Christian Wulff sagt: Der Islam gehört zu Deutschland. Frauke Petry sagt: Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Beide sagen: Der Islamismus gehört auf keinen Fall zu Deutschland. Aber Muslime gehören zu Deutschland, wenn sie keine Islamisten sind. Dschihadisten und Salafisten gehören ebenfalls nicht zu Deutschland, nicht einmal dann, wenn sie in Deutschland geboren, christlich erzogen wurden und später zum Islam übergetreten sind. Moscheen gehören zu Deutschland, Hassprediger nicht.
Wer zur Gewalt aufruft, gehört nicht zu Deutschland, es sei denn, es sind Aktivisten der autonomen Antifa, die gerne Polizisten verhauen und Autos abfackeln. Wer bei einer Demo mitläuft, auf der «Deutschland, du mieses Stück Scheisse!» gerufen wird, der gehört zu Deutschland, ebenso wie jemand, der von Hell- und Dunkeldeutschland spricht und zugleich dazu ermahnt, Gräben zu überwinden und Brücken zu bauen.
Andere Länder, andere Sitten
Andere Länder, andere Sitten: In Frankreich reicht es, volltrunken die Marseillaise zu singen, um zu Frankreich zu gehören, in Holland muss man einen Gouda von einem Edamer unterscheiden können, in Griechenland einen Ouzo von einem Metaxa. Alles Übrige geht niemanden etwas an.
Die Debatte, wer oder was zu Deutschland gehört, ist hochgradig hysterisch. Man will inklusiv und exklusiv zugleich sein. Alle wissen, worum es geht, aber kaum jemand traut sich, es klar auszusprechen: Sollen sich die Zugewanderten an die Einheimischen anpassen oder die Einheimischen an die Zugereisten?
Was Bedford-Strohm nie sagen wird
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Aydan Özoguz, hat bereits angedeutet, welchen Weg sie für den richtigen hält. Das Zusammenleben müsse «täglich neu ausgehandelt» werden, eine Einwanderungsgesellschaft zu sein bedeute, «dass sich nicht nur die Menschen, die zu uns kommen, integrieren müssen».
Wie hilfreich und wie zielführend wäre es da, wenn das Oberhaupt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Heinrich Bedform-Strohm, im Laufe einer Sonntagspredigt sagen würde:
«Wir sind kein allzu christliches Land mehr. 30 Prozent der Deutschen gehören der evangelischen Kirche an, ebenso viele der katholischen. Aber 34 Prozent sind konfessionslos, und es werden immer mehr. Dennoch sind wir ein christlich geprägtes Land, deswegen feiern wir Ostern, Pfingsten, Fronleichnam, Allerheiligen und Weihnachten, auch wenn viele von uns nicht wissen, was diese Feste bedeuten.
Und wir wollen ein christlich geprägtes Land bleiben. Wir respektieren die Angehörigen aller Religionen – unter der Voraussetzung, dass sie uns respektieren und unseren Standortvorteil anerkennen. Zu diesem Standortvorteil gehört, dass wir die Kirchenglocken läuten lassen, den Ruf des Muezzins aber als etwas Fremdes, als eine Störung empfinden. Wir wären bereit, unsere Position zu überdenken, wenn in islamisch geprägten Ländern Christen ihren Glauben ebenso frei praktizierten dürften, wie es Muslime bei uns können …»
Aber das wird Bischof Heinrich-Bedford-Strohm nie sagen, es könnte als Provokation verstanden werden, als Mangel an Respekt vor Andersgläubigen, die ihn für einen Ungläubigen halten. Auf die Frage, ob es «unchristlich» wäre, «die Einwanderung von Millionen Muslimen falsch (zu) finden», sagt das Oberhaupt der Protestanten: «Trauen wir unserem eigenen Glauben so wenig zu, dass wir befürchten müssen, bei 50 Millionen Christen könnte durch ein, zwei oder drei Millionen mehr Muslime in Deutschland die christliche Kultur verschwinden? Wie kleingläubig ist das denn?!»
Weltliche Kultur wird Schaden nehmen
Die Antwort ist politisch so extrem korrekt, dass sie am Kern der Sache vorbeizielt. Eine, zwei oder drei Millionen «mehr Muslime» werden die «christliche Kultur» oder das, was von ihr übrig geblieben ist, nicht zum Verschwinden bringen, auch dann nicht, wenn immer mehr Kirchen zu Moscheen umfunktioniert würden. Aber die weltliche Kultur, die sich gegen zahllose Verbote mühsam durchsetzen musste, wird Schaden nehmen, nein, sie hat es schon getan.
Ob es die «Satanischen Verse» von Salman Rushdie sind, die Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung «Jyllands-Posten» oder zwei harmlose Aktfotos, die aus einer Ausstellung im Rathaus von Köpenick entfernt werden, immer lautet das gängige Argument, man müsse «auf religiöse Gefühle» Rücksicht nehmen, entweder weil die Menschen, die sich verletzt fühlen könnten, noch nicht «so weit» sind wie wir oder wegen «übergeordneter Interessen», wie zum Beispiel beim Besuch des iranischen Präsidenten Ruhani in Rom, als nackte Statuen im Kapitolinischen Museum verhüllt wurden.
Kulturkampf findet längst statt
Ein weiteres Argument, das in solchen Situationen zum Einsatz kommt, klingt ebenso resignativ: Man wolle doch wegen solcher Bagatellen keinen Kulturkampf vom Zaun brechen, das sei es doch nicht wert. Aber der Kulturkampf findet längst statt. Worüber diskutieren wir seit dem 11. September 2001? Welche Themen bestimmen den öffentlichen Diskurs?
Ob der Terrorismus eine Waffe der Armen im Kampf gegen die Reichen ist. Ob eine Lehrerin, die an einer öffentlichen Schule arbeitet, ein Kopftuch tragen darf oder nicht. Ob man separate Zeiten für Frauen, gemeint sind muslimische Frauen, in Schwimmbädern einführen sollte. Ob muslimische Schüler ein Recht auf eigene Gebetsräume in Schulen haben. Ob man die Burka und andere Formen der Ganzkörperverkleidung verbieten sollte, obwohl das Vermummungsverbot bereits eine Antwort auf diese Frage enthält.
Kässmann und Göring-Eckhardt predigen
Ob man eine Frau, die sich durch eine abfällige Bemerkung beleidigt fühlt und gegen den Beleidiger klagt, dazu zwingen darf, vor Gericht ihr Gesicht zu zeigen. Ob bei «Ehrenmorden» strafmildernd berücksichtigt werden soll, dass Täter und Opfer aus einem anderen Kulturkreis stammen. Ob in Schulkantinen Schweinefleisch angeboten werden darf. Ob man muslimischen Mädchen und Jungen zumuten kann, am Sexualkundeunterricht teilzunehmen.
Ob es der Integration nutzt oder schadet, wenn Schüler mit Migrationshintergrund über den Holocaust unterrichtet werden. Und über die Mutter aller Fragen: Hat der Islam etwas mit dem Islamismus zu tun? Bedeutet Dschihad «heiliger Krieg» gegen die Ungläubigen oder «innere Anstrengung» auf dem Weg zu einem besseren Menschen?
Ja, das sind Fragen, die wir uns tagtäglich stellen, während uns Margot Kässmann und Katrin Göring-Eckardt erklären, dass wir unsere «Willkommenskultur» dringend verbessern müssten, wenn wir unseren Ruf als weltoffenes und tolerantes Land nicht verspielen wollen.
Diese Debatte ist inzwischen dermassen selbstverständlich geworden, dass wir nicht einmal mehr wahrnehmen, dass es keine Debatte über kulturelle und religiöse Empfindlichkeiten ist, sondern eine über die kulturellen und religiösen Empfindlichkeiten einer Gruppe unter vielen. Dass es in Deutschland zum Beispiel auch Sihks gibt, die sehr eigene Bräuche pflegen, ohne sie anderen aufzwingen zu wollen, haben wir erst nach einem Bombenanschlag auf eine Hochzeitsfeier in einem Sikh-Tempel in Essen erfahren.
Lest die Kairoer Erklärung der Menschenrechte von 1990
Auch die in Deutschland ansässigen Armenier verhalten sich vollkommen unauffällig, obwohl sie genug Gründe hätten, sich als Opfer der Geschichte zu fühlen. Wann hat sich zuletzt ein Armenier in die Luft gesprengt, um die Leiden seiner Vorfahren zu rächen?
Immerhin wird immer öfter die Frage gestellt, ob «der Islam» mit der Demokratie vereinbar wäre. Obwohl auch diese Frage längst beantwortet wurde, nämlich in der «Kairoer Erklärung der Menschenrechte» aus dem Jahre 1990, in der die Scharia als «alleinige Grundlage von Menschenrechten» definiert wird. Ganz allgemein und für alle Menschen, nicht nur für die Nachkommen des Propheten Mohammed. Im Artikel 2, in dem es um das Recht auf Leben geht, heisst es unter anderem: «Das Leben ist ein Geschenk Gottes, und das Recht auf Leben wird jedem Menschen garantiert … und es ist verboten, einem anderen das Leben zu nehmen, ausser wenn die Scharia es verlangt.»
Auch alle anderen Rechte gelten unter dem Vorbehalt der Scharia. So ist es verboten, das Recht auf freie Meinungsäusserung dazu zu nutzen, «die Heiligkeit und Würde der Propheten zu verletzen, die moralischen und ethischen Werte auszuhöhlen und die Gesellschaft zu entzweien, sie zu korrumpieren, ihr zu schaden oder ihren Glauben zu schwächen».
Einen Schritt weiter gehen
Wer also der Meinung ist, der Islam gehöre zu Deutschland, sollte nicht zögern, einen Schritt weiter gehen und erklären: Auch die Scharia gehört zu Deutschland. Denn ohne die Scharia gibt es keinen authentischen Islam, und der von vielen herbeigewünschte «Euro-Islam» ist eine Schimäre, wie es auch der «Euro-Kommunismus» war. Dies würde das friedliche Zusammenleben auf eine feste Grundlage stellen und damit wesentlich erleichtern. Es wäre auch das Ende aller Debatten – über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Ehe für alle, Kopftücher im öffentlichen Dienst, Gewaltenteilung in der Politik, Trennung von Staat und Kirche, Karikaturen und Satiren. Wir würden viel Zeit sparen und könnten uns den wirklich relevanten Fragen zuwenden. Zum Beispiel: War Jesus der erste Muslim?
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