Paul Steinberg lässt einmal alle Bedenken beiseite: Datenschutz, Einsprüche der Gewerkschaft, Geld. Alles spielt in diesem Moment keine Rolle. Und dann beginnt der Technikchef von Motorola Solutions zu träumen, um gleich zu sagen, dass das alles technisch jederzeit machbar wäre.

Was sich Steinberg in der deutschen Motorola-Unternehmenszentrale am Berliner Stadtrand ausmalt, könnte einer Szene aus einem Hollywoodactionfilm entspringen, der einige Jahre in der Zukunft spielt.

Ein Polizist fährt hinter einem verdächtigen Fahrzeug her. Direkt vor seinem Auge blendet die Brille des Polizisten Daten ein. Sie erkennt automatisch Modell und Farbe des vorausfahrenden Autos und gleicht die Informationen mit dem Nummernschild ab.

Stimmen die Informationen nicht überein, startet vom Polizeiauto aus eine Drohne, die autonom um das verdächtige Fahrzeug herumfliegt. Durch die Scheiben erkennt die Drohnenkamera die Zahl der Insassen und scannt den Innenraum nach Waffen ab.

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Virtueller Schulterblick via Bodycam

Verlässt der Polizist nun das Fahrzeug, um den Fahrer zu überprüfen, erfasst die Kamera an seiner Brille die Führerscheindaten und gleicht sie mit dem Gesicht des Fahrers ab. Die Gesichtserkennung und ein Mikrofon überprüfen nebenbei noch den Gemütszustand des Fahrers. Ist er aggressiv? Lethargisch? Feindlich?

Kommt es zu einer brenzligen Situation, ist der Polizist nicht allein. Sobald er die Waffe aus seinem mit Sensoren versehenen Holster zieht, wird der Einsatzzentrale eine Notsituation gemeldet. Von einer Bodycam wird automatisch das Livevideo übertragen. «Das ist der virtuelle Schulterblick"» sagt Steinberg.

Unterstützung aus der virtuellen Einsatzzentrale

Jetzt kommt die Unterstützung aus der virtuellen Einsatzzentrale, wo ein Analyst mit einer Virtual-Reality-Brille Zugriff nicht nur auf die Bodycam des Polizisten hat, sondern auch auf eine 360-Grad-Kamera, die auf dem Dach des Polizeifahrzeugs angebracht ist.

Zugleich kann der Analyst allein durch die Steuerung seines Blicks in der VR-Brille einen Stadtplan aufrufen, auf dem in Echtzeit der Standort weiterer Einsatzkräfte verzeichnet ist, deren Bewegung allesamt über Satellitenortung nachvollzogen werden. Der Analyst erkennt über die sich automatisch aktualisierende Timeline eines jeden Polizisten auch, ob jemand zur Hilfe eilen kann oder selbst beschäftigt ist.

Die Technik darf nicht zu kompliziert sein

Sollte der Fahrer zu Fuss flüchten, analysiert die Einsatzzentrale blitzschnell die Umgebung und gibt den wahrscheinlichen Fluchtweg an den Polizisten weiter, sodass dieser den Verdächtigen fassen kann.

«Vieles von dem werden wir bereits in wenigen Jahren im Einsatz sehen», sagt Motorola-Manager Steinberg. Einen grossen Teil davon will der US-Konzern ausliefern.

Das US-Unternehmen Motorola Solutions verkauft weltweit Funkgeräte an Polizeibehörden, Rettungsdienste und Flughäfen. Ausserdem baut und betreibt der Anbieter sicherheitskritische Netze für Behörden und Organisationen in aller Welt.

Sicherheitskräfte unter Beobachtung

Mehrere Dutzend Scouts sind für Motorola unterwegs und beobachten Sicherheitskräfte bei ihren Einsätzen. Ihre häufigste Erfahrung ist, dass Technik für den Einsatz schlichtweg oft zu kompliziert ist. Polizisten könnten es sich nicht erlauben, 20 oder 30 Sekunden auf ein Display zu schauen, um Funktionen aufzurufen. Was nicht automatisch läuft, läuft meistens gar nicht.

Die Realität vieler Einsatzkräfte ist entsprechend ernüchternd und wenig automatisiert. Nummernschilder werden per Funkgerät überprüft. Von Bodycams, Virtual Reality und Drohnen keine Spur. Sollten Einsatzkräfte doch einmal zu Hightech greifen, sind es meist ihre privaten Smartphones.

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