Kryptowährungen, aber auch einige Stablecoins unterhöhlen den Nationalbanken das Fundament ihrer Marktmacht. Die Regulatoren sehen traditionelle Banken bei der Einführung digitaler Technologie zögern. Nun wollen sie ihren Einfluss durch die Einführung eigener digitaler Währungen wahren. Am Swiss Payment Forum hielt Andre Standke, Bankkaufmann, Betriebswirt und Payment-Experte, dazu einen pointierten Vortrag, der eigentlich eine Standpauke war.
Digitalgeld nur für Unternehmen?
«Wie reguliere ich einen Bitcoin, der sich meiner Kontrolle entzieht? Der sich unter keiner Bankenaufsicht befindet?», fragt Standke in den Saal mit rund 200 Zuhörerinnen und Zuhörern. Ganz einfach, selber eine Digitalwährung lancieren: «In allen wesentlichen Industrieländern sind die Nationalbanken daran, eine digitale Nationalbankwährung (Central Bank Digital Currency, CBDC) zu schaffen, um den Zugriff auf den Markt nicht zu verlieren.» Dabei gibt es verschiedene Ansätze. Der Wholesale CBDC, der nur Unternehmen, Banken und institutionellen Anlegern offensteht, und der Retail CBDC, der auch Privaten zugänglich ist.
In der Schweiz startet die Schweizerische Nationalbank SNB am 1. Dezember eine sechsmonatige Pilotphase für einen Wholesale CBDC. Das unter dem sinnigen Namen Projekt Helvetia lancierte Projekt startet mit sechs Geschäftsbanken in eine neue Phase. Zum ersten Mal wickeln Finanzdienstleister Payments mit einem digitalen Schweizerfranken ab. Die UBS, die Zürcher Kantonalbank, die Basler Kantonalbank, die Commerzbank, die Hypothekarbank Lenzburg und die Banque Cantonale Vaudoise sind beteiligt. «Ziel ist es, bis Juni 2024 herauszufinden, ob durch einen digitalen Schweizerfranken ein Mehrwert entsteht oder nicht. Wenn ja, wird der E-Franken kommen», ist sich Standke sicher.
Oder auch Digitalgeld für Privatleute?
Auch in der Europäischen Union soll ein digitaler Euro durch die EZB lanciert werden. «Doch es gibt bis jetzt nur Ankündigungen. Wir in der EU sind nicht so schnell wie ihr hier in der Schweiz», meinte Standke mit einem Schmunzeln.
Ganz Europa fragt sich, was das Geschäftsmodell eines digitalen Euro sei. In der Schweiz sei dieser Punkt schon relativ klar: Privatleute bleiben zunächst aussen vor. Die Lösung wird so im Pilot getestet, wie es die Wirtschaft gefordert hat. «Wenn man sich mit der europäischen Wirtschaft unterhält, sagen die: Wir hätten schon gern Zentralbankgeld, das relativ sicher ist, doch es muss programmierbar sein.»
Wenn man aber die Privatkunden frage, ob sie digitales Zentralbankgeld bräuchten, «dann bin ich sicher, dass neun von zehn gar nicht wissen, was das sein soll». Es gibt schliesslich bereits Zentralbankgeld in Form von Geldscheinen, die man bequem am Bankomaten beziehen kann.
Der digitale Euro zielt auch auf P2P- und E-Commerce-Anwendungen. «Gibt es ein Problem bei E-Commerce?», fragt sich Standke, «Nein, wir können heute alle im E-Commerce bezahlen, da es ja schon etablierte Lösungen gibt. Braucht es dazu nun wirklich noch Zentralbankgeld? Ist doch eine spannende Frage, oder?!», merkt Standke stirnrunzelnd an.
Beim Themenfeld Geschäft vor Ort möchte der digitale Euro auch Platz finden. Das ganze System soll sowohl offline wie online funktionieren. Standke fragt sich: «Warum macht die EZB das?» Er führt zwei Gründe an: Zum einen argumentiert die EZB, der Kunde habe einen hohen Bedarf, der heutzutage nicht durch die aktuellen Zahlungsmittel gedeckt ist. Das digitale Zentralbankgeld gelte angesichts von Inflation und Bankenrisiken als sehr sicher.
EU will nicht abhängig von USA werden
Zum anderen sei die Motivation von Angst getrieben, einer Angst vor den USA. «Herr Trump hat klargemacht: Wir sollten uns nicht zu abhängig von amerikanischen Anbietern machen. Etwa von Visa und Mastercard, die ja in Europa durchaus marktbeherrschende Stellungen haben. So etwas kann in einer Sackgasse enden», warnt Standke, «weil Dienste im Rahmen von Sanktionen einfach abgestellt werden können.»
«Von der Trump-Ära gebrannt», habe die Europäische Union die Banken aufgefordert, ein unabhängiges System von Visa und Mastercard zu bauen. Das ging der EZB aber nicht schnell genug. Standke kritisiert die Details. Etwa, dass Geschäfte nur noch gezwungen sind, Euro anzunehmen, aber kein Bargeld mehr. So werde die neue digitale Währung bevorzugt. Zudem beansprucht die EZB in ihrem Konzept die Kundenschnittstelle für sich. Da sie Retail CBDC realisieren will, bleiben Finanzinstitute aussen vor. Bislang war das anders: Die EZB druckt das Geld, dieses wird in den Bankomaten und an den Schaltern der Banken bereitgestellt.
Nationalbank mit Kundenkontakt
Nun will die EZB eine eigene App für Privatleute bereitstellen. «Da müssen sich die Geschäftsbanken schon fragen: Was heisst das für uns? Was bleibt da für uns noch übrig in der Nahrungskette?» Denn der digitale Euro solle Account-to-Account (A2C) mit einem Wallet-Account, nicht mit einem Bank-Account, funktionieren. Wie viel Geld Privatkunden bei der Zentralbank anlegen können, wird gerade heiss diskutiert. Der Grund: Können hohe Summen digital bei der EZB angelegt werden, wird dem alten Geldmarkt, den Banken, Geld entzogen.
Das EZB-Projekt komme ihm mehr wie «Jugend forscht» vor, frotzelt Standke. Es gehe vor allem viel zu langsam voran. Erst 2027 soll der digitale Euro kommen. Standke fragt sich, ob das nicht zu spät ist. Und welche Rolle der digitale Euro einnehmen wird. Welche Probleme soll er denn lösen? Ihm kämen persönlich keine in den Sinn. «Kompliment an die Schweizerische Nationalbank», bekräftigte Standke nach seiner EZB-Standpauke, «die SNB macht genau das Richtige: eine digitale Währung für Grossinvestoren, die Industrie und Finanzdienstleister.»
2 Kommentare
Der Anfang vom Ende bezüglich persönlicher Freiheit...
Wenn man von Bank zu Bank überweist, bewegt sich keine Banknote und klimpert keine Münze. Ist das nicht digital genug ?