Herr Geissbühler, Sie sprachen bei der Raiffeisen-Präsentation der Prognosen für 2025 von einem «durchzogenen Wachstum». Was bedeutet das genau?

Wenn man unsere Prognosen anschaut, wird in allen Regionen ein Wachstum erwartet, das unter dem Potenzial liegt. Das gilt auch für die Schweizer Wirtschaft und für Europa. In der Schweiz und Europa liegt das potenzielle Wachstum laut unseren Analysen bei rund 1,5 Prozent pro Jahr. Für Europa liegt unsere Prognose für 2025 bei 0,7, für die Schweiz bei 1,3 Prozent. Es ist ein positives Wachstum, aber es ist unter dem, was die jeweilige Volkswirtschaft erzielen könnte. 

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Schadet das europäische Umfeld der Schweiz?

Ja, die Schweiz wird durch die Schwäche Europas gebremst. Das sieht man insbesondere im Industriebereich und bei KMU. Das liegt daran, dass dort in der Regel qualitativ hochwertige Produkte hergestellt werden, die aber nicht günstig sind. Wenn nun etwa die Autoindustrie in Deutschland zu kämpfen hat, wird versucht, Preissenkungen bei den Zulieferern durchzusetzen. Und das ist natürlich auch für die Schweizer Firmen eine Herausforderung.

Die Inflation in den USA wird laut Ihnen 2025 relativ hartnäckig bleiben, dafür ist die US-Fiskalpolitik günstig. Der politische Faktor Donald Trump wird aber wohl einen massgeblichen Einfluss haben. Könnte Trump alle Prognosen für 2025 kippen?

Das ist so. Wenn es einen Waffenstillstand in der Ukraine gibt, könnte das unter Umständen dem Industriesektor einen Schub geben, etwa indem es in Richtung Wiederaufbau in der Ukraine geht. Da sind enorm viele Investitionen gefordert, von denen Industrie- und Infrastrukturfirmen profitieren könnten. 

Auch in der Zollpolitik sind wir in der Schweiz abhängig davon, was passiert, falls die USA Zölle im grossen Stil einführen. 

Man sagt üblicherweise: Politische Börsen haben kurze Beine. Damit ist gemeint, dass der politische Einfluss auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte in der Regel nicht so gross ist, wie man oft denkt. Unter Trump wird dieses Sprichwort getestet.

Laut Ihnen wird auch 2025 Gold glänzen – wie schon im letzten Jahr. Ist es denn unabhängig von der Weltlage immer eine gute Idee, auf Gold zu setzen?

Es gab auch Zeiten, in denen sich Gold seitwärts entwickelte oder schwächer war als die Aktienmärkte. Aber langfristig historisch betrachtet ist Gold ein sehr guter Inflationsschutz. 

Man sollte aber nicht alles auf Gold setzen, weil Gold keine Zinsen und Dividenden zahlt. Bei Raiffeisen erachten wir einen Goldanteil von 6 bis 7 Prozent im Gesamtportfolio als angemessen. 

St. Gallen, Schweiz, 23. Februar 2024 - Matthias Geissbuehler, Raiffeisen Schweiz, Mitarbeiter Portrait.

Matthias Geissbühler ist seit 2018 Chief Investment Officer (CIO) bei der Raiffeisen Schweiz und war davor bei verschiedenen Banken im Aktienresearch sowie im Portfolio- und Fondsmanagement tätig. Anfang Januar stellte er für Raiffeisen seine Prognose für die Märkte 2025 vor. 

Quelle: Daniel Ammann

Sie behaupten, es gebe im KI-Bereich grosse Erwartungen, die allerdings zu Enttäuschungen führen könnten. Könnten KI-Aktien zu einer Blase werden?

Ich glaube, dass wir uns in gewissen Tech-Segmenten, die sehr stark auf das KI-Thema ausgerichtet sind, bereits in der Blase befinden. In welcher Phase genau, ist aber schwierig zu sagen. Während der Tech-Blase Anfang der 2000er-Jahre haben wir gesehen, dass ein irrationaler Überschwung sehr lange anhalten und immer noch buntere Blüten treiben kann. Die Bewertungen von gewissen Technologieunternehmen zeigen allerdings, dass schon extrem viel Wachstumsfantasie eingepreist ist – was aber per se keine negative Aussage zur KI selbst ist. 

Wie meinen Sie das?

KI wird kommen und zu uns durchdringen. Das heisst aber nicht, dass die KI-Aktien weiter steigen werden, denn es wird einige Zeit dauern, bis KI-Anwendungen in der Breite eingesetzt werden und zu Produktivitätsfortschritten führen. 

 

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