Damian Lanter, Digitalisierung ist schon seit vielen Jahren ein Thema bei Banken. Jetzt kommt KI obendrauf. Was bedeutet das für die Bank BSU und für Sie konkret?
Ich finde es noch heikel, künstliche Intelligenz zu nutzen, da gerade Regionalbanken wie die Bank BSU kundennah sein wollen. KI birgt ein gewisses Risiko, dass Dinge falsch interpretiert werden. Und wenn es um das Verständnis für die Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden geht, behaupte ich immer noch: Der Kundenberater ist besser. Dennoch wird KI bei den Banken noch viel bewegen. Sie wird den Menschen nicht völlig ersetzen, aber vieles vereinfachen.
Wo setzen Sie KI bereits ein?
Wenn es um Cyberrisiken geht. Fraud Detection und Fraud Prevention sind typischerweise Themen, die wir im Kreditkartenbereich und im Zahlungsverkehr so abdecken. Ausserdem setzen wir Roboter zum Sammeln und Aufbereiten von Daten ein, etwa für Reportings und Analysen.
Steigert das die Effizienz im Backoffice?
Bei wiederkehrenden Arbeiten bietet Robotik schon jetzt von der Effizienz her extreme Möglichkeiten. Man kann heute solche Reportings praktisch täglich erstellen – früher haben wir dafür alle Vierteljahre viel Zeit aufgewendet.
Was ist der Vorteil?
Es ist alles viel dynamischer im Banking als noch vor zwanzig oder dreissig Jahren. Was passiert mit den Zinsen, wie entwickeln sie sich? Früher war alles viel träger. Dadurch musste man gar nicht so schnell auf Veränderungen reagieren. Die Margen waren höher. Wenn man da mal eine Woche später oder früher auf eine Entwicklung reagierte, machte dies nicht so viel aus. Doch mit der zunehmenden Dynamik der Märkte muss man heute schneller reagieren können. Darum ist es wichtig, über Entscheidungsgrundlagen – unter Umständen – täglich zu verfügen statt nur quartalsweise.
Also rettet dies letztlich das Überleben der Bank?
Ich bin schon der Meinung, dass es notwendig ist. Diese Dynamiken sind eine der grossen Herausforderungen. Man muss dort mithalten.
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Grosse Dynamik bringt man nicht zuallererst mit Regionalbanken in Verbindung …
Ja, das verstaubte Image von Regionalbanken steckt noch immer in vielen Köpfen. Doch dieses Bild ist komplett falsch.
Als ich von der UBS zur Bank BSU wechselte, fiel mir auf: Rein von der Technologie her gibt es kaum einen Unterschied. Und die Erwartungshaltung der Kundschaft ist eben auch, dass man bei einer kleineren Bank das Gleiche bekommt wie bei einer grossen Bank.
Sie arbeiten mit Partnerfirmen zusammen. Was sind Ihre wichtigsten Partner?
Die wichtigste Partnerschaft ist das Esprit-Netzwerk, in welchem wir eine von 25 Banken sind. Dort geht es um den Einkauf und das Projektmanagement von allen IT-Lösungen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Zum Beispiel Twint als eine eigene App zu unseren Kundinnen und Kunden bringen: Das wäre für eine Bank mit vierzig Mitarbeitenden ein zu grosses Projekt. Diese Sache im Verbund zu realisieren, geht hingegen gut. Die IT ist ein zentraler Treiber im Banking. Darum ist das Esprit-Netzwerk sicher unsere wichtigste Partnerschaft. Weitere Leistungen im Compliance-Bereich und im HR kaufen wir ebenfalls ein.
Das ist kosteneffizienter?
Ganz klar. Wir könnten alles selber machen, aber oft könnte ich entsprechende Mitarbeitende gar nicht zu 100 Prozent auslasten. Zudem sind Vakanzen nicht abgedeckt, wenn jemand Ferien hat, im Mutterschaftsurlaub ist, ins Militär geht oder Ähnliches. Wenn ich Leistungen einkaufe, dann ist auch die Stellvertretung nicht mein Thema.
Ist ein Zusammenschluss für Sie mit anderen Instituten ein Thema?
Nein.
Warum?
Als Regionalbank ist für mich die lokale Verankerung wichtig. Wir sind nicht einfach eine Bank, wir sind ein Arbeitgeber und Steuerzahler in der Region. Und wir engagieren uns mittels Sponsoring sowie durch unsere Genossenschafterinnen und Genossenschafter über die Gemeinnützige Gesellschaft des Bezirks Uster. Wären wir sehr viel grösser, wäre der lokale, regionale Fokus nicht im gleichen Umfang vorhanden. Und darum sage ich: Solange es möglich ist, als kleine Regionalbank zu bestehen, den notwendigen Ertrag zu generieren und für die Region einen Mehrwert zu schaffen und einen Beitrag zu leisten, sehe ich keinen Grund für eine Fusion.
Passivgelder sind jetzt wieder attraktiv. Was haben Sie für Möglichkeiten, als Bank BSU an Passivgelder heranzukommen?
Wir versuchen, attraktiv zu sein. Ich glaube, das ist eine Herausforderung, der man als Regionalbank generell gerecht werden muss. Überhaupt schon im Bewusstsein der Bevölkerung präsent zu sein, ist anspruchsvoll genug.
Was machen sie, um in der Öffentlichkeit besser wahrgenommen zu werden?
Am meisten erreicht man, wenn die Kundinnen und Kunden so zufrieden sind, dass sie darüber sprechen. Dazu versuchen wir, unsere Kundschaft zu ermuntern. Positive Google-Rezensionen nützen uns auch. Bei den Jugendlichen versuchen wir momentan, über Tiktok mehr Visibilität hinzubekommen. Kurz: Wir probieren verschiedene Dinge aus. Denn unterschiedliche Generationen reagieren auf unterschiedliche Dinge. Werbung machen ist extrem teuer. Wir können uns nicht alles leisten. Hier sind grosse Banken klar im Vorteil.
Wie schätzen Sie den Einfluss von Fintechs auf das Swiss Banking ein?
Von der Idee, von der Kreativität her finde ich Fintechs etwas Cooles. Sie regen an, über das hinauszudenken, was bisher gemacht wurde und wie man es gemacht hat. Im Retailbanking hat sich nicht so viel verändert: Eine Hypothek ist schon, weiss ich, wie lange, eine Hypothek. Da ist nicht viel Dynamik drumherum. Fintechs sorgen für frischen Wind. Sie animieren die ganze Branche.
Beim Thema Regulierung machen viele Chefs von kleineren Banken momentan die Faust im Sack. Weil sie finden, es werde überreguliert. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
Es ist ein riesiger Kostenblock. Der Regulator stülpt verständlicherweise alles der ganzen Branche über, ob Grossbank, Auslandbank oder Regionalbank. Das sorgt bei uns für Aufwand. Wenn man zusätzlich das Risikoprofil einer Regionalbank in Betracht zieht, sieht man schnell: Es geht etwas zu weit, da keine Differenzierung zwischen verschiedenen Banken gemacht wird. Die strengen Auflagen sind eine besondere Herausforderung für kleine Banken. Für grosse Banken ist die Umsetzung der regulatorischen Auflagen im Vergleich zu einer kleinen Bank eine Kleinigkeit.
Was wünschen Sie sich?
Natürlich wünsche ich mir, dass man bei Regulierungen mehr differenzieren würde. Sehr oft tritt eine Gesetzgebung in Kraft, ohne dass daraus die Umsetzung in der Praxis abschliessend klar ist. Das führt dann zu vielen offenen Fragen.
Mit welchen Konsequenzen?
Wenn man auf der sicheren Seite sein will, muss man den paranoidesten Ansatz wählen – und das ist für uns als Bank mühsam, und sehr oft ist es auch für Kundinnen und Kunden äusserst unangenehm.
Sie wünschen sich eine grössere Differenzierung. Doch das wird mit den fünf verschiedenen Kategorien ja schon gemacht.
Das ist grundsätzlich richtig.
Wo fordern Sie noch mehr Differenzierung durch den Regulator, die Finanzmarktaufsicht Finma?
Natürlich gibt es gewisse Dinge, bei denen kleine Banken wie wir in der Kategorie fünf von Vereinfachungen profitieren. Ich bin aber der Meinung, dass ein risikobasierter Ansatz viel breiter möglich wäre. Es gibt teilweise solche Ansätze, wie zum Beispiel die 20:80-Regel, die besagt: Solange ihr nicht mehr als X habt, müsst ihr nichts liefern.
Das geht aber nicht bei allen Themen.
Natürlich gibt es Themen, bei denen Nulltoleranz angezeigt ist: bei Geldwäschereithemen etwa. Hier ist klar, dass jede Bank, egal, wie gross sie ist, die gleichen Standards erfüllen muss. Als Regionalbank ist man hier sogar noch anfälliger.
Inwiefern?
Viele Leute denken, kleine Banken hätten weniger Power, um Missbrauch wie Geldwäsche zu entdecken. Ich kann Ihnen versichern: Dem ist nicht so.
Gibt es weitere Punkte, die Sie kritisieren?
Das Thema Anlegerschutz. Hier will der Regulator eigentlich Kundinnen und Kunden schützen. Doch im Endeffekt, müssen Anlegerinnen und Anleger dermassen viele Dinge unterschreiben und durchlesen, dass sich wohl manch einer denkt: Wenn man so viele Dinge unterschreiben muss, ist irgendetwas nicht gut. Ich frage mich, ob man für Anlegende wirklich das erreicht, was man eigentlich damit erreichen möchte.
Zum Schluss: Alle CEOs von Regionalbanken, die ich bisher getroffen habe, sind happy. Woran liegt das?
Vielleicht daran, dass sie früher bei Grossbanken waren. (schmunzelt) Wenn für einen nicht das Renommee, ein Jobtitel oder der Lohn im Vordergrund steht, ist man bei einer Regionalbank glücklicher. Der Job ist dort vielseitiger, und man ist sehr viel näher bei den Kundinnen und Kunden.
Aber ich muss damit leben können, dass jemand meinen Arbeitgeber, die Bank BSU, nicht kennt. Wen das hingegen stört, der muss eben bei einer Grossbank anheuern.
- Gründungsjahr: 1836
- Bilanzsumme: 1,2 Milliarden Franken
- Anzahl Kundinnen und Kunden: 14’000
- Verbreitungsgebiet: Zürcher Oberland, hauptsächlich Bezirk Uster
- Genossenschaft
- Besonderes: Genossenschaft ohne einbezahltes Kapital: «Unsere Genossenschafterinnen und Genossenschafter haben kein Kapital in der Bank, sie üben lediglich das Eigentümerrecht aus. Der Druck auf einen möglichst hohen Ertrag ist dadurch geringer, und man kann eher etwas machen, was man für richtig erachtet, auch wenn es nicht unmittelbar den Gewinn maximiert.»