«Direkt in unserer Nachbarschaft wohnt auch der neue Premierminister», erklärte Frank Grütter, Schweizer Botschafter in Singapur bei seiner Begrüssung im Swiss Club, unweit der Botschaft. «Alle Strassen hier in der Umgebung beginnen mit einem ‹Swiss› in der Bezeichnung.» Auch die Taxifahrer wissen das – die «Swiss Embassy» ist eine beliebte Destination, auch weil ein Gästehaus sowie die Schweizer Schule gleich nebenan liegen.
Die letzte Meile vor den Workshops des Swiss Financial Innovation Desk (Find) war hier die einfachste. Denn in den Wochen zuvor hatten Arbeitsgruppen, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern von Banken, Fintechs, akademischen Einrichtungen und Tech-Firmen in vier Streams in harter Arbeit eine Bestandesaufnahme der Entwicklung in der Schweiz in den Bereichen künstliche Intelligenz, digitale Asset, Digital Trust/digitale ID und Quantensicherheit erstellt. «Das Erste, was ich mit einem Quantencomputer unternehmen würde, wäre das Hacken der Bitcoin-Verschlüsselung», sagte David Birch, geladener Gast bei der Podiumsdiskussion.
Schwache Präsenz des Fintech-Hubs
Im fernen Singapur wurden im Vorfeld des Singapore Fintech Festivals (SFF), des grössten Branchenanlasses weltweit, die Arbeiten diskutiert und präsentiert. Dort war der Anteil der Vertreterinnen und Vertreter aus der Schweiz – naheliegenderweise – sehr hoch.
Ganz anders sieht es am SFF selber aus: Etliche Firmen aus der Schweiz sind am Gemeinschaftsstand untergekommen. Hier, zwischen den viel grösseren Singapurer Ständen und der ähnlich starken Präsenz von Frankreich und Italien, dominiert Schweizerdeutsch als Kommunikationssprache – allenfalls noch Englisch. «Das ist die Halle, in der es um Steueranreize und Standortförderung geht», kommentiert trocken ein Vertreter eines Startup-Förderprogramms. Dieses hat sich fünfzig Meter weiter in der grossen Halle bei anderen Startups eingerichtet. Ansonsten – Fehlanzeige: Praktisch keine Vertreterinnen und Vertreter von Schweizer Firmen treten auf den grossen Bühnen und Diskussionsforen auf. Das Ende der Credit Suisse ist auch hier spürbar; Vertretende dieser Bank haben sich früher jeweils keck zwischen Lokalmatadoren wie der DBS Bank und UOP sowie den globalen Giganten J.P. Morgan und Citigroup platziert.
Avaloq ist wenigstens als Aussteller präsent, unter dem Dach von NEC und vergleichsweise prominent im Kreis von grösseren Unternehmen. Netcetera mit Sitz in Zürich tritt zusammen mit Giesecke+Devrient, dem Besitzer, auf. Drei, vier weitere Startups sind auch noch da. Ansonsten – Fehlanzeige. Die UBS, die bei der ersten SFF-Austragung noch dank sanftem Druck des Veranstalters einen grossen Stand und danach jeweils eine kleine Präsenz am Schweizer Gemeinschaftsstand gebucht hat, fehlt. Auch die SIX ist in den grossen Messehallen nicht präsent.
Die SIX lädt dafür zum Cocktail in der Lantern-Bar des Fullerton-Hotels ein. Das Luxushotel in der ehemaligen Hauptpost ist eine der ersten Adressen in der Stadt, mit Blick über die Marina und auf den Sands-Hotel-Komplex. Hier treffen sich Vertreterinnen und Vertreter aus der Schweiz. Und das sind deutlich mehr, als man in den Messekomplexen sieht.
Verlockenden Stablecoin-Milliarden
Dort dominiert sachte Enttäuschung. Selbst Aaron Kwek, der bei Standard Chartered Fintech-Themen vorantreibt, sieht wenig Neuheiten. Auch Vertreter von Tenity, dem schweizerischen Startup-Incubator, müssen ein wenig nachdenken, bis sie eingestehen: «Stimmt – es gibt kaum Neues.» Sogar das Thema künstliche Intelligenz zieht kaum noch. Praktisch jedes kleine Startup spricht darüber und behauptet, KI seit Jahren und schon immer in der eigenen Firmen-DNA zu haben.
Tatsächlich haben sich die Innovationen verlagert. Sie betreffen in diesem Jahr weniger die neuen Technologien als vielmehr die Geschäftsmodelle. Denn in einigen neuen Bereichen wird richtig viel Geld verdient. Beispielsweise bei den Stablecoins: Tether beispielsweise, ein US-Vertreter, hat auf der Basis eines ausstehenden Volumens von 102 Milliarden Dollar in den ersten neun Monaten einen Gewinn von 7,7 Milliarden Dollar erzielt. Regulierte Banken mit dem Mehrfachen an Bilanzlänge kommen auf einen Bruchteil solcher Summen.
Und so rücken die Gewinne der Stablecoins ins Zentrum des Interesses. Nicht nur die UBS, auch Vertretende weiterer Banken sprechen in Singapur über entsprechende Vorhaben, um sich hier einen Teil des Gewinnkuchens abschneiden zu können. Der Plan ist einfach: Die Verwalter der Stablecoins möchten sich am liebsten nicht mit so konventionellen Themen wie der Verwaltung der Gelder beschäftigen. Und hierfür haben die Banken eine Lösung: tokenisierte Geldmarktfonds, wahlweise auch auf der Basis sehr kurz laufender US-Treasuries.
Das grösste Problem sei die Umsetzung, heisst es von den Bankenvertretern und -vertreterinnen. «In unseren Verwaltungsräten versteht man das Thema nicht wirklich», lautet es unisono.
Und auch geladene Gäste wie David Birch scheinen von der raschen Entwicklung überholt worden zu sein. Denn ausgerechnet die Hash-Verschlüsselungen des Bitcoins sind selbst für Quantencomputer derzeit nicht zu hacken.