Die erste Phase kann mit dem Begriff der Hyper-Globalisierung beschrieben werden. Die zweite Phase war geprägt von steigendem Einfluss des Staates, sozusagen die Rückkehr des «big government».

Phase 1: Hyper-Globalisierung

Die 1990er und frühen 2000er Jahre waren die Hochphase der Globalisierung. Dank der politischen Ost-West-Entspannung, dem Innovationsschub in der Informations- und Telekommunikationstechnologie und dem Glauben an die Vorzüge der internationalen Arbeitsteilung kam es zu einer regelrechten Globalisierungswelle. Die Finanz-, Güter- und auch Arbeitsmärkte wurden immer weiter liberalisiert. Barrieren aller Art galten bei vielen Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik als störend, weil wachstumsschädlich. Überspitzt gesagt: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurden Stück für Stück so umgestaltet, dass sie immer dichter an die Idealbedingungen des volkswirtschaftlichen Lehrbuchs rückten.

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In dieser Zeit dominierte der sogenannte «Washington Consensus» die wirtschaftspolitische Grundausrichtung. Internationale Organisationen wie der IWF stützten sich auf diesen Konsens, der auf marktwirtschaftliche Steuerung setzte: Solide Staatsfinanzen, Privatisierung, Handelsliberalisierung, Deregulierung und vieles mehr waren als Grundlage für wirtschaftliche Stabilität und Wachstum anerkannt.

Über den Autor

Jörn Quitzau ist Chief Economist der Privatbank Bergos AG.

Phase 2: Die Rückkehr des «Big Government“

All das sollte sich schlagartig ändern. Die grosse Krise ab 2007, die von den Exzessen im unzureichend regulierten Finanzsektor verursacht wurden, erschütterte den Glauben an die freien Märkte. Wegen der globalen Vernetzung konnte sich die Krise, die ihren Ursprung in einem Segment des amerikanischen Immobilienmarktes hatte, durch das globale Finanzsystem fressen. Am Ende stand das Weltfinanzsystem auf der Kippe.

Die liberale Wirtschaftsordnung geriet unter Generalverdacht. Naturgemäss richtete sich die öffentliche Kritik vor allem auf den Finanzsektor, der fortan schärfer reguliert wurde. Die Realwirtschaft kam zunächst noch glimpflich davon, obwohl globalisierungskritische Gruppierungen direkt das ganze marktwirtschaftliche System ins Visier nahmen. Doch die politischen Entscheidungsträger wollten nicht die Fehler der Weltwirtschaftskrise von 1929 wiederholen. Sie wollten den Abwärtsstrudel nicht durch Abschottung verschärfen. 

Erst das Trumpsche «America first» leitete die Abkehr von der Freihandelsidee und eine neue Welle des Protektionismus ein. Auch während der Präsidentschaft von Joe Biden hatte der Freihandel einen schweren Stand. Vielmehr wurde es in den USA, aber auch in Europa, mehr und mehr salonfähig, die heimische Wirtschaft vor dem internationalen Wettbewerb zu schützen. Letztlich waren die Lieferkettenprobleme während der Corona-Pandemie und des Russland-Ukraine-Krieges der Sargnagel für die Globalisierung alter Prägung. Die Regierungen sahen die Chance, sich ihren Gestaltungsanspruch für Wirtschaft und Gesellschaft zurückzuholen. «Big government» war wieder da. In dieser Zeit drehte sich vielerorts auch der Zeitgeist. Gesellschaften wurden zunehmend nicht mehr vom Individuum her gedacht. Vielmehr sorgten übergeordnete Ziele wie der Klimaschutz, die Corona-Eindämmung und der gesellschaftliche Zusammenhalt für mehr kollektive Regeln. Selbst vor der Unternehmenswelt machte der Zeitgeist nicht halt – der Shareholder-Kapitalismus war in Verruf geraten und sollte durch einen Stakeholder-Kapitalismus ersetzt werden. So schien bis vor kurzem der Weg vorgezeichnet für eine anhaltende Phase der staatlich gelenkten Wirtschaft. Doch die Gegenbewegung ist bereits da.

Neue Zeitrechnung: Wie geht es weiter?

Der Vorbote einer neuen Zeitrechnung war die Wahl des ultraliberalen beziehungsweise libertären Javier Milei zum Präsidenten Argentiniens. Milei hatte angekündigt, den Staat mit der Kettensäge zurückschneiden zu wollen. International viel wichtiger: Donald Trump plant mit dem «Department of Government Efficiency» (DOGE) ebenfalls einen mächtigen Bürokratieabbau und Rückschnitt des Staates. Trumps Naturell und seine Mitstreiter aus dem Tech-Bereich sprechen dafür, dass auch in den USA nicht mit der feinen Klinge gearbeitet werden dürfte. 

Es ist wohl der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Das Verhältnis von Markt und Staat, von Kollektivismus und Liberalismus wird abermals neu austariert. Doch das Pendel wird nicht einfach zurückschlagen in Richtung Liberalismus der frühen 2000er Jahre. Trump und seine (wirtschafts-) politischen Ansichten sind widersprüchlich. Er ist «pro business», aber nicht «pro market». Seine handelspolitischen Vorstellungen sind anti-marktwirtschaftlich. Und so wird sich auch erst zeigen müssen, was Donald Trump unter Bürokratieabbau und Deregulierung versteht. 

Aus marktwirtschaftlicher Sicht hat Regulierung eine Berechtigung, wenn sie die Märkte offenhält, den Wettbewerb sichert und somit die Macht von Unternehmen begrenzt. Trumps Deregulierungspolitik wird sich daran messen lassen müssen, ob sie nur die kleinteilige, überbordende Bürokratie und Deregulierung, die den Unternehmen das Leben unsachgemäss schwer macht, zurückschneidet oder ob sie die Regulierung, die den Wettbewerb schützen soll, gleich mit abräumt. Im ersten Fall würde er der ganzen amerikanischen Gesellschaft einen Dienst erweisen, im zweiten Fall nur seinen Freunden aus dem Unternehmerlager. Kurzfristig dürfte die Deregulierungsoffensive die US-Wirtschaft entfesseln und somit die amerikanische Konjunktur beflügeln. Die längerfristigen Folgen lassen sich hingegen noch nicht einschätzen.

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