Diese Woche musste ich daran denken, wie viel Zeit ich als Junge auf Rübenäckern verbrachte. Wenn im Frühjahr die Saat auflief, rutschte man auf Knien die Reihen entlang und vereinzelte die Pflänzchen. Das stärkste blieb stehen, die schwachen drumherum riss man aus. Diese Arbeit hat sich längst durch die Sämaschine erledigt, mit der die Samen gleich im richtigen Abstand in den Boden gebracht werden.
Nach dem Vereinzeln kam das Hacken. Mehrmals bis zur Ernte ging es mechanisch dem Unkraut zu Leibe. Das erledigt heutzutage Glyphosat. Das Mittel macht den Acker vor der Aussaat clean. Diese Erinnerungen kamen mir, als ich auf einem Rübenacker stand, an dem die Kaninchen Gefallen gefunden hatten. Einen breiten Streifen haben die grauen Flitzer kahl gefressen.
Wenn trotz des warmen Regens die Rübenblätter nicht noch einmal keimen, werden wir Jäger einen saftigen Wildschaden zu bezahlen haben. Fürs Erste versuchen wir, den Acker mit einem Zaun zu schützen. Gegen Karnickel ist Glyphosat wirkungslos. Wären Leute zum Jäten und Hacken auf dem Acker gewesen, wäre der Schaden in diesem Ausmaß allerdings nicht aufgetreten.
Glyphosat-Verzicht ist keine Nostalgie, sondern Realismus
Ich bin dafür, in Zukunft auf den Unkrautplattmacher Glyphosat zu verzichten. Der Grund dafür sind nicht die Karnickel. Auch die Frage, ob das Spritzmittel krebserregend ist, interessiert mich nicht. Sie spielt nicht real, sondern nur in der Propagandaschlacht um Glyphosat eine Rolle. An dem Unkrautvernichtungsmittel allerdings hängt eine wahrhaft existenzielle Entscheidung über die Zukunft unserer Landwirtschaft, die in ihrer Tragweite durchaus dem Ausstieg aus der Kernenergie entspricht.
Der Verzicht auf die chemische Keule wäre der Beginn einer ökologischen Agrarwende historischen Ausmasses. Und die will ich noch erleben. Mit Nostalgie hat das gar nichts zu tun. Es ist reiner Realismus. Man darf sich nicht einreden lassen, an der Agrarindustrie, an der Agrarchemie, am Weltmarkt und an der Gentechnik hänge die Ernährung der Menschheit. Klima und Kultur haben Tausende Anbau- und Ernährungssysteme hervorgebracht.
Diese Vielfalt schützt vor Hunger, nicht das Giftfass. Unsere modernen, konventionellen Landwirte sind mit ihrem Latein doch schon längst am Ende. Viel hilft nicht mehr viel bei Glyphosat. Das Unkraut wird resistent. Auf manchem Weizenfeld steht ebenso viel Ackerfuchsschwanz wie Weizen. Vielleicht muss man doch mal wieder richtig pflügen. Diese schöne Arbeit ist ja nahezu in Vergessenheit geraten in den letzten Jahren.
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