Herr Bergmüller, kürzlich knackte der Bitcoin die 100’000er-Marke. Wie hoch steigt er noch, bis wieder ein Crash kommt?
Da solche Vorhersagen auf Spekulation beruhen, ist das schwer zu sagen. Ich kann und möchte keine Empfehlungen abgeben. Viele meiner Kunden besitzen sehr viele Bitcoins und verkaufen selten. Wenn sie Liquiditätsbedarf haben, dann kommen sie zu uns und fragen nach einem Kredit. Als Sicherheit hinterlegen sie Bitcoin. Das ist für uns ein alltägliches Geschäft. Und was ist der wahrscheinliche Grund? Weil sie glauben, da geht noch mehr.
Was beschäftigt den Kryptomarkt denn abseits des Bitcoins?
Bitcoin ist nicht alles. Natürlich ist er die führende Kryptowährung. Aber es gibt auch Kritik – etwa beim Energieverbrauch. Aber ich sehe auch, dass die Bitcoin-Miner neue und zukunftsorientierte Wege bei der Energienutzung gehen.
Ich persönlich glaube daran, dass die Technologie die Basis ist, denn auf der Blockchain-Technologie können Sie fantastische Sachen aufbauen. Etwa eine weitgehende Transparenz, wie sonst nirgends, die Möglichkeit, mit Smart Contracts automatisierte Prozesse zu bauen und vieles mehr.
Eine Auslandsüberweisung ist heute immer noch viel zu komplex. Sie ist viel zu teuer und läuft über zu viele Zwischenstellen. Deswegen arbeiten die Bank for International Settlements und viele Zentralbanken am Projekt Agorá und an der Frage: Müssen wir nicht ein neues Blockchain-basiertes System schaffen für Payments und für Banken generell? Amina darf hier auch einen Beitrag leisten.
Mittlerweile bieten immer mehr Banken den Handel mit Kryptowährungen wie Bitcoin an. Ist das für eine Kryptobank wie Amina eine positive oder eine negative Entwicklung?
Eine sehr positive. Aus verschiedenen Gründen. Erst mal tut die Öffnung von traditionellen Banken dem Thema sehr gut. Und warum passiert das? Weil die Kunden drängen. Die Kunden fragen ihre Bank nach Kryptowährungen und ob sie diese kaufen können. Ich sehe diese neue Offenheit für das Thema bei allen Banken. Die Frage lautet nicht: Muss ich als traditionelle Bank irgendwas im Bereich Krypto tun, sondern, wie mache ich es jetzt?
Die Idee von Kryptos war aber doch auch, unabhängig von Banken zu sein. Die Kryptos nun wieder bei einer Bank zu haben, widerspricht dem doch?
Das hat man lange geglaubt, aber jetzt ändert sich die Sichtweise stark. Viele Anleger haben ausserhalb der Bankenlandschaft zu viel Geld verloren. Unsere Kunden hingegen waren immer sicher und das wird jetzt auch von kryptonativen Kunden wertgeschätzt.
Die Schweiz hat sich mit der DLT-Gesetzgebung recht früh Gutes ausgedacht. Sie wissen wahrscheinlich, dass Coins und Tokens segregiert gehalten werden und damit insolvenzgeschützt sind. Das ist fest verankert in der Schweiz. Das gibt den Kunden eine hohe Sicherheit.
Was für Kunden sind das denn, die sich für eine Kryptobank wie Amina interessieren?
Zum einen die traditionellen Investoren, die jetzt auch in Krypto investieren. Sie sind mit den Vorteilen von regulierten Banken vertraut und schätzen das auch im Bereich Krypto. Anderseits gibt es die kryptonativen Kunden, für die es oft schwer war, ein Bankkonto zu bekommen und die vorher vielleicht andere Plattformen genutzt haben. Auch sie vertrauen uns immer mehr an.
Franz Bergmüller ist seit 2022 CEO der Amina Bank AG, eine regulierte Krypto-Bank mit Sitz in Zug. Bergmüller begann seine Karriere beim Beratungsunternehmen Accenture und betreute 14 Jahre lang Kunden in ganz Europa. Nach seiner Zeit in der Unternehmensberatung leitete Bergmüller verschiedene Unternehmen im Finanzdienstleistungs- und IT-Sektor und hatte mehrere C-Level-Positionen in Deutschland und der Schweiz inne. In jüngster Zeit baute er zwei Fintech-Unternehmen in Deutschland auf und leitete sie.
Sie arbeiten auch mit anderen Banken zusammen, die Kryptos anbieten. Welche Punkte sind das denn, die so eine Grossbank nicht selbst machen kann?
Eine Grossbank und eine spezialisierte Kryptobank befolgen dieselben regulatorischen Regeln. Sie müssen zum Beispiel genauestens prüfen, woher Kundengelder kommen. Das geht teilweise sehr tief: persönliche Informationen, die Historie der Wertentwicklung. Zweiteres erfordert im Kryptobereich neue Fähigkeiten, z.B. in der sogenannten Kryptoforensik. Wir haben die Expertise, das nachzuvollziehen. Wir sind Spezialisten in diesem Bereich. Und Spezialisten sind schwer kopierbar.
Sie sprachen das Onboarding an: Das soll bei der Amina ja sehr teuer sein …
Das war es zu einer vergangenen Zeit vielleicht. Das haben wir aber abgeschafft.
Mit welchem Gedanken?
Die Kosten folgten schon einer Logik. Bei sehr komplizierten Unternehmensstrukturen arbeiten wir oft lange mit dem Kunden zusammen und es kostet uns viel Geld, bevor der Kunde sein Konto nutzen kann. Aber wir setzen auf Vertrauen. Also im Sinne von: Wir sprechen mit dem Kunden und wenn er Interesse hat, dann soll er nicht für den ersten Schritt zahlen. Wir hoffen, dass wir später dann gemeinsam fair Geschäfte machen können. Deswegen haben wir das abgeschafft.
Und wenn jemand wieder geht …
Auch hier fallen bei uns wie bei anderen Banken Kosten an – und ja, hierfür erheben wir eine Gebühr.
Mittlerweile gibt es eine gewisse globale Konkurrenz, die im Bereich Kryptobanken langsam erwacht. Wie beurteilen Sie das?
Die Schweiz war da visionär und früh dran. Ein Early Mover. Es tut weh, dass der Vorsprung jetzt scheinbar verloren geht. Ich würde am liebsten die Schweiz schütteln und sagen, jetzt nicht einschlafen und den Vorsprung weiter verteidigen.
In welchen Aspekten sehen Sie denn, dass dieser Vorsprung verloren geht?
Zum Beispiel im Bereich Stablecoin. Aktuell ist es quasi unmöglich, dass in der Schweiz Stablecoin-Issuer ansässig werden. Was ich schade finde, weil ich Stablecoin als einen Killer-Use-Case der Zukunft sehe.
Wie blicken Sie denn auf Stablecoins?
Wir sprechen ja momentan viel über Tokenisierung. Ich sehe das aber relativ realistisch. Ich finde das auch faszinierend, wenn wir als Gruppe zusammen einen Wertgegenstand, z.B. ein wertvolles Gemälde, kaufen und jeder in einen Teil investiert. Was für eine coole Idee! Aber derzeit sehe ich für uns darin noch kein Geschäft.
Das Erste, was aus meiner Sicht kommen wird, ist die Tokenisierung von Fiat-Geld. Wir haben den Ansatz, alles immer aus unserer westlich orientierten Welt zu sehen, wo wir alle ein Bankkonto haben. Für uns ist das kein Problem. Doch gehen Sie mal in andere Länder. Die Leute sind ja teilweise verzweifelt aufgrund der Inflation. Und was machen viele, sobald sie ein Gehalt erhalten oder Geld haben? Sofort in den Stablecoin umwandeln, um der Inflation zu entgehen. Das ist ein Ansatz der realen Welt.
Es gibt auch die Diskussion rund um die Frage, ob der Schweizer Franken bei diesen Regularien von einem ausländischen Stablecoin-Anbieter abgedeckt werden könnte …
So, wie ich es lese, muss es fast ein ausländisches Unternehmen sein. Ich bin ja kein Schweizer, aber ... es ist volkswirtschaftlich schade.