Die Wählerinnen und Wähler in den USA haben den Weg für eine ungehinderte „America First“-Politik freigemacht. Die Republikaner werden wahrscheinlich alle vier Hebel der Macht in den USA kontrollieren, vom Weissen Haus über beide Kongresskammern bis hin zum bereits konservativen Supreme Court. Die zweite Trump-Regierung verändert bereits die Welt des Investierens. Anlegerinnen und Anleger müssen sich darauf einstellen.
Michael Strobaek, Global Chief Investment Officer bei Lombard Odier.
Donald Trump verfügt über die Möglichkeiten, die US-Wirtschaft und die Finanzmärkte zu verändern. Die Wähler haben klar zum Ausdruck gebracht, dass sie einen politischen Wandel wünschen. Trump dürfte einer der einflussreichsten US-Präsidenten in der Geschichte des Landes werden. Die Auswirkungen sind global. Nur wenige Tage nach der Wahl und zehn Wochen vor dem Amtsantritt der neuen Regierung bekommen Europa, Asien und der Nahe Osten die Folgen bereits zu spüren. Die deutsche Regierung ist zu einer Zeit zusammengebrochen, da Europa dringend strategische Führung benötigt. In Asien muss sich China mit Stimulus-Massnahmen auf drohende US-Strafzölle einstellen und hat am 8. November bereits ein neues Paket für Lokalregierungen angekündigt. Und im Nahen Osten dürften sich die Ereignisse rasch entfalten.
«America First» bedeutet, dass Schlüsselindustrien dereguliert, Steuern für Privatpersonen und Unternehmen gesenkt und Zölle eingeführt werden. Die Androhung von Zöllen dürfte zu einem wichtigen Instrument der US-Aussenpolitik werden. Im Inland wird dies zu mehr nominalem Wachstum und Inflation sowie zu höheren Zinsen führen. Der Rest der Welt wird darauf mit eigenen politischen Anpassungen reagieren müssen. Die USA werden sich auf binnenwirtschaftliche Massnahmen konzentrieren und die aussenpolitischen Interessen und Ambitionen zurückschrauben. Die globale Struktur aus Handelsblöcken, Regionen und Nationalstaaten, die untereinander verbunden sind – das Paradigma der Zeit nach dem Kalten Krieg – kann nur weiter auseinanderbrechen. Für Anleger verschieben sich dadurch die Risiken und Chancen.
Auf der richtigen Seite der US-Politik bleiben
Ein zentraler Anlagegrundsatz besagt, dass die Märkte hocheffizient sind, aber auch von Trends und Themen geleitet werden. Die Veränderungen in der US-Politik beginnen nun die Finanzmärkte zu prägen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Anleger auf der richtigen Seite dieser Trends bleiben und geopolitisch exponierte Anlagen meiden. Das heisst, dass sie sich auf risikoarme, liquide Anlagen in rechtsstaatlich verankerten Märkten konzentrieren sollten. Konkret gehören dazu Anlagen der USA, der Schweiz und Europas. Schwellenländer und die damit verbundenen Anlageklassen sind weniger attraktiv. Ein solch tiefgreifender Wandel erfordert Umsicht beim Eingehen von Risiken. Im vergangenen Jahr haben wir die strategische Gewichtung von US-Anlagen in den Kundenportfolios erhöht und unsere autonomen strategischen Allokationen in China aufgehoben. Dies hat zu einer starken Portfolioperformance geführt.
Ein starkes nominales US-Wachstum und eine höhere Inflation bedeuten, dass die US-Notenbank Fed weniger Zinssenkungen vornimmt, als die Märkte vor der Wahl eingepreist haben. Auch nach der jüngsten Rally bieten ein stärkeres Wachstum, Steuersenkungen und Deregulierung zusätzliches Aufwärtspotenzial für US-Aktien. Zugleich scheinen Staatsanleihen weniger attraktiv. Der US-Dollar dürfte kurzfristig gut unterstützt bleiben, da die Zinsunterschiede zwischen den USA und anderen Regionen weiterhin grösser sein dürften als erwartet. Zudem dürfte der US-Dollar von Zuflüssen in US-Anlagen profitieren.
Kein Zurücklehnen für Anleger
Mit der Bildung einer zweiten Trump-Regierung und der Umsetzung ihrer Politik müssen sich die Anleger auf unvermeidliche Turbulenzen in den USA und anderswo einstellen. In Europa dürfte es zu einem eigenen Wendepunkt kommen; die Leader bemühen sich bereits um Koordinierung, und in Deutschland stehen vorgezogene Neuwahlen an. In China dürften im Dezember eine Rekapitalisierung der Banken und Stimulus-Massnahmen der Zentralregierung angekündigt werden; bis dann könnten die Behörden ihre Reaktionen auf mögliche neue Schocks im Jahr 2025 kalibriert haben. Solche Trends sind nicht zu unterschätzen, und es gibt keinen Grund, sich zurückzulehnen.