Einer der Gründe, die immer wieder – abgesehen vom mässigen Genuss von Rotwein – für die grundsätzliche Volksgesundheit der Südländer ins Feld geführt werden, ist ja der Gebrauch von Olivenöl anstelle des nordisch feisten Butterfetts. Dem hingen wir ja auch immer gern an, dem Glauben an das Grundgute des grünlich-gelben mehr oder weniger Frischgepressten.

Davon müssen wir nun allerdings Abstand nehmen. Ausgerechnet nachdem wir einen kulinarischen Krimi gelesen haben.

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«Tödliche Oliven» heisst er. Wobei man zur Beruhigung aller schnell einschränken sollte, dass natürlich nicht die Oliven tödlich sind, sondern der Umgang mit ihnen und ihre Weiterverarbeitung. Tom Hillenbrand, der in diesem Jahr einen geradezu visionären und außerdem noch brillanten Nahzukunftsthriller namens «Drohnenland» geschrieben hat, schickt Xavier Kieffer wieder und damit zum vierten Mal in die Spur.

Der erste Kochdetektiv der Geschichte

Xavier Kieffer ist Koch in Luxemburg. Wenn er etwas weniger Phlegma hätte, weniger rauchen täte, nicht bloss Luxemburgische Lokalküche zubereiten und auch ansonsten einiges an seinem Leben ändern würde, könnte er Sternekoch sein. Weil er das alles nicht tut und nicht ist, ist Xavier Kieffer der beste Kochtopf-Detektiv der Geschichte. Und Hillenbrand – der lange Journalist war und das Recherchieren so wenig lassen kann wie Xavier das Ermitteln – nutzt Kieffers Profession und seine Heimatstadt für kriminalliterarische Grossreportagen.

Bevor wir uns nun dem kriminellen Sumpf zuwenden, in dem Kieffer diesmal beinahe das Leben verliert, zitieren wir eine Liebeserklärung an das mehr oder weniger kleine grüne, später schwarze Ding, um das es geht.

Wein, sagt der Olivengott, den Kieffer um Insider-Informationen angeht, in Hillenbrands gut geöltem Krimi auf die Frage, warum er sein Herz ausgerechnet an die Olive verloren habe, Wein sei ja so einfach. Den müsse man ja nur ein bisschen drücken, schon ergiesse er sich. «Aber die Olive, dass.... das keine puttana, keine Schlampe, nein. Eine Heilige! Verstehssu? Sie will sich nich hingeben, sie bewacht eifersüchtig ihrn ... Saft. Öl! Kommsu nur durch viel Arbeit ran.»

Italienisches Ölivenöl kommt selten aus Italien

Der Gott war schon ziemlich blau, als er das sagte. Recht hat er natürlich auch. Wenigstens kann man es ihm nach «Tödliche Oliven» nachfühlen.

Aber darum geht's eigentlich. Wie die Heilige von der Olivenölindustrie zur Schlampe gemacht wird. Das lässt sich schon mit zwei Zahlen illustrieren. Die Italiener lieben ihr Olivenöl. Sie lieben es so sehr, dass sie eine Million Tonnen italienisches Olivenöl verbrauchen (extra vergine – ein Begriff, der erst 1960 eingeführt wurde und so schwammig ist wie Öl halt ölig). Es werden aber bloss 300'000 Liter in Italien ausgepresst.

Über die Frage, woher der Rest kommt, verliert Xavier Kieffer beinahe sein Leben. Er hat sich wieder einmal nicht danach gedrängt. Er braucht für Huesenziwwi (Geschmorter Hase) und Kachkéis (Kochkäse) gar kein Öl. Er wollte sich mit seinem Freund Alessandro in Italien entspannen.

Der hat da eine Ölpresse. Füllt Gourmet-Öl ab. Dann ist Alessandro verschwunden, seine Frau verzweifelt und Xavier mit einem alten Mercedes auf dem Weg in die Nähe von Pistoia. Alessandro hatte sich, erfährt man schnell, mit den falschen Leuten eingelassen und Schulden über Schulden.

Ein einäugiger Killer und Käse als Waffe

Anschliessend erfährt man viel über das muntere mafiöse Ölpanschen in Europa. Man lernt einen einäugigen Killer kennen, der über unfassbar tolles Heilfleisch verfügt. Und weiss, dass kochender Kochkäse eine eindrucksvolle Waffe sein kann.

Kieffers Abenteuer verläuft ermittlungstechnisch relativ kurvenreich (wozu auch beiträgt, dass er kurz davor ist, seine Lebensabschnittspartnerin unterwegs zu verlieren), insgesamt aber sehr geschmeidig. Hillenbrand weiss ziemlich viel, aber er hat inzwischen die Dosierung so perfektioniert, dass man das nur selten im Übermass zu spüren bekommt und fast nirgends meint, einem bloß kriminalliterarisch aufgehübschten Essay gegenüber zu sitzen.

Man kehrt am Ende trotzdem reuevoll zur Butter zurück und lässt das mit dem Olivenöl vorerst lieber. Es sei denn, man hat Lust darauf, Chlorophyll auf andere Weise als durch Salatblätter zu sich zu nehmen (gibt farbloser Olivenschmiere der untersten Kategorie gern die nötige Farbigkeit).

Mit dem meisten Zeug gerade aus dem Supermarkt sollte man bestenfalls Türangeln zum Verstummen bringen. Spart immerhin den Gang zum Baumarkt. Wir trinken darauf jetzt ein Glas Rotwein. Und hoffen, dass Hillenbrand uns nicht auch diesen Genuss ruiniert, in dem er als nächstes über «Mörderischen Merlot» oder den «Coq-au-vin-Killer» schreibt.

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