Künstler schaffe, rede nicht. Sagen die einen. Doch, auch ein Schriftsteller, Maler oder Musiker kann sich der Realität, in der er lebt, nicht entziehen und hat eine politische Meinung zu haben – das fordern die anderen. Manche Künstler leben sogar mehr davon als von ihrer eigentlichen Kunst. Andere fahren ganz gut damit, sich sich bewusst als nicht politisch zu begreifen.

Eine Haltung, die besonders auch in der gar nicht so hehren Welt der Klassik weitverbreitet ist, wo alles gut und schön, harmonisch und völkerverbindend zu sein hat – das glauben manche wirklich. Als ob nur Freude, schöner Götterfunken wäre.

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Abgrenzung von Politik

Kommen die Künstler aus einem guten Land, müssen sie sich selten äußern, Konsens ist ja langweilig. Kommen sie aus einem gegenwärtig bösen Land, dann wird es schwieriger. Valery Gergiev und Anna Netrebko beispielsweise haben sich zu Vladimir Putin geäußert, diese Haltung klebt jetzt wie Pech an ihnen.

Doch ist die Netrebko wirklich eine Propagandistin des Bösen oder einfach nur eine schlecht beratene, in solchen Dingen eher unbedarfte, vielleicht sogar naive Sängerin? Politische Fragen verbittet sie sich inzwischen in Interviews, so wie etwa auch der Dirigent Tugan Sokhiev, der neue Musikdirektor des Bolschoi Theaters.

Orchester für politische Zwecke eingespannt

In Berlin hat jetzt Mozarts »Die Hochzeit des Figaro» Premiere. Das war einmal, mit seinem moralischen Aufruhr der Dienerschaft gegen den libidinösen Schlossherren Almaviva, ein sehr politisches Beaumarchais-Stück; sogar in der etwas entschärften Opernvariante. Im Schiller Theater wird Gustavo Dudamel dirigieren. Der wiederum ist das Vorzeigeprodukt und die Galionsfigur der Jugendorchesterbewegung El Sistema. Die dummerweise aus Venezuela kommt. Und von staatlicher Förderung abhängig ist.

Das war unter mehreren Präsidenten so, doch dann kam als linker Quasi-Diktator der inzwischen verstorbene Hugo Chavez. Der hat das gern mit Blousons in den venezolanischen Landesfarben auftretende, inzwischen weltweit geherzte Simon-Bolivar-Orchester sehr bewusst als Propagandainstrument eingesetzt, Dudamel dirigierte es natürlich auch auf seiner im Fernsehen übertragenen Trauerfeier.

«Für Einigkeit und Hoffnung»

Aber der inzwischen 34-jährige Dudamel beharrt weiterhin darauf, trotzdem politisch neutral zu sein. Dafür wird er etwa von seiner Landsmännin, der Pianistin Gabriela Montero (auch in dieser Zeitung), scharf kritisiert. Als er kürzlich in Los Angeles die Beethoven-Sinfonien dirigierte, fühlte er sich erstmals bemüssigt, via Zeitung zu verkünden, er dirigiere «nur für Einigkeit und Hoffnung».

Gleichzeitig hat er das aber immer wieder auch auf repräsentativen Veranstaltungen für ein Regime in einem Land getan, in dem es mit der Wirtschaft rapide abwärts geht, wo es lebensgefährlich geworden ist und wo eklatante soziale Missstände sich verschärft haben.

Natürlich ist Dudamel in der Zwickmühle. Er verdankt El Sistema alles und will sich erkenntlich zeigen. Aber nur «Einigkeit und Hoffnung»? Da waren Beaumarchais und Mozart schon mal weiter.

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