Unternehmensanteile Investoren anzubieten, war bisher börsennotierten Unternehmen vorbehalten. Mit der Lösung des Zürcher Startups Aktionariat können auch kleine und mittelständische Firmen ihre Aktien direkt Investoren anbieten. «Unser USP ist die Tokenisierung aller Arten von Firmen und die Schaffung von automatisierten Primärverkäufen und Sekundärtransaktionen auf öffentlichen Blockchains», sagt Mitgründer und CEO Murat Ögat.
Weitere Finanzinstitute wie Taurus oder die Sygnum Bank böten ebenfalls Tokenisierungsplattformen und seien auf den ersten Blick direkte Konkurrenten, die auch die öffentliche Blockchain nutzen. «Im Herzen sind das aber allesamt Finanzinstitutionen, die die Aktien und Krypto der Investoren bewahren. Das bringt zusätzliche Kosten und Kommissionen mit sich», betont Ögat.
75 Unternehmen tokenisiert
Murat Ögat hat als Computeringenieur unter anderem das türkische Softwareunternehmen Kuka Apps aufgebaut und über hundert mobile Applikationen entwickelt. 2020 gründete er die Aktiengesellschaft Aktionariat gemeinsam mit Luzius Meisser, der heute Chairman und grösste Aktionär der AG ist. Er gilt als echter Kryptopionier und hat 2013 nicht nur die Bitcoin Association Switzerland mitgegründet, sondern ist auch Verwaltungsrat des Kryptobrokers Bitcoin Swiss. Ögat war bis Juni 2024 CTO, hat die iOS- und Android-Apps für Aktionariat selbst entwickelt und ist heute CEO des Unternehmens.
Sieben Vollzeitmitarbeitende sind für das Jungunternehmen im Einsatz. Seit der Gründung hat es 75 Unternehmen tokenisiert. Manche davon halten nur ein digitales Aktienregister, andere verwenden den «Broker-Bot» – ein Widget für den direkten Verkauf von Aktien, den Unternehmen in ihre Webseite integrieren können. «Wir haben auf unserer Plattform aktuell ein totales Handelsvolumen von rund 60 Millionen Franken», so Murat Ögat.
Mehr als 30’000 Investoren oder Inventmentinteressierte nutzen die mobile App. Überzeugende Investitionsangebote zu schaffen, liege aber in der Verantwortung der tokenisierten Unternehmen selbst. «Wir ermöglichen nur den Markt und schaffen Transparenz und Sicherheit», betont der CEO. Emittenten zahlen einmalige Einrichtungskosten, jährliche Lizenzkosten für die Toolnutzung sowie Bearbeitungskosten für Primär- und Sekundärtransaktionen über die Plattform.
Startup will Finanzsysteme neu denken
«Angetrieben von der Idee, die Finanzmärkte zu stören», ist auf der Webseite von Aktionariat als eine Art Firmenmotto zu lesen. Ist das als Kampfansage zu verstehen? «Eigentlich treten ja alle Startups an, um etwas an den traditionellen Prozessen zu verändern», sagt Murat Ögat. «Wir glauben, dass die Blockchaintechnologie einige sehr wünschenswerte Eigenschaften besitzt, die erhebliche Verbesserungen der bestehenden Finanzsysteme ermöglichen – unter anderem auch die Demokratisierung des Kapitalismus.» Vorteile seien zudem etwa die sofortige Abwicklung, die Reduzierung des Kontrahentenrisikos und die absolute Transparenz, die Sicherheit bietet.
«Leider können blockchainbasierte Systeme nicht einfach in kleine Teile des bestehenden Technologie-Stacks integriert werden, um die echten Vorteile zu erzielen», sagt der Geschäftsführer. «Und das führt in der Finanzbranche vielerorts dazu, dass man ineffiziente bestehender Systeme beibehält.» Ögat plädiert dafür, dass alteingesessene Finanzinstitute die bestehenden Systeme überdenken sollten. Er gibt aber zu: «Dies wird auf Widerstand stossen, weil es nie einfach ist, funktionierende Systeme zu ersetzen, insbesondere wenn sich der Zielmarkt noch nicht vollständig bewährt hat.»
«Die Nachfrage ist noch nicht da»
Dass viele Unternehmen in der Schweiz die Möglichkeiten der Tokenisierung noch nicht auf dem Schirm und Berührungsängste haben, bekommen auch die Aktionariat-Gründer zu spüren: Im Juli 2024 war in einer Pressemitteilung zu lesen, dass das Jungunternehmen eine Neuausrichtung plant. Das Geschäft mit tokenisierten Unternehmensanteilen für KMU war nicht so gut angelaufen wie gewünscht. «Die Nachfrage ist einfach noch nicht da», gibt Murat Ögat zu, «jeder Kunde muss immer noch separat überzeugt und informiert werden.»
Neuausrichtung heisst konkret: den Fokus auf blockchainaffine Unternehmen legen, die bereits bewusst Teil der Blockchainökonomie werden möchten. Das grosse Ziel, Hürden abzubauen und langfristig jedem Unternehmen das Offerieren eigener Unternehmensanteile zu ermöglichen, bleibe aber bestehen. «Wir glauben daran, dass tokenisierte Aktien in Zukunft Standard sein werden.»
Die Schweiz hat 2021 mit dem DLT-Gesetz eine Grundlage geschaffen. Aber auch wenn einige Länder aktuell an Lösungen arbeiten, fehle es weltweit noch an Regularien. «Der Mangel an sinnvollen, risikobasierten Regeln, die international gelten, schafft Unsicherheit, und kein Unternehmen ist bereit, mit eigenen Aktien in einem Bereich mit unklarer Rechtsgrundlage zu operieren», sagt Murat Ögat.