Die Boston Consulting Group sieht für die Schweizer Banken zahlreiche Chancen bei der Digitalisierung – etwa Partnerschaften mit Fintechs. Was das konkret bedeutet, erläutert Michael Kahlich, Wealth-Management-Experte bei der Boston Consulting Group (BCG) auf Nachfrage.

«Banken müssen neu definieren, mit wem sie Partnerschaften eingehen und wie sie einen Mehrwert für ihre Kunden und Kundinnen in einem Umfeld schaffen, das von mehreren disruptiven Entwicklungen geprägt ist», heisst es in der neuesten Bankenstudie der Boston Consulting Group (BCG). Wie wichtig sind dabei die neuen Technologien?

Technologien spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Bankbranche. Die Verbesserung analytischer Fähigkeiten und die Digitalisierung von Prozessen sind für die Wettbewerbsfähigkeit unabdingbar. Banken müssen sich zunehmend in Richtung eines digitaleren Geschäftsmodells bewegen, um die Produktivität zu steigern und Komplexitätskosten zu senken.

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Wo ist das derzeit im Schweizer Markt sichtbar?

An zahlreichen Stellen: Viele Schweizer Banken investieren stark in ihre Digitalisierung, beispielsweise durch mobile Banking-Apps, Online-Plattformen und automatisierte Beratungsdienste. Zudem beobachten wir aufgrund zunehmender Cyberbedrohungen einen verstärkten Ausbau der Sicherheitstechnologien, um Kundendaten zu schützen und das Vertrauen in digitale Dienstleistungen zu stärken. Banken müssen dabei sicherstellen, künstliche Intelligenz (KI) in ihre Cyberwertschöpfungsketten zu integrieren, um Erkennungs-, Schutz-, Wiederherstellungs- und Reaktionsfähigkeiten zu verbessern.

In welchen anderen Bereichen sehen Sie KI als wichtiges Element für Schweizer Banken?

KI ist ein sehr leistungsfähiges Instrument für den Bankensektor. Sie kann zum Beispiel helfen, personalisierte Anlagestrategien zu entwickeln, die sich in Echtzeit an den Markt anpassen. Auch Effizienzgewinne durch KI-unterstützte Prozessautomatisierung im Bereich Compliance sind möglich, wie etwa durch Automatisierung von Media-Screenings mit Filter- und Übersetzungsfähigkeiten.

Was geschieht angesichts dieser Entwicklungen bei den Jobs? Welche beruflichen Karrieren in Banken werden sich verändern?

In der «Bank of the Future», wo die Kundeninteraktion immer digitaler und die Backofficeprozesse immer mehr automatisiert werden, wird es neue Jobprofile wie zum Beispiel Produktdesignerinnen, App-Developers oder Data-Scientists brauchen, während gewisse traditionelle Rollen wie etwa Filialmitarbeiter oder Datenerfasserinnen tendenziell eher verschwinden werden. Bankmitarbeitende müssen sich daher an neue Technologien anpassen und diese effektiv nutzen. 

Welche Stellenanforderungen wird es nicht mehr brauchen? Welche umso mehr?

Drei Themen sind entscheidend: erstens die wachsende Bedeutung von Data-Science und Analytik. Karrieremöglichkeiten in diesem Bereich werden zunehmen, da die Relevanz von Daten für Geschäftsentscheidungen steigt. Zweitens die zunehmende Relevanz von IT-Sicherheitsexperten – aufgrund steigender Cyberbedrohungen werden Fachkräfte in der IT-Sicherheit immer gefragter. Schliesslich entstehen neue Rollen in der Technologieentwicklung wie zum Beispiel Software- und App-Developers, die sich auf die Entwicklung und Implementierung von Technologielösungen konzentrieren.

Ihr Bericht umfasst eine Reihe von Empfehlungen. Welche lassen sich für Schweizer Banken umsetzen, welche eher nicht?

Die Empfehlungen sind sowohl global als auch für den Schweizer Markt anwendbar. Insbesondere möchte ich folgende Empfehlungen für Schweizer Banken hervorheben: Erstens ist die Stärkung primärer Bankbeziehungen durch ein ganzheitliches, digitales Angebot essenziell. Banken können dies erreichen, indem sie zusätzliche Finanz- und Nichtfinanzprodukte von Drittanbietern in ihre eigenen Plattformen integrieren. Zweitens müssen Banken ihre Rolle als vertrauenswürdige Verwalterinnen des finanziellen Wohlbefindens ihrer Kundinnen und Kunden weiter stärken. Expertise, Zuverlässigkeit und Integrität sind entscheidende Differenzierungsmerkmale im Wettbewerb mit digitalen Anbietern. 

Weiterhin können unsere Banken einen Wettbewerbsvorteil durch hohe Standards im Risiko- und Compliance-Management sowie soziale Verantwortung erzielen. 

Schliesslich ist es wichtig, dass Banken die Kontrolle über hochprofitable Bereiche des Bankgeschäfts behalten. Wie Payments und das Wealth-Management. Diese erzielen wiederkehrende Einnahmen aus Gebühren und auch wertvolle Daten ohne signifikanten Kapitalbedarf.

Banking besteht trotz aller bisherigen Innovationen vor allem aus dem Zinsdifferenzgeschäft, auch bekannt als Kreditgeschäft. Aber welche grundlegend neuen Geschäftsmodelle zeichnen sich ab?

Neue Geschäftsmodelle entstehen vor allem durch die Aufspaltung traditioneller Bankdienstleistungen. Dies ermöglicht spezialisierte Dienstleistungen und Kooperationen zwischen Banken und Nichtbanken. Beispiele hierfür sind: Banking as a Service (Baas), bei dem Banken ihre Infrastruktur und Dienstleistungen Drittparteien anbieten. Ein weiteres Modell ist die Zusammenarbeit mit Fintechs, um innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die über das traditionelle Bankangebot hinausgehen. Zudem gibt es neue Modelle im Bereich Nischenprodukte beziehungsweise spezialisierte Finanzprodukte, die auf spezifische Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind, wie etwa Angebote im Private Market.

Embedded Banking, also die nahtlose Integration eines Bankingprozesses in den Prozess eines anderen Unternehmens, das oft keine Bank ist, wird als Variante genannt – ist das nicht eine Sackgasse, bei der das Profil einer Bank verschwindet?

Embedded Banking ist keine Sackgasse, sondern bietet Banken die Möglichkeit, ihre Dienstleistungen in Drittplattformen zu integrieren, wie beispielsweise bei E-Commerce-Websites oder bei Unternehmenssoftware. Dies erfordert allerdings eine strategische Neuausrichtung, um die Primärbeziehungen zu Kundinnen und Kunden zu erhalten und nicht nur zu einem «Datenanbieter» zu werden. 

Durch Embedded Banking können Banken neue Kundensegmente erreichen und ihre Dienstleistungen nahtlos in den Alltag der Kundschaft integrieren. Dies diversifiziert auch die Einnahmequellen, zum Beispiel durch Provisionen für vermittelte Produkte und Dienstleistungen auf Drittplattformen. Embedded Banking ermöglicht es Banken zudem, tiefergehende Einblicke in die Veränderungen des Kundenverhaltens und deren Präferenzen zu gewinnen. Mit ausgeprägten Cross-Selling-Fähigkeiten und einem starken digitalen Angebot können Banken eine umfassende Kundenbeziehung aus dem Embedded Banking aufbauen.

Und wie werden Banken in der näheren Zukunft ihr Geld verdienen?

Grundsätzlich sehen wir keine signifikanten Änderungen in den Einnahmequellen der Schweizer Banken, die nicht bereits in den letzten Jahren ein Thema waren. Zu nennen sind hier mehrere Quellen: Viele Strategien von Schweizer Banken werden sich weiterhin auf wiederkehrende Einnahmen aus diskretionären Mandaten sowie auf den Erhalt und Gewinn von Einlagen konzentrieren. Eine weitere Quelle sind Gebühren für digitale Dienstleistungen, wie etwa Online-Beratung, automatisierte Anlageplattformen und personalisierte Finanzmanagement-Tools. 

Damit verbunden sind oft Partnerschaften und Kooperationen mit Technologieunternehmen und Fintechs, insbesondere in Bereichen wie Blockchain und Kryptowährungen. Zudem sehen wir eine Zunahme bei datengetriebenen Dienstleistungen, die auf der Analyse von Kundendaten basieren, um personalisierte Finanzprodukte und Beratung anzubieten. 

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