Man will die «guten Aspekte» erhalten. Dabei ist das Konzept in seinem Ursprung von Frithjof Bergmann schon 17 Jahre alt. Die Frage stellt sich, was das für den Kunden und die Kundin des Unternehmens bedeutet.
Dabei nähert man sich der Frage sehr gut mit der Betrachtung eines anderen ebenfalls 26 Jahre alten Konzepts, nämlich der Service-Profit-Chain. Der Grundgedanke dieses Konzepts, «Zufriedene Mitarbeitende generieren zufriedene Kundschaft», erfährt dieser Tage gerade im Banking Wiederauferstehung als «Employee Experience». Wow. Das bestätigt die alte These meiner Schwiegermutter, dass man Sachen nur genug lange aufheben muss, dann werden sie schon wieder modern. Recht hat es, das Schwiegi.
Autor:
Prof. Dr. Nils Hafner ist internationaler Experte für die Gestaltung profitabler Kundenbeziehungen. Er ist Professor für Kundenmanagement an der Hochschule Luzern Wirtschaft. In seinem Blog «Hafner on CRM» und in seinem Podcast «Hafners CX Podcast» berichtet er über Trends und Skurrilitäten des Kundenmanagements. Zusammen mit Harald Henn gestaltet er jährlich den «CEX Trendradar».
So sprechen die Autoren der Service-Profit-Chain, James Heskett, Earl Sasser und Leonard Schlesinger, von interner Servicequalität als Treiber von Mitarbeiterzufriedenheit, welche dafür sorgt, dass Mitarbeitende länger im Unternehmen bleiben und (auch dadurch) produktiver werden. Kunden und Kundinnen, die ja eine schnelle, kompetente und sympathische Lösung ihres Anliegens erwarten, erhalten diese durch die angesprochene Produktivitätssteigerung, und so entsteht externe Servicequalität und damit Kundenzufriedenheit. Eine super Theorie.
Interessant ist dabei dann: Was heisst denn «interne Servicequalität» oder neudeutsch «Employee Experience»? Wo liegen denn genau die Stellhebel, um hier wirklich für ein besseres Kundenerlebnis zu sorgen? Heskett und Kollegen nennen hier vier Managementbereiche: die Auswahl der Bankmitarbeitenden, die Gestaltung des Jobs an sich, die Gestaltung des Beraterarbeitsplatzes, Sicherheit, Awards und Wertschätzung, aber auch die Werkzeuge, mit denen an der Kundenfront gearbeitet wird.
Was heisst das konkret?
Beginnen wir doch einmal mit der Auswahl der Mitarbeitenden:
- Welche Mechanismen habe ich denn als Bank, um diejenigen zu identifizieren, die sich besonders gut mit meiner kundenorientierten Vision identifizieren können? Welche Mitarbeitenden sprechen beispielsweise die Sprache vermögender Kundinnen und Kunden?
- Woran erkenne ich, wer bereit ist, für die Kundenorientierung der Bank zu arbeiten, und wer seine Kraft daraus schöpft, dieser Vision näherzukommen? Wer nutzt denn seine Kreativität, die ja «New Work» wesentlich beinhaltet, im Sinne der Kundin?
- Wie häufig ist die Vision oder der Kunde eigentlich Bestandteil von Einstellungs-, Beratungs- oder Karrieregesprächen?
Allein anhand dieser drei Fragen sind Unternehmen an und für sich schon heute gut in der Lage, eine systematische Vorwärtsentwicklung anzustossen und zu steuern.
Doch damit nicht genug. Wie sehen denn die Werkzeuge aus, die Bankmitarbeitende in die Lage versetzen, ihre Einstellung und ihre Kompetenzen beim Kunden, bei der Kundin voll auszuschöpfen? Das gilt für den Arbeitsplatz wie auch für IT-Systeme. In Bezug auf den Arbeitsplatz kann hier sicher durch flexibleres und selbstbestimmtes Arbeiten eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit erreicht werden. Das zeigen diverse Studien.
Viel wichtiger ist jedoch, dass nicht nur das Wo und das Wann der Arbeit thematisiert werden, sondern auch das Womit. Und hier kommt im Hinblick auf New Work vor allem das CRM-System ins Spiel. Macht es den Mitarbeitenden Freude, das CRM-System zu bedienen? Findet er oder sie alles, was er oder sie braucht, um effizient zu arbeiten und somit auch während eines Teils der Arbeitszeit kreativ zu sein? Oder kosten die Systembedienung oder die aufwendige Suche nach Kundendaten in den Kernbanksystemen primär Zeit und Nerven? Dies ist eines der entscheidenden Auswahlkriterien für die Evaluation von CRM- und Kundenkontaktlösungen. Ohne die Stimme der massgeblichen Mitarbeitenden ist eine Systemevaluation nämlich unvollständig. Daten werden nicht eingetragen, das System wird zu wenig genutzt, es entsteht keine Routine und keine Erfahrung. Das Problem mit einer solchen Vorgehensweise: «Cool» ist kein Beurteilungskriterium für das Topmanagement mittelgrosser Banken. Im internationalen Kontext sieht dies längst anders aus. Die Bedeutung von User Experience eines Systems, an dem Frontmitarbeitende tätig sind, muss also vermittelt und quantifiziert werden.
In der Führung der Mitarbeitenden stellen sich zudem eine Menge Fragen, von deren Beantwortung der Grad der «Employee Experience» zunehmend abhängig ist:
- Kennen die Mitarbeitenden ihre Aufgaben?
- Wie kompetent fühlen sich Mitarbeitende in dem, was sie tun?
- Wie nehmen die Mitarbeitenden ihre Führung wahr? Wie gut ist die Infrastruktur, die Mitarbeitenden dabei hilft, ihre Aufgaben zu erfüllen?
- Wie klar sind die Zielvorgaben?
- Wie gut nehmen die Mitarbeitenden die an sie gerichtete Kommunikation wahr?
- Wie gut nehmen die Mitarbeitenden die an die Kundschaft gerichtete Kommunikation wahr?
- Als wie sicher empfinden Mitarbeitende ihren Arbeitsplatz?
- Und was ist mit der Entlohnung?
- Wie sehr können sich die Mitarbeitenden auf ihren Chef und die Bank verlassen?
Das Ergebnis ist in den meisten Unternehmen einfach zu beschreiben: «Für den Kunden, die Kundin denken und vorausdenken.» So beschreibt es ein sehr erfolgreicher Contact-Center-Leiter eines grossen Schweizer Finanzdienstleisters. Und dafür muss man eben analytisch und kreativ sein: «Wir lösen nicht nur das Problem der Kundin, sondern erklären auch, warum es aufgetreten ist, und zeigen auf, wie die Kundin das gegebenenfalls sogar selbst beheben kann.» Und solche Leistungen sucht dieser Manager beim einzelnen Mitarbeiter gezielt und zeichnet diese aus. Darüber wird unternehmensintern berichtet als «Best Practice», es gibt die Auszeichnung von «Customer Champions». By the way, auch das nichts Neues: McDonald’s macht das mit dem «Mitarbeiter des Monats» seit Jahrzehnten. Immerhin nach wie vor der weltweite Marktführer in Fast Food. Mag man halten davon, was man will.
Und da kommen wir wieder zurück zur Service-Profit-Chain und warum dieses Kind mit «Employee Experience» oder «New Work» wohl einen neuen Namen braucht: Da tut sich nix! Oder zu wenig. Nur wenige HR-Abteilungen in der DACH-Region sind strategisch aufgestellt. Als Ausnahmen kann man von jeher die weltweit tätigen Beratungen im Strategie-, Prüfungs- und Implementationsbereich sehen. Und auch einzelne Pharmafirmen scheinen diese Zusammenhänge verstanden zu haben. Und für alle anderen hier noch einmal: Nur zufriedene, produktive, gut ausgebildete und systemmässig unterstützte Mitarbeitende können selbstbestimmt und kreativ arbeiten und sorgen so für zufriedene Kundschaft. Nur: Wer ist der Mood-Manager, der «Employee Experience» im Banking aus dem Dornröschenschlaf der «agilen Prototypen auf Basis von Avaloq oder Finnova» holt?