Eher einer lockereren Linie zugeneigte Währungshüter - im Geldpolitik-Jargon Tauben genannt - bringen sich demnach für die Sitzung im kommenden Monat in Stellung. Damit dürften sie auf den Widerstand der eher an einer straffen Linie orientierten Falken treffen, wie mehrere mit den Vorgängen vertraute Gewährsleute der Nachrichtenagentur Reuters berichteten.

Angesichts der nachlassenden Inflation hatte die EZB im Juni die Leitzinswende vollzogen und am 12. September nachgelegt: Der für die Finanzmärkte massgebliche Einlagesatz wurde um einen Viertelprozentpunkt auf 3,50 Prozent nach unten gesetzt. Zugleich bekräftigte der EZB-Rat, er lege sich nicht auf einen bestimmten Zinspfad fest. Man entscheide von Sitzung zu Sitzung - und vor allem nach Datenlage. Jüngste Wirtschaftsindikatoren und auch Prognosen zeichnen nun ein immer düstereres Bild der Konjunkturentwicklung, womit die EZB unter Zugzwang geraten könnte.

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«Erholung auf wackeligen Beinen»

Zu Wochenbeginn wurde die Managerumfrage des Finanzdienstleisters S&P Global veröffentlicht, die eine negative Überraschung für die Finanzmärkte bereithielt: Die Wirtschaft der Eurozone dürfte demnach im September erstmals seit sieben Monaten geschrumpft sein. «Insgesamt deuten die Einkaufsmanagerindex-Daten darauf hin, dass die wirtschaftliche Erholung im Euroraum auf wackeligen Beinen steht», konstatiert Paul Hollingsworth, Europa-Chefvolkswirt bei BNP Paribas. In Kombination mit einem nachlassenden Preisdruck dürfte dies seiner Ansicht nach dazu führen, dass die EZB-Tauben immer lauter eine weitere Zinssenkung im Oktober fordern könnten.

Besonders düster sieht es in Deutschland aus, wo die Wirtschaftsleistung laut der Einkaufsmanager-Umfrage im September so stark zurückging wie zuletzt im Februar. Die führenden Forschungsinstitute gehen in ihrem Herbstgutachten für die Bundesregierung davon aus, dass die grösste Volkswirtschaft Europas auch 2024 eine Rezession durchmacht.

Das zusehends eingetrübte Konjunkturbild gebe den Tauben im EZB-Rat Argumente an die Hand, auf eine rasche Senkung zu dringen, sagten Insider, die anonym bleiben wollten. Hinzu kommt, dass die Energiekosten zuletzt stark gesunken sind und womöglich die Gefahr heraufzieht, dass die Teuerung längere Zeit unter dem Inflationsziel von zwei Prozent bleiben könnte. Die Anhänger einer straffen Linie im EZB-Rat argumentieren den Informationen zufolge, dass Umfragen oft ein düstereres Bild zeichneten als harte Daten wie das Bruttoinlandsprodukt.

Kompromissformel?

Das BIP in den 20 Staaten des Euroraums stieg im Frühjahr um 0,2 Prozent und damit nicht mehr so stark wie zu Jahresbeginn mit 0,3 Prozent. Die Volkswirte der EZB senkten jüngst ihren Ausblick für das Wachstum in diesem Jahr leicht auf 0,8 Prozent.

Die widerstrebenden Lager im EZB-Rat könnten auf einen Kompromiss zusteuern: Dabei würden die Zinsen im Oktober unverändert bleiben. Flankiert würde die Entscheidung aber mit einem Wink, dass die Leitzinsen im Dezember gesenkt werden könnten, falls sich die Daten nicht besserten.

Dies würde jedoch dem Ansatz der EZB widersprechen, Zinsentscheidungen jeweils von Sitzung zu Sitzung zu treffen. Die EZB wollte sich zu der Angelegenheit nicht äussern. Bis zum Zinsentscheid am 17. Oktober stehen noch wichtige Daten an, die es in der Führungsetage zu sichten gilt. Dazu gehört auch die Inflationsrate für September. Der Ausgang der Zinsentscheidung sei also offen, sagten Insider. (reuters/hzb/ps)

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