Das Erste, was sie in London gelernt hat, ist, dass die dortigen Portfoliomanager sich nicht als solche bezeichnen, sondern als Investoren. «Anders als bei uns auf dem Kontinent sind die Angelsachsen mit viel mehr Herzblut beim Investieren im Aktienmarkt dabei», erklärt Ilga Haubelt, Head of Equities bei Fidelity International. Das war auch einer der ausschlaggebenden Gründe, warum sie vor gut vier Jahren mit Sack und Pack und Mann und Kind zum Jahresanfang 2020 kurz vor dem Brexit über den Ärmelkanal nach London gezügelt ist. Obwohl sie bei ihrem alten Arbeitgeber, der Deka Investment in Frankfurt, einen super Job als Senior Portfolio Manager und Head of Equities hatte. Immerhin wuchs der Flagship-Fonds während ihrer Mitarbeit von 2013 bis 2019 von 250 Millionen Euro auf 7 Milliarden Euro. «Die Entscheidung, zu Fidelity nach London zu gehen, ist mir nicht einfach gefallen», gesteht die 48-Jährige. Aber sie habe sich dann überlegt, «Wie werde ich über diese Frage denken, wenn ich 80 Jahre alt bin?», und dann war die Entscheidung gefallen. «Denn wenn man zurückschaut, sieht man doch vor allem das, was man potenziell verpasst hat», sagt Ilga Haubelt.

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Zufriedenheit in der neuen Heimat

Sie hat es nie bereut, nach London zu gehen, und es sieht auch nicht danach aus, als ob es sie in absehbarer Zeit zurück auf den Kontinent zieht. «Ich habe ein wundervolles Team und sehr engagierte Leute um mich herum, die mit Herz und Seele bei der Sache sind», sagt die erfahrene Fondsmanagerin, die nun aber selbst kein Portfolio mehr führt, sondern die mehr als 200 Portfoliomanager und Analysten, mit denen sie Aktienanlagen von Fidelity International im Umfang von mehr als 130 Milliarden Euro managed. «Es macht mir riesige Freude, Menschen auf ihrem Karriereweg zu begleiten und zu sehen, wie sie sich entwickeln», sagt die Leaderin.

Der Weg zur Portfoliomanagerin

Dabei hat sie selbst mal als Analystin angefangen, und zwar bei der Immobilienverwaltung Meag in München. Obwohl sie damals schon den Doktor in Wirtschaftswissenschaften in der Tasche hatte, machte sie parallel zum Job noch eine Ausbildung zur Immobiliensachverständigen. Als dann 2007 die als REIT bekannten Immobilienfonds in Deutschland zugelassen wurden, kam Ilga Haubelt über die Bewertung von Immobilien in das Metier des Aktienhandels, denn diese REITs müssen als Aktiengesellschaften organisiert sein. Danach dauerte es nicht mehr lange, und die Immobiliensachverständige gelangte in die Position einer Portfoliomanagerin, damals bei der Union Investment. «Da wusste ich, ich bin am richtigen Ort gelandet», sagt sie rückblickend. Ihr gefallen die Modelle, mit denen Aktienmärkte und dessen Interdependenzen mit der Realwirtschaft analysiert werden und sie schätzt die Zusammenarbeit mit anderen sehr. «Ein erfolgreicher Fonds ist immer Teamarbeit, es braucht ein breites Spektrum an Know-how und verschiedenen Denkweisen», sagt sie.

Frauen in der Finanzwelt fördern

Was sie an ihrem Beruf auch sehr schätzt, ist die Messbarkeit der Arbeit. «Der Aktienmarkt gibt täglich Feedback», sagt sie und lacht. Ob Erfolg oder Misserfolg – das Ergebnis ihrer Arbeit ist transparent. «Daher verstehe ich auch nicht, warum immer noch so wenige Frauen als Portfoliomanagerin tätig werden, denn dabei kann einem keiner die Lorbeeren klauen oder die Sicht versperren», sagt Ilga Haubelt. Sie hat sich bis zu ihrem Weggang nach London jahrelang im Netzwerk der Fonds-Frauen engagiert und versucht, andere Frauen als Role Model zu inspirieren.

Sie selbst hat während ihrer Zeit bei Union Investment zwei Tutorinnen gehabt, die ihr mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben. «Es ist ungemein wichtig, Menschen im Unternehmen zu finden, denen man voll und ganz vertrauen kann», ist Ilga Haubelt überzeugt. Für ihr eigenes Team ist es ihr kürzlich gelungen, eine kompetente Portfoliomanagerin mit mehr als zwanzig Jahren Berufserfahrung anzuheuern. «Es war die Stecknadel im Heuhaufen und wir haben sie gefunden,» sagt sie und ist sichtlich erfreut.

Doch Ilga Haubelt setzt auch gern noch etwas früher an und ging früher schon auch mal mit ihrem 19-jährigen Neffen in dessen Schule, wo sie den Nachwuchstalenten von morgen lebhaft erklärte, was eine Portfoliomanagerin so macht und warum der Beruf so spannend ist. Ihre eigene Tochter Alma weiss mit ihren elfeinhalb Jahren zwar noch nicht, was sie einmal werden möchte, aber sie weiss durch ihre Mutter, dass sie alles werden kann, wenn sie es nur will und wenn sie offen und mutig genug ist, um einmalige Gelegenheiten zu ergreifen. «Denn die Karriere ist keine Leiter, sondern eine Kletterwand», sagt Ilga Haubelt. Da müsse man auch mal nach links und rechts greifen und es gehe mal hoch und wieder runter – Hauptsache, man bleibe in der Wand!

Steckbrief: Ilga Haubelt

Funktion: Head of Equities Europa
Jahrgang: 1976
Familie: verheiratet, 1 Tochter (11 Jahre)
Ausbildung: Studium der Volkswirtschaftslehre und der Romanistik sowie Dissertation zu westdeutschen Wohnimmobilienpreisen am Lehrstuhl für Ökonometrie an der Universität Freiburg
Karriere: Portfoliomanagerin bei Union Investment, Head of Global Equities bei Deka Investment, Head of Equity Income bei Newton Investment Management, Head of Equities Europa bei Fidelity International
Unternehmen: Fidelity International bietet seinen mehr als 2,8 Millionen Kundinnen und Kunden weltweit Anlagelösungen und -dienstleistungen sowie Fachwissen zur Altersvorsorge an. Fidelity International ist an über 25 Standorten vertreten und verwaltet ein Vermögen von 757,2 Milliarden Euro.
Persönliches Motto: «Just do it!» (hatte ich bereits beim Schreiben meiner Dissertation als Motto an die Wand gehängt.)

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