Maxime Carmignac, der unabhängige Vermögensverwalter Carmignac wurde 1989 in Paris von Ihrem Vater gegründet? Sie arbeiten sozusagen in einem Familienbetrieb. Es ist wohl kein Zufall, dass Sie Private-Equity-Spezialistin geworden sind?
Carmignac hat sich 35 Jahre lang nur auf börsennotierte Anlagen konzentriert, sowohl auf Aktien als auch auf Fixed Income.
Doch ich bin eine grosse Anhängerin von illiquiden Assets aufgrund ihrer Diversifizierungsvorteile. Und es hat uns viel Zeit gekostet, um den richtigen Ansatz zu finden, endlich in den Bereich illiquider Anlagen einzusteigen.
Wir waren mit dem Grad der Transparenz, dem Zeithorizont und den Gebühren nicht vertraut. Wir mussten also eine Menge Aufklärungsarbeit leisten. Und schliesslich begannen wir im Jahr 2020 während der Pandemie, all die Vorteile zu verstehen, die Private Equity bietet und wie sie unsere bestehenden Fähigkeiten ergänzen kann.
Maxime Carmignac ist seit 2013 Chief Executive Officer und Director von Carmignac UK Ltd. Sie ist Mitglied des Strategic Development Committee von Carmignac und Vorsitzende des Strategic Product Committee. Sie begann im Investmentbanking in London und Paris und ging dann für zwei Jahre zu McKinsey, bevor sie 2006 als Analystin für die Sektoren Energie und Konsumgüter zu Carmignac kam. 2008 wechselte Maxime Carmignac zu Visium Asset Management, einer Verwaltungsgesellschaft für alternative Anlagen in New York. 2010 kehrte sie als Portfoliomanagerin zu Carmignac nach Paris zurück.
Carmignac gibt es seit zehn Jahren in der Schweiz. Sie leiten Carmignac UK persönlich als CEO, aber Sie sind auch Mitglied des strategischen Entwicklungsausschusses und Leiterin des strategischen Produktausschusses. Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Gremien?
Der Ausschuss für strategische Entwicklung ist eher ein Governance-Ausschuss, gewissermassen ein Ausschuss zur Abstimmung aller strategischen Funktionen.
«Mein» Ausschuss hingegen, der Ausschuss für strategische Produktentwicklung, ist ein Exekutivausschuss, in dem wir ganz konkret nächste Produkte entwerfen.
Wir wollen bei Carmignac eine schlanke und saubere Produktpalette. Deshalb schaffen wir nur bestimmte neue Fonds. (lächelt) Dieses Komitee, das ist mein Baby und meine Lieblingsrolle bei Carmignac.
Wieso lieben Sie genau diese Funktion so?
Weil sie mir ermöglicht, vieles zu verbinden. Sie wissen schon: im Wettbewerb stehen, die Haupttrends in unserer Branche, die erwartete Regulierung et cetera.
Letztlich geht es darum, die bestmögliche Produktpalette für Carmignac in einer Zeit zu haben, in der unsere Branche durch den Wettbewerb, mit der ETF-Regulierung und der technologischen Disruption herausgefordert wird. Wir im Komitee müssen also immer auf der Hut sein, um in diesem schwierigen Umfeld gedeihen zu können.
Was sind Ihre strategischen Ziele in der Schweiz?
In der Schweiz sind wir mit unserem derzeitigen Marktanteil nicht zufrieden. Das ist schade, denn in der Schweiz gibt es viele sehr erfolgreiche Familienunternehmen. Für mich ist die Schweiz eine grossartige Kombination aus Tradition, Langfristigkeit und Innovation. Wir sind fest entschlossen, hier zu wachsen.
Ist die Schweiz wirklich so dynamisch?
Die Schweiz ist das Land mit den meisten Patentanmeldungen pro Einwohner und Einwohnerin in der Welt. Sie ist in den Top zehn, während die Bevölkerung der Schweiz etwa neun Millionen Menschen beträgt. Es gibt also einen sehr starken Fokus auf und Erfolg mit Innovationen.
Was die Fortune-500-Unternehmen angeht, so liegt die Schweiz bei 3 Prozent, was im Vergleich zu durchschnittlich 0,1 Prozent der Weltbevölkerung enorm ist.
Wie wollen Sie einen höheren Marktanteil erreichen?
Wir haben hier ein Team fünf Vollzeitvertriebsmitarbeitende für die Schweiz – vier in Zürich und einen in Genf –, alle sehr erfahrene Profis.
In der Schweiz ist die Vermögensverwaltung sehr anspruchsvoll. Daher verlangen die Kunden auch mehr Angebotsblöcke. Das haben wir bei Carmignac gemerkt und hart an der Diversifizierung gearbeitet.
Mit welchem Resultat?
Dank der Diversifizierung haben wir jetzt eine sehr gute Kreditpalette, die in der Schweiz gut funktioniert. Und wir haben auch einen sehr guten globalen Aktien-Long-only-Fonds, einen weiteren Baustein, der in der Schweiz sehr gut funktioniert.
Haben Sie damit nun mehr Erfolg?
Der erste grosse Investor in unseren globalen Long-only-Aktienfonds, den «Carmignac Portfolio Grandchildren», war eine Schweizer Privatbank. Und natürlich ist Private Equity in der Schweiz sehr gut entwickelt, und wir lancieren jetzt unser erstes Private-Equity-Evergreen-Produkt, inspiriert von einem Schweizer Akteur, der Partners Group. Wir sind optimistisch, was die Aussichten für dieses Produkt angeht.
Sie müssen wissen: Partners Group hat 2007, also vor langer Zeit, den Partners Group Global Value ins Leben gerufen, der ein grosser Erfolg und eine Inspiration für die gesamte Vermögensverwaltungsbranche war.
Private Equity sticht die Börsengänge aus. Warum entscheiden sich immer mehr Unternehmen gegen einen Börsengang oder dekotieren und kehren dem Börsenparkett den Rücken?
Ja, das ist eine Tatsache. Ein Beispiel: Gemäss einer Studie von Apollo gab es 1996 in den USA 8000 börsennotierte Unternehmen. Heute sind es noch 4400 – nahezu eine Halbierung in nur dreissig Jahren.
Und warum ist das so?
Ich denke, es gibt zwei Hauptgründe. Erstens: Obwohl die öffentlichen Märkte langfristig gute Ergebnisse erzielt haben, ist die Börsennotierung sehr anspruchsvoll. Die Zwänge in Bezug auf Berichterstattung, Regulierung, Kosten und Einhaltung von Vorschriften nehmen täglich zu.
Und zweitens?
Zweitens werden die Märkte immer schneller, weil es jetzt die anderen Investoren gibt, etwa grosse Hedgefonds, die auf das nächste Quartal spekulieren, und die Quant-Fonds, die von KI angetrieben werden, mehr Gewinn als je zuvor machen und sich sehr auf kurzfristige Gewinne konzentrieren. Dadurch erlangt der kurzfristige Fokus mehr Gewicht, und so können sich einige Unternehmen, die in der Privatwirtschaft verbleiben, stärker auf die langfristige Entwicklung konzentrieren.
Unternehmen haben also einen Vorteil, wenn sie ihre Kredite über Private Equity finanzieren?
Ja. Mit Private Equity herrscht Interessengleichheit, weil sowohl das Management als auch die Stakeholder auf ein mittelfristiges Ziel ausgerichtet sind. Es ist kein langfristiges Ziel, sondern ein Ziel mit einem Horizont von fünf bis zehn Jahren. Danach könnte eine Börsennotierung sinnvoll sein, da sie beispielsweise Zugang zu einem grösseren Kreis von Anlegenden hätte.
Wenn ich richtig informiert bin, glauben Sie, dass Investitionen in Private Equity in den letzten Jahren schwieriger geworden sind? Warum ist das so, und können Sie es erklären?
Warren Buffett sagte: «Wenn Ebbe ist, sieht man, wer nackt ist.» Jetzt haben wir das Ende des Niedrigzinsumfelds gesehen, das durch die Zentralbanken gefördert wurde. Das Umfeld wird also immer schwieriger.
Einige Private-Equity-Akteure haben zu viel gezahlt, weil sie Kapital mit oft sehr hohen Bewertungen und für qualitativ schlechte Unternehmen einsetzten, als der Wettbewerb gross war. Dadurch wird das gesamte Umfeld schwieriger. Man muss sehr sorgfältig auswählen, mit wem man zusammenarbeitet.
Welche Folgen hat das?
Wegen initial hoher Bewertungen neigten manche Private-Equity-Akteure dazu, die Unternehmen länger zu behalten, weil sie keinen guten Ausstieg finden. Sie wollen den Nettoinventarwert (NAV) in ihrem Buch nicht senken, wenn die Fundamentaldaten es nicht rechtfertigen, also behalten sie es, behalten es, behalten es.
Sie sitzen die Situation in Hoffnung auf bessere Zeiten aus?
Genau. Dadurch wird die interne Rendite völlig unter Druck gesetzt. Ausserdem könnten die Anlegerinnen und Anleger sehr frustriert werden, weil die Private-Equity-Firmen den Investitionszeitraum verlängert haben und sie deshalb ihr Geld nicht zurückbekommen.
Wie lässt sich dieses Dilemma lösen?
In diesem Zusammenhang ist die beste Unteranlageklasse für Private Equity der Sekundärmarkt. Mit Secondaries kann man von diesen Marktverwerfungen profitieren, weil Sie mit einem Abschlag kaufen können. Das geht mit Direkt- und Primärinvestitionen nicht.
Private-Equity-Spezialisten wie Hamilton Lane und Harbourvest dringen in kleinere Fragmente des Marktes ein. Jetzt stossen sie in den Einzelhandelsmarkt vor.
Ja, weil Entwicklungen in der Anlageklasse, wie zum Beispiel neue Produkttypen, manche der typischen Probleme für Private Equity gelöst haben. Wenn sie in typisches Private Equity investieren, benötigen Retailanlegende starke Nerven.
Warum?
Das Cashflowmanagement und die Verwaltung sind kompliziert. Wenn ich als Privatanlegerin in einen Private-Equity-Fonds investiere, sehe ich in den ersten zwei Jahren Kosten, Kosten und nochmal Kosten. Das kann frustrierend sein. Des weiteren haben sie keine Liquidität, sie sind zehn Jahre lang gebunden.
Und wer weiss, vielleicht wollen Sie ein neues Haus kaufen. Viele Dinge können sich im Leben eines einzelnen Anlegers ändern. Und man möchte in der Lage sein, potenziell auf diese Investitionen zuzugreifen.
Doch sind diese Probleme mit Evergreen-Fonds gelöst?
Aufgrund dieser Probleme liegt das Exposure der einzelnen Investoren an Private Equity heute zwischen 0 und 3 Prozent. Bei Stiftungen sind es dagegen 56 Prozent. Das ist schlecht, denn man will illiquide Anlagen, um von der Diversifizierung, den höheren Renditen und der geringeren Volatilität profitieren zu können. Aber in den typischen Vehikeln war das wie gesagt nicht einfach.
Bei Evergreen-Lösungen arbeitet Ihr Geld vom ersten Tag an. Auf jedes Quartal hin kann man aussteigen.
Erschliesst Carmignac mit neuen Produkten wie den Evergreen-Fonds neue Kundengruppen?
Wir haben den Carmignac Private Evergreen im Mai 2024 auf den Markt gebracht mit Blick auf unsere bestehende intermediäre und Wholesale-Kundschaft. Und obwohl er nicht speziell für institutionelle Anlegende konzipiert wurde, glauben wir, dass die Qualität wirklich hoch ist, und wir sind extrem begeistert von der Entwicklung und Leistung – daher kann es für eine Vielzahl von Anlegenden attraktiv sein.
Der Sekundärmarkt hat in den letzten Jahren offensichtlich auch für Private Equity an Bedeutung gewonnen. Was sind seine Vorteile für Private Equity?
Für mich gibt es strukturelle Vorteile und taktische Vorteile. Es existiert eine grössere Transparenz. Sie stellen also niemandem einen Blankoscheck aus, denn Sie kennen den grössten Teil des Portfolios, in das bereits investiert wurde. Sie können also die Qualität des Portfolios einschätzen.
Auch das Diversifizierungsproblem ist mit Secondary-Fonds behoben?
Sie haben eine enorme Diversifizierung. Sie investieren in zehn Fonds, die selbst in zehn Basiswerte investieren. Sie haben also vom ersten Tag an etwa hundert. Das ist eine viel bessere Diversifizierung. Und das sind die strukturellen Vorteile des Sekundärmarktes.
Doch dieser Markt ist noch sehr klein.
Ja, das ist er. Die langfristigen Aussichten für Secondaries sind meiner Meinung nach sehr positiv. Dieser Markt ist unterentwickelt.
Primärfonds kommen auf 10,3 Billionen Dollar. Der Umfang der jährlichen Sekundärtransaktionen betrug 2023 laut Evercore 114 Milliarden Dollar. Das bedeutet: Nur 1 Prozent der Primärtransaktionen entfallen auf Sekundärtransaktionen. Da herrscht noch viel Luft nach oben.
Können Sie das erläutern?
All die Unternehmen, die in ihrem Portfolio feststecken, die keinen Vertrieb haben, keine Exits, müssen irgendwann aussteigen – und Secondaries sind der beste Weg dahin. Die Managerinnen von Private-Equity-Fonds stimmen einer Transaktion zu, die ihnen passt, die Fondsinvestoren sind zufrieden, da die Fondsbedingungen eingehalten werden, und die Portfoliounternehmen werden zu einem günstigeren Zeitpunkt abgegeben.
Carmignac ist eine der führenden unabhängigen Vermögensverwaltungsgesellschaften in Europa. Sie befindet sich vollständig im Besitz des Gründers, seiner Familie und seiner Mitarbeitenden. Carmignac ist auch in der Schweiz präsent und unterhält unter anderem in Zürich Büros.