Im deutschen Sprachraum fällt der Begriff «Basel III final» in Bankingkreisen, kaum aber ausserhalb. Doch das Regularium, das die Banken im Nachgang der Finanzkrise von 2007 und 2008 liquider und krisenresistenter machen soll, findet auch ausserhalb des deutschen Sprachraums Anwendung und löst dabei stärkere Reaktionen aus. Ein Land, in dem das besonders sichtbar ist, sind die USA. So wird in Werbespots und auf Plakatwänden auf das Regularium aufmerksam gemacht, im kritischen Sinn. David Zaring, Professor für Legal Studies and Business Ethics an der Wharton School der Universität in Pennsylvania, erklärt, wie es dazu kommt und was der US-Wahlkampf damit zu tun hat. 

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Herr Zaring, wo erreiche ich Sie gerade?

Ich bin zurzeit in Pennsylvania und gerade zurück aus Österreich. 

Sie unterrichten in Pennsylvania Legal Studies und beschäftigen sich auch mit Bankenregularien – unter anderem mit Basel III. Wie kam es dazu? 

Seitdem ich wissenschaftlicher Mitarbeiter an der juristischen Fakultät bin, habe ich mich, wie auch einer meiner Professoren, für Basel III interessiert, weil es eine Form der Governance darstellt, die ohne viel Diplomatie auskommt.

Es ist ja auch ein sehr spezifisches Thema. In der Schweiz ist die Kritik bescheiden, in den USA aber üben die Banken stärkere Kritik aus. Weshalb?

Das ist definitiv einer der interessantesten Aspekte der Reaktion auf den Basel-III-Endgame-Vorschlag. Die meisten Banken streiten sich nicht stark mit ihren Aufsichtsbehörden oder gehen gar vor Gericht. Doch in diesem Fall bereiteten sich die Banken sehr darauf vor, gegen die endgültige Regelung von Basel III final zu klagen. Das ist eine echte Veränderung. Amerikanische Banken haben das früher nie getan.

Was fürchten die US-Banken so sehr an Basel III final, dass sie sich zu diesem Schritt entschliessen könnten?

Sie halten die Art und Weise, wie die Vereinigten Staaten Basel III umsetzen, in vielerlei Hinsicht für zu aufwendig. Denn der endgültige amerikanische Vorschlag wich von den Basler Anforderungen nach oben ab. Ich glaube, die amerikanischen Banken waren der Meinung, dass sie bei der Umsetzung von Basel III in den Vereinigten Staaten schlechter wegkommen als die Banken in anderen Ländern.

 

Videoquelle: www.stopbaselendgame.com

In den USA machen Interessengruppen, die Basel III final kritisch gegenüberstehen, ja auch öffentlich Druck …

Genau, sie haben Fernsehspots gekauft, die während der Football-Spiele liefen. So etwas habe ich noch nie gesehen. Und sie haben einen sehr berühmten Anwalt beauftragt, eine Klage vorzubereiten. Diese Art von Reaktion auf eine Bankenregulierung ist wirklich neu. 

Die Gegner machen auch mit dem Argument Druck, dass sich Basel III final direkt negativ auf die Bevölkerung auswirke. Wie realistisch ist das?

Ich denke, es ist möglich, dass die Banken die Kosten für diese komplizierten Kapitalvereinbarungen an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben könnten. In den Vereinigten Staaten sieht man manchmal diese Art von Mobilisierungskampagnen, wenn auch nicht für Banken. Es sind Kampagnen, die sich direkt an das politische Washington richten, aber es sind oft öffentliche Kampagnen, die sich somit auch an Bürokraten und Bürokratinnen richten, die auf dem Weg zur Arbeit eine Werbeanzeige sehen. Bei Basel III final war es hingegen eine Werbung während der Football-Spiele. Dies ist kein Versuch, nur Entscheidungsträgerinnen und -träger zu erreichen, sondern auch die Öffentlichkeit gegen einen Vorschlag zu mobilisieren, der – um es ganz klar zu sagen – nur etwa 1 Prozent der Banken betreffen würde. Es handelt sich also wirklich um eine Kampagne der grössten US-Banken, die versuchen, die Öffentlichkeit dazu zu bringen, sich auf ihre Seite gegen die Regierung zu stellen. Eine überraschende Entwicklung.

 

Fokus Reformpaket

Das Reformpaket Basel III final soll eine Antwort auf die Finanzkrise von 2007/2008 sein. Es betrifft die Banken weltweit und ab 2025 auch die Schweiz. Aus diesem Grund möchte HZ Banking verschiedene Ausprägungen des Reformpakets beleuchten und in lose erscheinenden Teilen dessen verschiedene Auswirkungen betrachten. 
 

Und hat das funktioniert? Ist Basel III final ein Thema in den Köpfen der Amerikanerinnen und Amerikaner?

Das kann ich mir nicht vorstellen, aber es scheint insofern funktioniert zu haben, dass die Regulierungsbehörden angedeutet haben, die vorgeschlagene Regelung zur Finalisierung von Basel III nicht umzusetzen. Die Frage ist nun: Werden sie es tun, oder werden sie eine für die Banken weniger belastende endgültige Regelung ankündigen – oder gar den Regelungsprozess noch einmal von vorne beginnen? 

Zudem gibt es einen zeitlichen Aspekt. Denn den Regulierungsbehörden der Biden-Administration, die den strengeren Vorschlag möchten, läuft die Zeit davon, wenn es nicht ohnehin schon zu spät ist. 

Es handelt sich also um ein Thema, das im Moment sehr stark mit der US-Politik verbunden ist, wie es scheint ...

Ich glaube, dass eine konservativere Regierung sich weniger Sorgen um die Eigenkapitalausstattung der Banken machen wird als die derzeitige Regierung. In diesem Sinne wird es also Unterschiede für die Banken machen, wer bei den Präsidentschaftswahlen gewählt wird.

Basel III final hat ihren Ursprung in der Finanzkrise von 2007/2008. Glauben Sie, dass es rückblickend der richtige Schritt war, Banken international so regulieren zu wollen?

Ja, ich denke, dass Basel I eine einfache und leicht anwendbare Bemühung war. Basel II war ein wenig komplizierter. Sie besagt, dass einige dieser Regeln zu schwer anzuwenden und zu leicht zu umgehen sind und dass wir den Banken mehr zutrauen sollten, ihr Risiko selbst zu steuern. Und das hat sich während der Finanzkrise als Fehlschlag erwiesen. Daher sehe ich Basel III als einen Versuch, zu Basel I zurückzukehren, das heisst, wir brauchen hohe, einheitliche Eigenkapitalstandards für alle Banken. Und wir können nicht darauf vertrauen, dass die Banken ihr eigenes Risiko managen, weil sie es in der Finanzkrise nicht getan haben. 

Im Prinzip hat Basel III genau das getan, und vieles davon wurde bereits in den Vereinigten Staaten und anderswo umgesetzt. Die Banken scheinen zu gedeihen, die amerikanischen Banken sind sogar mit den strengeren Eigenkapitalvorschriften gut zurechtgekommen. Bei Basel III final ist nun allerdings die Frage, ob es zu weit geht und zu sehr von dem internationalen Konsens über die Wiederanwendung der strengeren Standards von Basel I abweicht.

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