Herr Bogdan, wie steht es um die Entwicklung der Quantencomputer? Wo gibt es noch Herausforderungen?
Aktuell befinden wir uns in einer Übergangsphase, in der Quantencomputer von Forschungslaboren zu kommerziellen Anwendungen weiterentwickelt werden, was man als Zeitalter der «Quantum Utility» bezeichnet. Obwohl der Durchbruch, vergleichbar mit dem iPhone-Moment, noch aussteht, verdichten sich die Anzeichen dafür, dass dieser innerhalb des laufenden Jahrzehnts erreicht werden könnte. Die Diskussion hat sich vom Ob zum Wann verschoben.
Welche Herausforderungen gibt es derzeit?
Wesentliche Herausforderungen bestehen weiterhin in der Hardware- und Softwareoptimierung, insbesondere bei der Fehlerkorrektur. Dennoch übertrumpfen Quantencomputer klassische Rechner heute bereits in bestimmten Bereichen. Am kommenden Global Quantum Symposium in Basel erwarten wir dazu einige Neuigkeiten von unterschiedlichen akademischen und kommerziellen Forschergruppen.
Welche Anwendungen zeichnen sich ab für Finanzdienstleister? Die immer wieder genannten sind IT-Sicherheit, Portfoliooptimierung und Risikomanagement – gibt es weitere?
Die Quantenalgorithmen lassen sich in Simulationen, maschinelles Lernen und Optimierung einteilen. Insbesondere die letzten beiden Kategorien bieten Finanzdienstleistern neue Möglichkeiten in Bereichen wie IT-Sicherheit, Portfoliooptimierung und Risikomanagement. Zusätzlich eröffnen sich Anwendungsfelder in der Transaktionsabwicklung, der Erzeugung synthetischer Daten für Börsenstrategien und bei der Anomalieerkennung zur Betrugsvermeidung. Wir sehen in all diesen Gebieten heute laufende Versuche mit Quantencomputing.
Damir Bogdan, CEO von Quantum Basel, leitet das Kompetenzzentrum für Quantencomputing und künstliche Intelligenz sowie parallel die Actvide AG, eine auf Transformation im digitalen Zeitalter spezialisierte Beratungsfirma. Zuvor war Damir Bogdan als Mitglied der Geschäftsleitung langjähriger CIO & Head of Operations der Raiffeisen-Gruppe Schweiz.
Quantencomputing erfordert idealerweise darauf abgestimmte beziehungsweise dafür optimierte Applikationssoftware – was ist da der Stand der Dinge?
Die Entwicklung von Quantencomputing erfordert eine umfassende Optimierung des gesamten Systems, um die Vorteile der zugrunde liegenden Qubits und Hardware voll auszuschöpfen. Fortschritte in der Entwicklung von Quantum Middleware und Verfahren zur optimalen Nutzung der Qubit-Konnektivität wurden bereits erzielt.
Wie wird man Quantencomputing zukünftig beziehen? Wird das ähnlich wie bei künstlicher Intelligenz über die Hyperscaler aus der Cloud erfolgen?
In der nahen Zukunft wird Quantencomputing hauptsächlich über die Cloud verfügbar sein, da die Technologie weiterhin spezielle Bedingungen erfordert. Quantum Basel bietet entsprechend auch Zugänge zu drei verschiedenen Quantenrechnern an. Zusätzlich planen wir, bis Ende 2024 einen kommerziellen Quantenrechner lokal zur Verfügung zu stellen, um auf die wachsende Nachfrage nach Quanten- oder KI-Lösungen mit lokaler Datenverarbeitung zu reagieren. Wir bauen hierfür auf dem Campus des Kompetenzzentrums Uptown Basel den ersten kommerziell nutzbaren Quantenrechner auf, entwickelt und in Betrieb genommen von der Firma Ion Q.
Was sehen Sie hier an interessanten Startups auf dem Gebiet?
Neben dem Zugang zu Hardware ist die Entwicklung intelligenter Software essenziell wichtig. Wir arbeiten mit innovativen Quantum-Startups zusammen, die sich auf die Entwicklung von Algorithmen zur effizienteren Nutzung bestehender Hardware und auf die Schaffung individueller Lösungen für Unternehmen konzentrieren. Diese Startups profitieren von unserem Ökosystem im Uptown Basel, das Zugang zu Technologie, Expertenwissen, Finanzierung und Geschäftsentwicklung bietet. Weitere Startups sind bei uns höchst willkommen.
Und wie sollten sich Banken und Versicherungen verhalten? Was können die jetzt bereits unternehmen?
Finanzdienstleister sollten idealerweise bereits mit der Auseinandersetzung mit Quantentechnologien begonnen haben. Gerade der momentane Boom von Anwendungen mit künstlicher Intelligenz bedingt immer höhere Rechenleistungen. Quantenrechner bieten hier im Hybridansatz, bei dem Q-Rechner und klassische Rechner kombiniert werden, nicht nur bessere Skalierungsmöglichkeiten, sondern sie rechnen auch energieeffizienter.
Der Aufbau von Kompetenzen und die Erkundung von Quantencomputing für strategische Rechenprobleme ist somit im Moment entscheidend, um geistiges Eigentum aufzubauen und sich Wettbewerbsvorteile zu sichern.