Um es kurz, ganz kurz, grausam kurz zu machen: Bei meinem ersten Ausflug in die Welt der echten Oldtimer habe ich so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Der entscheidende Fehler: Ich habe aus Verzücktheit den Kopf ausgeschaltet.
Ich habe mit dem Herzen gekauft, habe in einer Euphoriewallung mein altes überidealistisches, ziemlich naives Menschenbild reaktiviert und habe vertraut, wo alle Alarmleuchten hätten angehen müssen. Gerettet hat mich einmal mehr der Kapitalismus, genauer die Marktwirtschaft, die die Oldtimerei auch für Teilzeit-Trottel wie mich ungefährlich macht – wenn, ja wenn man sich für den Porsche 911 entschieden hat, also den Blue Chip unter den Oldies.
Vor drei Jahren hatte ich einen Porsche 911 T, Baujahr 1970, Matching Numbers, für rückblickend eher wenig Geld gekauft. Dieser Kauf war der Anfang der PS Welt. Es sollte am Anfang eine Dokumentation der Restaurierung eines alten Porsche sein, daraus wurde ein Blog, daraus wurde ein erfolgreicher Blog – und schliesslich das Supplement für Petrolheads in der «Welt am Sonntag».
Das Classic Data-Gutachten war ein Witz
Den Porsche kaufte ich ziemlich blind, weil der Verkäufer meinem Vater bekannt war, promoviert und bayerischer Beamter, Franke dazu. Leider hat so gut wie nichts von dem gepasst, was der Mann (der danach abgetaucht war und anscheinend weder Gutachter noch Werkstatt bezahlt hatte) mir über den Elfer erzählt hat. Das Classic Data-Gutachten, es war das kleine: ein Witz. Dieses unglaubliche Gutachten hatte dem Auto eine solide 3 gegeben.
Veredeln sollten den Wagen die wohl renommiertesten Porsche-Classic-Tuner: vom Mezgerwerk, allen voran der kultisch verehrte Matthias Höing, der gerade auch den neuen Elfer von Magnus Walker aus Kalifornien schneller macht. Ich wusste, dass die Dinge schlecht stehen, als mich Höing eines Tages mit Grabesstimme anrief. Wir müssten reden. Am Telefon? Nein, vor dem Auto. Oder vor dem, was wir noch dafür halten, wie Höing düster erklärte.
Zwei Wochen später reiste ich an, und als wir den Elfer bei meinen Rettern obduziert hatten, war klar, dass dieser uralte Porsche bestenfalls eine 4 minus war. Andere Experten in dieser traurigen Runde sagten das furchtbare Wort: Schrott. Damit war ich wieder Thomas-Hobbes-Fan geworden und kehrte zu meiner skeptischen Anthropologie zurück. Es begann ein Tal der Tränen, es türmten sich Berge von Kosten, die alle Erwartungen überschritten.
Ohne die Mezgerwerker wäre ich depressiv geworden
Über vieles kann ich weder schreiben noch reden, am Ende wurde aber alles gut, weil ich mich entschied, meinen Ursprungsfehler durch umfassendes Bestellen originaler Porsche-Teile aus dem luxuriös bepreisten Porsche-Classic-Regal zu beheben.
Ohne die Mezgerwerker Matthias Höing und Torsten Hanenkamp wäre ich depressiv geworden. Sie bestellten und bereiteten die Bestellungen und deren Endsummen mit rührenden E-Mails vor. Ich entschied, wenn ich schon all mein Erspartes opfern musste, dann sollte es am Ende superschön werden. So schön wie der Motor. Das Herz eines jeden Sportwagens und bei den Elfern eine Art Echokammer des Glücks, ein Boxer-Orchester, eine Skulptur von fast obszöner Schönheit.
Höing, der in der globalen Porsche-Szene einen ziemlich einzigartigen Ruf geniesst, hat einen 2,7-RS-Motor daraus gemacht. Die alten Motorgehäuse des 2.2 wanderten ins Regal. Wir haben beim Leiden, Reden und Träumen gemerkt, dass wir auch dem Motor etwas ganz Besonderes abgewinnen wollten. Aus dem 911 T sollte der ultimative Sleeper werden. Nach aussen brav, unter der Originalhülle eine giftige Kampfmaus.
Gemeinsam haben wir uns über die Runden geholfen
Mezgerwerk ist eine exklusive Manufaktur; sie arbeiten dort mit einer Hingabe und Präzision, die Standard werden sollte für den boomenden Markt von Dienstleistern in diesem Bereich. Mehr noch: Höing hat eine künstlerische Ader, die er nicht nur in seinem Tattoo-Display auslebt, sondern auch in seiner E-Mail-, SMS- und Telefonpoesie.
Ein Standup-Car-Comedian der Extraklasse. Gemeinsam haben wir uns über die Runden geholfen. Und ich habe meine Finanzplanungen stetig revidiert. Natürlich wurde auch der Motor nicht nur stärker, sondern auch wertvoller.
Nachdem das Blech, das verfluchte, noch nicht verzinkte, anfällige, das bei F-Modellen in der Regel tödliche Blech endlich fertig war, sollte es zum Lackieren gehen. Ich entschied mich für Schwarz. Das würde auch meiner Frau gefallen, und die sollte am Ende – wenn möglich – auch das Gefühl haben, dass ihr Mann kein Trottel sei.
Gerne hätte ich einen dreckigen Hot Rod gehabt
Der Lackierer sagte: Dieser Kofferraumdeckel sei zwar original und 46 Jahre alt, aber so wellig, so beulig, so wasauchimmer, dass er das ungern lackieren würde. Ich bestellte eine neue alte Haube. Als der Wagen aus der Lackiererei kam, sah er aus wie ein Neuwagen. Ich hätte gerne einen dreckigen Hot Rod gehabt, mit Patina und Beulen, aber absurderweise war die Substanz dafür zu schlecht. Jetzt wird es eben ein perfekt restaurierter Sleeper.
Wir biegen in diesem Herbst langsam in die Zielgerade. Dazu fuhr ich – wie so oft – nach Hamburg und staunte nicht schlecht, als ich in einer befreundeten Werkstatt der Mezgers alle Teile des Elfers auf dem Boden verteilt liegen sah. Einige mit komischen Zetteln.
Was sollte ersetzt werden, was nicht?
Es war der letzte Termin schockierender Kostenprognosen. Was sollte ersetzt werden, was nicht? Draussen war es heiss, in mir auch. Die letzten Tage des Altweibersommers. Ich spürte, wie grossartig das Auto werden würde, aber wie teuer leider auch.
Mit Frank Schlegel haben wir jetzt den richtigen Mann, der das zusammenstecken wird. Er hat jedes Teil des Autos aufgelistet, fotografiert, und wir gehen durch, welches ersetzt, weggelassen oder aufgearbeitet werden soll.
Die ersten fertigen Teile sehen fantastisch aus. Ich kann mein Glück kaum fassen. Stundenlang stehen wir in der superordentlichen Garage und beugen uns über zernagte Kabelbäume, poröse Armaturenbretter, halb verfallene Dämmungen, zerkratzte Chromleisten, verschlissene Türtaschen, defekte Scheibenwischermotoren, lädierte Stoßdämpfer.
Es ist ein kleiner Albtraum, aber eben auch der finale Aufbruch für das Projekt. Nach all den Jahren. Frank schickt seither jede Woche ein paar Fotos.
Es geht also endlich voran, und wir wissen selbst: Jetzt kann uns nur noch die Zahlungsunfähigkeit stoppen. Herrlich.
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