Die Abwertung des Schweizer Frankens um rund 8 Prozent im ersten Quartal 2024 «ist ein vorübergehendes Phänomen, auch weil der Euro das Vertrauen einfach nicht hat», leitet Thomas Stucki, Chief Investment Officer der St. Galler Kantonalbank, seine Präsentation vor Medienschaffenden in Zürich ein.

Der Franken sei in einem Soft-Spot für die Spekulation. Im Devisenhandel falle auf: «Alles läuft gegen den Dollar.» Es werden etwa 7000 Milliarden umgesetzt (2022). Der Dollar ist die Weltwährung Nummer eins. Die chinesische Währung kommt erst an vierter, fünfter Stelle. «Sie hat einen Bruchteil des Umsatzes des Dollars, auch weil die Chinesen das nicht zulassen», so der CIO der St. Galler Kantonalbank. 

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Kurse beeinflussen ist nicht ganz einfach

Vergleicht man den Tagesumsatz, falle auf, dass der Franken im Vergleich zur Schweizer Wirtschaft extrem stark gehandelt werde, meint Stucki: «400 Milliarden pro Tag sind gut genug, damit es eine gute Liquidität hat.» So könne man den Franken auch bewegen. «Wenn Sie den Dollar bewegen wollen, dann sind Sie auf verlorenem Posten. Wenn Sie den Euro bewegen wollen, dann ist es auch nicht so einfach.» Aber der Franken könne in einer konzertierten Aktion in die eine oder andere Richtung bewegt werden. «Davon profitiert übrigens auch die Nationalbank. Die nutzt das bei ihren Währungsinterventionen», stellt Thomas Stucki nüchtern fest. Die Nationalbank steuere den Franken-Kurs nach wie vor.

Warum bleibt der Franken eine starke Währung?

Vor einem Monat gab es kurz eine Euro-Franken-Parität. Eine langfristige Parität zum Euro sieht Stucki jedoch nicht: «Die Inflationsdifferenz spielt hier entscheidend mit.» Ein weiterer Grund: Die Schweiz habe keinen extrem liquiden Obligationenmarkt. «Sie können nicht Milliardenbeträge in Schweizer Franken investieren, wie das in US-Treasuries oder US-Mortgage-backed-securities möglich ist.»

Zudem sei die Schweizerische Nationalbank (SNB) für viele Marktakteure unberechenbar im Markt aktiv. Und Spekulation gegen eine Nationalbank zu betreiben, sei nicht machbar, so Stucki: «Die haben definitiv mehr Geld als sie.» Das Wichtigste sei für ihn die Kaufkraftparität: «Das klingt jetzt vielleicht etwas altbacken, aber es gibt für mich relativ wenige wirklich ökonomische Gesetze, die funktionieren, und das ist die Kaufkraftparität, der Ausgleich der Inflationsdifferenz – über die Währung, über die Zeit.» Das funktioniere gut.

Tiefere Schweizer Inflation stützt den Franken

Über die Zeit wird der Franken stärker, solange die Inflation in der Schweiz tiefer ist als im Ausland. Gemäss Einschätzungen der St. Galler Kantonalbank wird das noch eine Weile der Fall sein.

Momentan ist die Schweizer Inflation rund 2 Prozent tiefer als in den USA und 1 bis 1,5 Prozent tiefer als im Euro-Raum. Dies führe zu einer jährlichen Abwertung des Dollars von 2 Prozent und des Euros von 1,5 Prozent.

«Um den Franken nicht mehr aufwerten zu lassen, müsste die Schweiz inflationieren. Dann ist die Aufwertung des Frankens relativ schnell vorbei», meint Stucki. Schlage er dies den unter einem hohen Franken-Kurs leidenden Unternehmern in der Ostschweiz als Lösungsansatz vor, ernte er zuerst Unverständnis, dann ein Kopfschütteln: Eine hohe Inflation wollten die Unternehmer eben auch nicht.

Die Nationalbank kann den Franken stabil halten. Das hat sie gezeigt. Aber es ist mit Kosten verbunden. Diese Kosten sind unter anderem Negativzinsen gewesen. «Unser Pensionskassensystem hat darunter relativ stark gelitten», konstatiert Stucki.

Das weitere Rezept gegen Aufwertung ist der Aufbau von Devisenreserven. «Die Konsequenz kennen wir alle.» Die Nationalbank hat vor Monaten begonnen, den angehäuften Devisenberg wieder etwas abzubauen. Bis Ende 2023 hat die SNB für 160 Milliarden Franken Devisen verkauft. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor.

«Ich muss sagen, das ist deutlich mehr, als ich ihr zugetraut hätte», räumt Thomas Stucki ein. Für etwa 600 bis 700 Millionen Franken pro Tag habe die Nationalbank ihren Devisenberg abgebaut.

Gute Gelegenheiten nutzen

Momentan ist die Zinsdifferenz zum Euro-Raum und zum US-Dollar sehr gross. Das heisst, der Franken ist unattraktiver als sonst. Dies bedeutet eine gute Gelegenheit für die SNB, weiter ihren Devisenberg abzubauen.

Allerdings könnte sich das Zeitfenster schneller schliessen, als es der SNB lieb sein könnte. Die Zinsen im Euro-Raum kommen jetzt runter, die Europäische Nationalbank (EZB) hat bereits erstmals die Leitzinsen gesenkt. «Wir gehen davon aus, dass dies weitergeht. Und in den USA werden in den kommenden Monaten die Zinsen auch weiter sinken», ist sich Thomas Stucki sicher.

Das Potenzial für Zinssenkungen ist bei der amerikanischen Notenbank Federal Reserve (Fed) und der EZB deutlich grösser als bei der SNB. Darum wird diese Zinsdifferenz wieder kleiner werden. «Ich selber bin nicht der Meinung, dass die Zinsdifferenz das alles Entscheidende ist, dennoch hat dies eine Signalwirkung», meint Stucki und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: «Und wir alle wissen: Devisenhändler haben Signalwirkungen fast lieber als Ökonomisches. Sie werden kurzfristig darauf reagieren.»

Szenario bei Zinsen ist offen

Falls die Nationalbank das Gleiche mache wie die EZB und die Zinsen kontinuierlich senke, bleibe die jetzige Rahmenbedingung gleich. Falls die Zinsdifferenz kleiner werde, weil die SNB nicht reagiere, werde das einen Aufwertungsschub beim Franken nach sich ziehen.

Teuerung bleibt uns erhalten

Die schweizerische Inlandteuerung verharre immer noch bei etwa 2 Prozent – hartnäckig. Das hat seinen Grund: Die Inlandteuerung ist primär getrieben durch die privaten Dienstleistungen in der Schweiz.

Auf den Importgütern hingegen herrschte in den letzten Monaten Deflation. «Das wird sich jetzt langsam ändern, weil die Schwäche des Frankens im ersten Quartal nicht eingerechnet ist», betont Stucki. Dies liege an der zeitlichen Verzögerung vom Moment an, in dem die Güter bestellt werden, bis zum Moment, in dem diese Güter geliefert und bezahlt werden. Stucki folgert: «Wenn die Energiepreise nicht massiv fallen, dürften Importgüter in den nächsten Monaten teurer werden. Zusammen mit der hartnäckigen Inlandteuerung heisst das gemäss St. Galler Kantonalbank: Die Inflationsrate bewegt sich eher im Bereich um die 1,5 statt um die 0,5 Prozent. «Da hat die Nationalbank keinen Grund, massiv die Zinsen zu senken. Und wir gehen davon aus, dass es nächste Woche keine Zinssenkung der SNB geben wird», vermutet CIO Stucki.

Ein weiterer Grund, warum der Franken insbesondere zum Euro erstarken wird, ist der Euro selber. Dies hänge auch mit den Staatsschulden in mehreren EU-Staaten zusammen. Die Europäer gingen mit ihrer Schuldensituation schlechter um als andere.

Unternehmen und der Franken-Kurs

Der Franken sei stärker geworden, während sich die Wirtschaft global etwas abgeschwächt habe, so Stucki: «Für die meisten Unternehmen ist der Franken kein Problem.» Die Schweiz als Ganzes könne mit dem starken Franken relativ gut umgehen.

Schwieriger werde es für Firmen erst dann, wenn die Aufwertung des Frankens sehr schnell oder gar sprunghaft geschehe. 

«Ich bin ganz klar der Meinung, dass die Währungsbelastung ein Fitnessfaktor ist, und davon profitiert unsere Wirtschaft sehr stark.»

Die meisten Firmen hätten sich längst mit dem starken Franken arrangiert. Viele Schweizer Unternehmen hätten ihre Kosten im Blick und darum auch besser im Griff. Die Schweizer Wirtschaft profitiere als Ganzes, da die meisten Unternehmen diese Herausforderung angenommen hätten. «Die Verlierer sind jene, die mit einem grossen Kostenblock in der Schweiz produzieren und im Ausland verkaufen. Sie sind natürlich stark abhängig vom Franken, wenn sie längerfristige Verträge oder Produktionen haben, wie etwa Stadler Rail, Schindler und Swatch», betont Stucki.