Seit einiger Zeit gibt es einen neuen Trend im Laufsport zu beobachten. Und dieser Trend hat nichts mit neuster Lauftechnik zu tun. Nichts mit völlig neuen Laufschuhen, Powergels oder Funktionskleidung, die uns noch schneller macht. Dieser Trend ist deshalb besonders schwierig, weil jeder Läufer für sich selbst entscheiden muss, ob er damit kann. Oder eben nicht.
Wer persönliche Bestzeiten will, wer für sich selbst Höchstleistung will, wer den maximalen Wohlfühlzustand beim und nach dem Lauftraining erlangen will, der hört auf seinen Körper. Der geht mit Liebe und Achtsamkeit mit sich und dem Laufen und auch der Ernährung um. Formel-1-Fahrer Nico Rosberg ist nicht nur einer der erfolgreichsten Leistungssportler Deutschlands, er ist auch ein passionierter und ambitionierter Läufer. Und er ist das beste Beispiel für einen Läufer, der das «neue Laufen» lebt.
Rosberg hat den Pulsschlag im Gefühl. Er verzichtet beim Joggen komplett auf Technik und hört auf sein Herz. Er läuft ohne Pulsuhr, er hört am Morgen in seinen Körper hinein, der ihm sagt, wie er zu laufen hat.
Wir müssen uns in der Tat fragen, ob wir die Eigenverantwortung für uns selbst an Technik, Experten und Ratgeber abgegeben haben. Das gilt auch für die Ernährung.
Schnell mit Graubrot, Marmelade, Butter, Ei
Vor einigen Tagen traf ich einen der einst besten deutschen Marathonläufer, heute ist er Chefredakteur des führenden Laufmagazins. Sein Frühstück: zwei Scheiben Graubrot, Marmelade, Butter, Rührei und ein Bohnenkaffee. Mein Frühstück: Birchermüsli mit Sojamilch. Dazu einen Sojajoghurt mit Früchten. Und eine Soja-Latte.
Er läuft wesentlich schneller und besser, als ich je laufen werde. Er frühstückt das, worauf er Lust hat. Was ihn schnell macht. Er ist entspannt. Ich bin es – wollen wir ehrlich sein – nicht. Und viele, die laufen, viele die glauben, gesund leben zu müssen, sind es nicht.
Er schaut mich durch meine Soja-Latte an, und es rumst ein Satz aus ihm heraus, der mir lange in Erinnerung bleiben wird: «Wir müssen wissen, dass wir beinahe alle eine Essstörung haben. Anstatt das zu essen, was uns guttut, schauen wir stundenlang auf Inhaltsstoffe, debattieren übers Essen, ernähren uns auf eine Art, die wir uns gar nicht leisten können, anstatt zu geniessen. Anstatt zu leben.» Ich lasse diesen Satz unkommentiert. Und denke mir einfach nur so: Word!
Wer lieben kann, kann schnell laufen
Während sich viele Läufer überlegen, welches Pulver sie noch besser machen kann, welcher Trainingsplan die Leistungen noch verbessern kann, beginnt der Stress schon im Kopf, bevor man überhaupt losgelaufen ist. Der Druck des Alltags wird quasi perfekt verlängert.
Es mag kitschig klingen, es mag fürchterlich einfach klingen, aber wissen Sie was? Ich vermisse die Liebe. Ich vermisse den Sex, den Laufen durchaus haben kann. Und den das Laufen übrigens auch machen kann. Eine neue amerikanische Studie will bewiesen haben: Wer oft laufen geht, hat mehr Lust auf Sex. Wenn alles richtig läuft, so verspricht die Studie, wer in der Nacht zuvor tollen Sex hatte, der kann am Morgen seine sportliche Leistung verbessern.
So scheint also endlich bewiesen zu sein: Liebe und beste Laufleistungen stehen durchaus in einem direkten Zusammenhang. Wer lieben kann, kann schnell laufen.
Zu schnell laufen ist schädlich
Noch eine Studie, die sich an dieser Stelle aufdrängt. Genussläufe sind die besten Läufe überhaupt. Genussläufe sind vor allen Dingen besonders langsame Läufe. In der Regel neigen wir dazu, viel zu schnell zu laufen oder zu joggen. Um die acht Stundenkilometer ist die richtige Geschwindigkeit für einen Genusslauf.
Und wer regelmässig joggt, weiss, wie fürchterlich langsam das ist. Um zu kontrollieren, wie schnell Sie so laufen, schnallen Sie sich doch mal kurz eine Uhr mit GPS-Funktion um. Sie werden überrascht sein, wie sehr der geübte Läufer auf die Bremse treten muss, um das Tempo einzuhalten. Eine Langzeitanalyse bestätigt nun das, was viele Wissenschaftler immer befürchtet haben: Zu schnell laufen ist ebenso schädlich, wie gar nicht zu joggen.
Selbst im Profi-Bereich ist das «neue Laufen» angekommen. Das beweist Alina Reh. Sie ist gerade Deutsche Meisterin über 5000 Meter geworden. Und sie ist erst 18 Jahre alt. Sie arbeitet im Supermarkt ihrer Mutter auf der Schwäbischen Alb. Sie verzichtet auf Trainingslager, Leistungszentren, Technik, Mittelchen, Experten. Alina Reh läuft einfach gerne. Sie hört dabei nur auf das, was ihr guttut. Und das ist nicht das Höhentraining in Kenia. Ihr tut es gut, im Supermarkt zu arbeiten. Und auf der Alb zu trainieren.
Alina liebt ihre Heimat, Alina hat ein gutes Gefühl in ihrer Heimat. «Alina wird die nächsten zehn oder 20 Jahre die Szene beherrschen», sagt die erfahrene Langstreckenläuferin Sabrina Mockenhaupt. Und wenn Mocki das sagt, dann wird was dran sein. Denn Mocki hat ein gutes Bauchgefühl.
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