Victor Cianni, Exchange Traded Funds (ETFs) sind für ihre niedrigen Gebühren und hohe Flexibilität bekannt. Aber Ihre Studie hat dieses Bild etwas ins Wanken gebracht, denn bestimmte ETFs sind relativ teuer. Das ist unerwartet. Wie erklären Sie sich das?
ETFs sind nach wie vor ein hervorragendes Instrument, um auf sehr bequeme und erschwingliche Weise einzusteigen. Aus diesem Grund sind sie so beliebt und weitverbreitet, und wir bei Alpian nutzen sie sehr häufig. Allerdings, das zeigt unsere Studie: Man sollte bei der Wahl der ETFs achtsam sein. Nicht alle sind gleich sinnvoll.
Reine Index-ETFs sind dreimal billiger als thematische ETFs. Das ist eines der Studienergebnisse. Lohnt es sich überhaupt in thematische ETFs zu investieren?
Das Ziel dieser Studien war ganz einfach: Wir wollten uns in die Lage der Anlegenden versetzen. Denn viele Anlegerinnen und Anleger werden wahrscheinlich eines Tages einen Anruf von ihrem Banker erhalten, der ihnen sagt: «Ich habe diesen wunderbaren thematischen ETF für Sie, und Sie sollten einen Teil Ihres Kernportfolios in diesen thematischen ETF umschichten. Sie können eine höhere Performance erwarten, wenn Sie dies tun.»
Ist das sinnvoll?
Die Ergebnisse unserer Studie sind für mich insofern verblüffend: Man schneidet nicht nur schlechter ab. Sondern die Underperformance ist auch noch ziemlich spektakulär, denn wir sprechen hier von einer Underperformance von 7 Prozent pro Jahr im Vergleich zum Börsenindex S&P 500.
Was ist der Grund?
Es gibt verschiedene Gründe, die wir in der Analyse detailliert erläutern. Grundsätzlich aber: hohe Gebühren, mangelnde Diversifikation und ein Fokus auf Hype statt auf nachhaltige Wertschöpfung. Thematische ETFs schneiden zum Beispiel oft schlechter ab, weil sie in Zeiten grosser Begeisterung für ein bestimmtes Thema auf den Markt kommen. Zu diesem Zeitpunkt sind die indexierten Aktien bereits teuer, was zukünftige Renditen schmälert.
Um es kurz zu machen, die Schlussfolgerung ist für mich ziemlich klar: Es besteht ein Risiko für die Anlegerinnen und Anleger, in diese Richtung zu gehen.
Alpian hat über 500 thematische ETFs unter die Lupe genommen. Was war Ihrer Meinung nach das wichtigste Ergebnis dieser Studie?
Die wichtigste Erkenntnis für mich ist, wie ich bereits erwähnt habe, die Performance. Konkret haben über 87 Prozent der untersuchten ETFs schlechter abgeschnitten als der S&P 500 – mit einer durchschnittlichen jährlichen Unterperformance von 7,1 Prozent. Die Quintessenz ist also, dass man nicht besser dran ist, wenn man einen Teil seines Portfolios in thematische ETFs umschichtet, oder dass man sogar ein Risiko eingeht, wenn man genau dies tut.
Ihre Schlussfolgerung?
Unterm Strich sind dies keine Produkte, welche die erwartete Leistung erbringen.
Victor Cianni ist Chief Investment Officer von Alpian.
Viele thematische Fonds bergen auch das Risiko der zu geringen Diversifizierung. Worauf muss man bei der Allokation dieser Vermögenswerte achten?
Ja, ich sehe drei Hauptrisiken bei der Diversifizierung. Erstens wechseln Sie von einem Kernportfolio, das ursprünglich gut mit Aktien diversifiziert war, zu einem Portfolio, das konzentrierter ist. Was die Diversifizierung angeht, resultiert deshalb ein klares Minus.
Und zweitens?
Zweitens, wenn man sich anschaut, wie diese börsengehandelten Fonds konstruiert sind, neigen diese dazu, sich sehr stark auf einige wenige Namen beziehungsweise Firmen zu konzentrieren.
Wenn man sich die Allokation der zehn grössten Werte innerhalb eines ETF im Vergleich zum S&P ansieht, ist sie fast doppelt so hoch. Ein thematischer ETF beruht also auf sehr einfachen mechanischen Regeln und ist meist unterdiversifiziert, anstatt breit zu streuen – was das Risiko erhöht.
Und der letzte Punkt, der für mich wichtig ist: Es gibt Überschneidungen zwischen verschiedenen ETFs. Wenn Sie also zu viele dieser thematischen ETFs, etwa im Technologiebereich, in Betracht ziehen, häufen Sie im Grunde genommen das Risiko an, anstatt eine echte Diversifizierung zu erreichen.
ESG-kompatible ETFs schneiden oft schlechter ab als Index-ETFs. Worauf müssen Anleger im Moment besonders achten?
Das ist ein guter Punkt. Wir sehen in unserem Kundenstamm oder ganz allgemein in der Branche weniger Appetit auf ESG, als das in den letzten Jahren erwartet wurde.
Worauf führen Sie das zurück?
Die Menschen erkennen, dass es eine Diskrepanz zwischen dem gibt, wofür ESG gedacht ist, und der Art und Weise, wie es verwendet und von der Branche gefördert wird.
Kurz gesagt: ESG ist nur ein Rahmen, um zu beurteilen, ob ein Unternehmen seine Tätigkeit auf nachhaltige Weise ausüben kann. Aber es ist kein sehr gutes Instrument, um Kapital umzuleiten.
ETFs brausen also nutzlos über die Asset-Autobahn?
Ich erkläre den Anlegern gerne, dass es sich um eine Einbahnstrasse handelt. Wenn ich mich für ein ESG-Unternehmen entscheide oder ein Unternehmen mit einem niedrigeren ESG-Score ausschliesse, verändert das weder das Unternehmen noch die Welt. Aber es verändert mein Portfolio in eine Richtung, die ich aus persönlichen Gründen für wichtig halte.
Welche Folgen zieht das nach sich?
Ich denke, dass wir uns heute ein wenig in die entgegengesetzte Richtung bewegen, indem wir nichts über ESG hören wollen. Ich bin aber immer noch der Meinung, dass ein breites ESG-Engagement gut ist, weil man nicht viel von der Performance einbüsst.
Aber je mehr Unternehmen man ausschliesst oder je mehr Unternehmen man für ESG-Bewertungen auswählt, desto mehr gerät man in einen thematischen ETF.
Stossen sich einige Vermögensverwalter auf Kosten von Kunden, die nachhaltige ETFs kaufen, gesund? Viele ESG- oder nachhaltige ETFs haben hohe Gebühren oder die Gesamtkostenquote ist höher als bei anderen. Das ist ein negativer Punkt obendrauf, nicht wahr?
Stimmt. Und ich denke, es kommt wieder darauf an, wo man ansetzt. Ein gewisses ESG-Screening sollte Sie in Bezug auf die Gebühren und die Wertentwicklung nicht viel kosten, und wenn das der Fall ist, dann sollten Sie von einem Engagement absehen.
Auch hier gilt natürlich, dass man die ESG-Argumente ein wenig missbrauchen kann, indem man behauptet, man könne die Welt verändern, und dies dann auch noch dazu nutzt, um die Gebühren zu erhöhen. Das ist natürlich ein Verhalten, das in der Branche nicht gefördert werden sollte.
Was empfehlen Sie Ihren Kunden, die thematisch investieren wollen, aber keinen thematischen ETF kaufen wollen? Sind Index-ETFs oder Einzelaktien eine Alternative?
Mein wichtigster Rat ist, thematische ETFs zunächst mit Vorsicht zu geniessen. Sie sollten sicherstellen, dass zuerst Ihr Kernportfolio in Ordnung ist, bevor Sie einen thematischen ETF kaufen.
Und dann?
Wenn Sie das wirklich tun wollen, würde ich Ihnen ein paar Dinge raten. Erstens, wenn Sie wirklich über ETFs gehen wollen: Wählen Sie einen Spitzen-ETF, der ein breiteres Engagement bietet. Sehr spezifische, thematisch eng gefasste ETFs verringern Ihre Chance auf eine gute Performance.
Zweitens ist es vielleicht vorteilhafter, sich an einen aktiven Assetmanager zu wenden, obwohl das auch etwas kostet. Aber so hat man zumindest die Gewissheit, dass jemand mit Fachwissen darüber schaut.
Der letzte Punkt ist, wenn Sie wirklich ein gutes Engagement in dieser Sache haben wollen: Warum machen Sie es nicht selbst, indem Sie Aktien auswählen, über die Sie sich detailliert informiert haben? Das wäre mein Ratschlag. Behalten Sie aber dennoch meinen ersten Tipp im Kopf: Tun Sie dies erst, wenn Sie sich um Ihr Portfolio als Ganzes gekümmert haben.