Unsere Geschichte ist eine Aneinanderreihung von Geschichten. Für Marx und Engels war die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften die Geschichte von Klassenkämpfen. Für einige Christen ist der Kampf Gut gegen Böse entscheidend. Den Liberalen ist der Kampf für die Freiheit gegen deren Feinde Motor des Fortschritts.

Die «Star Wars»-Filme haben all diese Motive zusammengemixt und den Gang der Geschichte als Showdown integrer Individuen gegen eine elitäre Vereinigung von Dunkelmännern aufbereitet. «Star Wars»-Filme sind derart erfolgreich geworden, dass sie eine Art postmoderner Mythos geworden sind, der die grossen Erzählungen ersetzt hat. Millionen von Menschen haben sich bis zur Besessenheit mit den Guten, den Jedi, identifiziert.

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Superhelden mit Supermoral

Die Jedi sind asketische Mönche der Gerechtigkeit und der Gewaltlosigkeit, ohne dabei wehrlos zu sein. Dass ausgerechnet dieser Science-Fiction-Film so wirkmächtig werden konnte, hat damit zu tun, dass er eine weltliche Art der Religiosität als zentrale Werteinstanz vorstellt. Die Jedi sind Superhelden mit einer Supermoral.

Sie sind auserwählt, dem Guten und der Republik zu dienen und gegen das autoritäre Regime zu kämpfen, zu dem die Republik durch Machtgierige geworden ist. Im Glauben der Jedi an die «hellen Seiten der Macht» wird ein Glaube vorgestellt, der Berge versetzen kann. Es ist eine Metaphysik, in der sich christliche Mystik, Naturreligion und Taoismus zu einer Neoreligion vermischen.

Ein galaktischer Laotse als Vorbild

Gerade der zunehmend säkular werdende Westen kompensiert mit solchen Filmen eine transzendentale Obdachlosigkeit. Zugleich liefert das Jeditum eine subtile Vernunftkritik, die der Intuition und dem eigenen Gewissen eine neue, starke Stimme verleiht. Der moderne Mensch hat Vernunft und Glaube in der Regel voneinander getrennt. In der Logik der «Star Wars»-Filme liegt darin ein grosses Versagen: Yoda, der weiseste der Jedi, ist auch der stärkste – und das, obwohl er nur 66 Zentimeter gross ist.

In ihm sind spirituelle, weltliche, moralische und körperliche Kraft gebündelt. Er ist ein Ideal des wehrhaften Citoyen. Ein Philosoph nannte ihn einen galaktischen Laotse. Kaum ein filmischer Supererfolg hat seinen Konsumenten so viel ethische und politische Herausforderungen serviert wie «Star Wars». In diesem Film flüchtet der Zuschauer nicht aus dem Alltag heraus, sondern in dessen innersten Kern hinein. Wir sind, was wir tun. Das Richtige zu tun ist denkbar schwierig und herausfordernd, aber es nicht zu tun führt zu ewigem Unglück.

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