Die Inflationsraten purzeln. In der Eurozone ist die Jahresrate bis im November 2023 von über 10% auf 2.4% gefallen, in den USA auf 3.2%. Der Desinflationsprozess basiert dabei nicht nur auf Basiseffekten bei den Energiepreisen, sondern ist breiter abgestützt.

Gastautor:

Fredy Hasenmaile, Chefökonom Raiffeisen Gruppe

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In der Eurozone waren im November die saisonbereinigten Kernpreise im Monatsvergleich sogar rückläufig. Dies hat die Zinssenkungsfantasien immer weiter angetrieben. Es wird bereits auf eine erste EZB-Senkung im März spekuliert. Und für die Federal Reserve ist ein erster Schritt für März mehrheitlich eingepreist. Bestätigt sich die jüngste schwache Preisdynamik bei den kommenden Veröffentlichungen, sind baldige Zinssenkungen auch keineswegs auszuschliessen, zumal das hohe Leitzinsniveau im Zuge der stark rückläufigen Inflation gleichzeitig zu einem Anstieg der Realzinsen führt. Bei unveränderten Leitzinsen bedeutet dies eine weitere Straffung der Geldpolitik, welche von den Notenbanken im entspannteren Preisumfeld nicht mehr erwünscht ist. 

Preissetzungsspielraum in den USA

Dass der Durchmarsch zum Inflationsziel aber tatsächlich so glatt wie zuletzt suggeriert verläuft, bleibt zu bezweifeln. Sowohl in den USA als auch in der Eurozone dürfte die Preispipeline speziell im Dienstleistungssektor noch nicht leer sein, nicht zuletzt wegen des erhöhten Lohnwachstums. In den USA kommt die deutlich widerstandsfähigere Nachfrage hinzu, die den Unternehmen noch einen vergleichsweise grösseren Preissetzungsspielraum bietet. Das wird jedenfalls durch die weiterhin überdurchschnittlichen und zuletzt wieder gestiegenen Verkaufspreiserwartungen der Dienstleister signalisiert. In den USA melden insbesondere die kleineren Unternehmen im Rahmen der Umfrage der National Federation of Independent Business (NFIB) Pläne für stärkere Preisanhebungen, die mehr auf eine Kerninflationsrate von 3% hindeuten als auf die anvisierten 2% - was gegen zu voreilige Zinssenkungen spricht. In der Eurozone hat gemäss einer Schnellschätzung von Eurostat der Wiederanstieg der Inflation auf 2.9% im Dezember bereits einen Fingerzeig darauf gegeben, dass es bis zur Erreichung der Preisstabilität noch ein weiter Weg ist.