig Jahre währte, zu reformieren, erwies sich als unmöglich. Er musste kollabieren. Eine zwanzigmal ältere Religion zu entrümpeln, dürfte noch aussichtsloser sein. Aber ich mag mich irren. Und Ayaan Hirsi Ali recht behalten. Ich möchte es uns wünschen.

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