Kurz nach dem denkwürdigen Bankcrash-Wochenende liess sich kaum ein Medienvertreter die Gelegenheit nehmen, neben den wohlfeil-rückblickenden Prügeln für die CS-Oberen auch der Finma eine Verantwortung für das historische Bankendebakel anzulasten. Gleichzeitig wurde die für die Liquiditätssicherung genuin verantwortliche SNB auffallend geschont und die Departementschefin als Fusionshebamme sogar über den Klee gelobt. 

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Als er im Sommer 2023 die erste vertiefte Analyse des CS-Debakels vortrug, rief der Basler Finanzprofessor Ivan Lengwiler, früher auch Finma-Verwaltungsratsmitglied, ins Radio: «Das Finma-Bashing muss ein Ende haben.»

Nun liegt der neunzigseitige, akribische Bericht «Lessons learned aus der CS-Krise» der Finma vor: Die CS war schon ein Jahrzehnt lang das Sorgenkind der Aufsichtsbehörde. Seit 2012 war die Finma zu 43 Vorabklärungen bei der CS für mögliche Enforcement-Verfahren, das sind behördliche Zwangsmassnahmen, genötigt. Sie musste 9 Rügen aussprechen, 16 Strafanzeigen erstatten und 14 Enforcement-Verfahren gegen die CS und einzelne Mitarbeitende effektiv durchziehen, wobei deren 11 in die Jahre 2018 bis 2022 vor dem Absturz fielen. In diesen fünf Jahren führte die Finma – wohl aus wachsendem Misstrauen – 108 Vorortkontrollen bei der CS durch, und sie bemängelte dabei 382 Fehler oder Regelverletzungen. Dabei setzte sie 112 Fachspezialisten der rund 600 Mitarbeitenden allein für die Grossbanken CS und UBS ein. Die meisten Verfahren gegen die CS prallten an deren Ignoranz ab. Der Finma fehlte die Kompetenz für Bussen und andere schärfere Sanktionen.

Warum konnte sich die Finma nicht durchsetzen und den voraussehbaren Kollaps verhindern? Der renommierte Wirtschaftsanwalt Peter Nobel benannte mit seiner Erfahrung als Mitglied der früheren Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) das Durchsetzungsdefizit der Finma als «Zugriffsangst im Governance-Bereich». Mit andern Worten, die Aufsichtsbehörde konnte die obersten Bankverantwortlichen nicht fassen und entfernen. 

 

Über den Gastautor

Rudolf Strahm, Ökonom und Chemiker, war SP-Nationalrat und danach eidgenössischer Preisüberwacher.

Was man nicht weiss oder nicht erwähnt, sind die Vorgänge im Bundesbern. Die Finma wurde nämlich vor und hinter den Berner Kulissen jahrelang schlechtgeredet, eingeschüchtert und regelrecht geschwächt!

Nach aussen sichtbar waren nur die parlamentarischen Vorstösse gegen die Finma. 2017 verlangte der Mitte-Nationalrat Martin Landolt per Motion «klare Verantwortlichkeiten zwischen Finanzmarktpolitik und Finanzmarktaufsicht». Landolt, der früher als politischer Berater der UBS gewirkt hatte, verlangte de facto die Zurückbindung mit der Forderung nach «einer effektiven Gewährleistung der politischen Steuerung und Kontrolle der Finma». Die Motion Landolt wurde vom Bundesrat erstaunlicherweise zur Annahme empfohlen (!) und danach von beiden Räten angenommen. Die Nationalrätin Susanne Leutenegger-Oberholzer von der SP bekämpfte sie.

Ein Jahr später lancierte der Mitte-Ständerat Erich Ettlin eine Motion mit dem Titel «Die Finanzmarktaufsicht soll sich auf ihren Kernauftrag fokussieren». Ettlin erteilte in seiner Motionsbegründung wahre Prügel gegen die Finma, die mit einem Rundschreiben die «radikale Umgestaltung des dualen Aufsichtssystems» anstrebe. Die Finma wollte nach schlechten Erfahrungen die Rolle der beauftragten privaten Revisionsgesellschaften eingrenzen. Nach der für ihn erfolgreichen Beratung in der Wirtschaftskommission mit einigen bundesrätlichen Zusicherungen zog Ettlin seine Bashing-Motion zurück. 

Diesen politischen Druck spürte darauf die damalige Finma-Leitung. Plötzlich wurde der Finma-Vertretung im Basler Ausschuss ein Departementsvertreter – wohl als politischer Aufpasser – beigestellt. Sodann wurde vom Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) eine politische Eingrenzung in der Finma-Verordnung ins Spiel gebracht. (Sie wurde später abgewehrt.) Der verantwortliche SIF-Chef Jörg Gasser wechselte bald darauf als CEO zur Schweizerischen Bankiervereinigung. 

Doch die Kontakte blieben weiter bestehen. Bundesrat Ueli Maurer traf sich monatlich mit dem Bankiervereinigungspräsidenten Herbert J. Scheidt zu einer Aussprache. 

Nicht zuletzt solche Nadelstiche bewogen den starken CEO der Finma, Mark Branson, das Handtuch zu werfen. Heute ist er Präsident der mächtigen Bankenaufsicht (BaFin) in Deutschland.

Die Waffen der Bankenlobby waren Bashing und Einschüchterung durch ihre politischen Wasserträger. Wer die Berner Mechanik kennt, weiss, dass solche informellen Druckversuche und das Institutional Capture (Behörden-Vereinnahmung) im Rahmen der politischen Netzwerke oft mehr bewirken als eine sichtbare Veränderung der Gesetze und Verordnungen. Die vermutete «Zugriffsangst im Governance-Bereich» hatte eine reale Grundlage!