Descartes Invest bietet eine «All-in-Gebühr» von rund 0,9 Prozent. Andernorts kostet die Gesamtkostenquote (TER) für einen ETF im Jahr nur 0,3 Prozent. Descartes Invest positioniert sich preislich etwas höher als reine Onlinebroker, etwas tiefer als die meisten Banken oder Finanzdienstleister. Sind Sie mit diesen höheren Preisen konkurrenzfähig, Adriano Lucatelli?
Der Verglich hinkt, denn wir bieten keine einzelnen ETFs an. Wir richten uns nicht an Kundinnen und Kunden, die ihre Anlageentscheidungen selbst treffen und ihr Portfolio selbst verwalten, sondern an Menschen mit wenig Zeit oder Fachwissen.
Unsere Klientel kommt zu uns, um ihr Vermögen von Profis verwalten zu lassen und von einem professionellen Risikomanagement zu profitieren, ohne sich selbst darum kümmern zu müssen. Darüber hinaus bieten wir auch individuelle Beratung an. Vor diesem Hintergrund sind wir sehr günstig.
Robo-Advisors, wie sie Descartes verwendet, sind relativ neu auf dem Markt. Wie schätzen Sie die Akzeptanz bei der Kundschaft ein?
Wir stellen fest, dass die Akzeptanz stetig steigt. Viele wechseln. Mittlerweile schätzen nicht nur technikaffine und jüngere Menschen, sondern auch traditionelle Anlegerinnen und Anleger die Vorteile der digitalen Beratung: Benutzerfreundlichkeit, bessere Erreichbarkeit und tiefere Gebühren.
Descartes bietet seinen Kundinnen und Kunden ein sogenannt hybrides Angebot, bestehend aus einem Onlinehandelsauftritt und persönlicher Beratung. Warum?
Seit unserer Gründung glauben wir an die hybride Beratung, welche die Effizienz digitaler Tools mit persönlicher Betreuung durch Finanzspezialistinnen und -spezialisten verbindet. Wir gehören sogar zu den Pionieren auf diesem Gebiet.
Warum sehen Sie Vorteile im hybriden Ansatz?
Jeder Mensch steht im Laufe seines Lebens vor wichtigen finanziellen Entscheidungen wie der Gründung einer Familie, dem Erwerb von Wohneigentum oder der Altersvorsorge.
Eine Beraterin oder ein Berater gibt Sicherheit, klärt komplexe Fragen und passt die Empfehlungen an die jeweilige Lebenssituation an – alles Aspekte, die reine Technologie nicht vollständig abdecken kann.
Wir sind also eher ein digitaler Vermögensverwalter als ein reiner Robo-Advisor.
Descartes bietet eine komplette Lösung für die Vermögensverwaltung?
Genau. Wir veredeln die einzelnen Produkte. Es gibt viele Menschen, die eben diese Sicherheit haben wollen, dass jemand alles nochmal checkt. Genau das machen wir.
Und das darf etwas kosten. Unsere Kundinnen und Kunden sehen einen Mehrwert. Wir begleiten sie: Man kann bei uns vorbeikommen. Wir sind also nicht rein digital, sondern hybrid unterwegs.
Verlangt Descartes für eine persönliche Beratung etwas extra?
Nein. Wir beraten, ohne dafür eine Gebühr zu verlangen. Der Nachteil sind bei diesem Modell sicher die entstehenden Kosten auf unserer Seite und die limitierte Skalierbarkeit. Der Vorteil hingegen ist die Loyalität der Kundschaft. Wir stehen in Kontakt, geben ihnen Sicherheit und haben dadurch weniger Hoppers.
Hoppers?
Hoppers hüpfen von einem zum anderen Angebot und Anbieter. Die wollen wir nicht. Die haben wir nicht.
Welches Profil haben Durchschnittskundinnen oder -kunden von Descartes? Welche Summen haben sie hinterlegt?
Bei 3a-Investments sind dies durchschnittlich etwa 30’000 Franken. In der Freizügigkeit, schätze ich, sind es etwa 200’000 Franken.
Im Schnitt?
Ja. Ich empfehle jedem und jeder aus verschiedenen Gründen, ein Splitting zu machen und zwei unabhängige Stiftungen und Anlageberatungen zu suchen. Da hat man mehr Möglichkeiten.
Sie meinen Leute, die pensioniert werden und das Kapital statt die Rente beziehen?
Nein, jene, die Stellen aufgeben und für eine gewisse Zeit keine Erwerbsarbeit, also keinen Job, ausüben.
Wer keine Stelle hat, muss sein PK-Kapital spätestens nach einem halben Jahr von der alten Pensionskasse auf ein Freizügigkeitskonto überweisen. Das kommt heutzutage öfter vor …
Ja. Nicht allein wegen Arbeitslosigkeit oder Ausbildung. Viele jüngere Menschen haben in ihrer Biografie mehr Brüche, als wir älteren Generationen sie hatten. Das wird heutzutage auch akzeptiert: Weltreise, Babypause, etc. Das sind alles neue Lebenspläne. Und so gibt es logischerweise viel mehr Bedarf an Freizügigkeitslösungen. Denn heute geht es öfter darum, alles richtig und sauber zu planen.
Nun zu den älteren Semestern: Kapital oder Rente? Der Anteil an Kapitalbezügern bei der Verrentung steigt …
Ja, dieser steigt – und zwar massiv. Besonders bei den Männern.
Davon profitiert Descartes ja sicher ebenfalls, oder?
Tun wir – wenn man eine saubere, gescheite Beratung macht, die «verhebt». Dennoch gibt es durchaus Situationen, in denen es sinnvoll ist, eine PK-Rente zu nehmen. Sicherheit spielt für die Menschen eine Rolle.
Sie arbeiten mit Swisscanto und dem Assetmanager OLZ in Bern zusammen. Wie läuft diese Zusammenarbeit ab?
Mit beiden Fondsanbietern arbeiten wir sehr eng zusammen. Descartes nutzt nicht nur deren Produkte, sondern stellt mit ihnen Portfolios zusammen. Letztlich geben wir die strategische Asset Allocation vor und bleiben für die Umsetzung verantwortlich.
Diese Kooperation sehe ich als echten Wettbewerbsvorteil, der uns von der Konkurrenz abhebt. So gehören wir laut Bilanz zu den besten Vermögensverwaltern der Schweiz. Und bei der «Handelszeitung» war unser passives Indexmodell Testsieger für die Säule 3a mit hohem Aktienanteil.
Seit rund vier Jahren arbeiten Sie auch mit Banken wie der Glarner Regionalbank bei 3a-Sparlösungen zusammen. Wie läuft das?
Die Glarner Regionalbank bietet ihren Kundinnen und Kunden unsere Dienstleistungen online an. Die Einführung zu unseren Dienstleistungen erfolgt über die Homepage der Bank. So erhält die Glarner Regionalbank Zugang zu einer kostengünstigen und professionellen 3a-Lösung. Es handelt sich also um eine Vertriebskooperation. Zudem tauschen wir uns regelmässig über Vorsorgethemen aus.
Werden Sie dieses Angebot auch anderen Regionalbanken anbieten?
Wir sind offen für alle Finanzdienstleister, die eine digitale Vertriebskooperation suchen. Ab einer gewissen Grösse wäre auch eine White-Label-Lösung mit den Produkten des Partners sinnvoll. So wie es die grösste Neobank Yuh mit uns umgesetzt hat.
White Labels kenne ich noch aus der Schallplattenszene, wo DJs vor der Veröffentlichung ihre Platte als White Label aufgelegt haben, weil sie noch kein Label, keinen Vertrieb, hatten. Aber im Finanzwesen?
(Schmunzelt) Es gibt zwei Modelle, die wir fahren. Das erste ist eigentlich ein Vertriebskanal wie bei der Glarner Regionalbank, die uns Kunden zuweist. Die Bank profitiert von einem modernen Auftritt.
Bei White Labels hingegen geben wir unserem Partnerunternehmen die Schallplatte, mit 3a und Freizügigkeit, aber der Partner druckt dann sein Label drauf. So haben wir es mit Yuh, einer gemeinsamen Tochter von Swissquote und Postfinance, gemacht.
Das ist erfolgreich?
In nur einem Jahr haben wir 10’000 Neukunden! Man muss sich vorstellen, welche Dynamik da draussen auf dem Markt ist. Yuh ist unterdessen punkto Kundinnen und Kunden schon grösser als viele Banken. Das finde ich gewaltig.
Erwächst Ihnen kein Nachteil, wenn man nur im Hintergrund agiert, da Descartes so keine Bekanntheit als Brand erlangt?
Nein, es ist gut so. Ich will nicht arrogant erscheinen, doch glaube ich: Die uns kennen müssen, kennen uns inzwischen.
Adriano Lucatelli, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Descartes als Namen für ein neues Technologieunternehmen in der Finanzbranche zu wählen?
Die Namen der Gründer nehmen wollten wir nicht. Es gibt schon genügend Müller + Meier & Partner. Ganz bewusst beabsichtigten wir deshalb, die Gründer von der Firma zu trennen, auch damit unser Unternehmen eine gewisse Eigenständigkeit bekommt.
Ausserdem wollten wir keinen Kunstnamen mit «tx» oder «is» am Ende wie etwa bei Novartis. Es sollte zudem ein edlerer Name sein, der zur Kultur unseres Unternehmens passt. Relativ schnell kamen wir auf Descartes. Da Vinci hätte zwar auch gepasst, doch wäre das zu abgelutscht gewesen.
Und für was steht Descartes?
Der Name Descartes passt perfekt zu uns, denn er steht für Rationalität, Innovation und Präzision. Als Begründer des modernen Denkens steht der französische Mathematiker René Descartes für logische Entscheidungen und analytische Stärke – zentrale Werte in der Finanzwelt. Darüber hinaus signalisiert der Name den Anspruch, Grenzen zu verschieben und innovative Lösungen zu schaffen. Das passt zu uns.