Experten erwarten, dass die Währungshüter um die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, auf ihrem Treffen am Donnerstag in Frankfurt an den Schlüsselsätzen nicht rütteln. «Wer nach der Zinssenkung im Juni auf eine weitere im Juli setzt, baut unserer Meinung nach auf Sand», schreiben die Analysten Frederik Kunze und Norman Rudschuck von der NordLB. Der am Finanzmarkt massgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, würde somit bei 3,75 Prozent bleiben, der Leitzins bei 4,25 Prozent.

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Die Zinssenkung im Juni - die erste seit fast fünf Jahren - sei von der EZB viel zu früh angekündigt worden und sei teilweise gegen die eigene Überzeugung geschehen, erläutern Kunze und Rudschuck: «Im Juli ist jetzt wieder Geduld angesagt: wenige neue Daten, erste Senkung kaum verdaut, beziehungsweise ohnehin kaum mehr als eine Signalwirkung.» Auch Deutsche-Bank-Volkswirt Mark Wall geht davon aus, dass die EZB ihre Füsse stillhalten wird. «Die EZB hat es nicht eilig», lautet seine Prognose. Die Notenbank folge keinem bereits vorher festgelegten Pfad. «Die zugrundeliegende Reiseroute sollte dennoch klar sein.» Mit einer sich auf das Stabilitätsziel der EZB zubewegenden Teuerung werde die EZB auch ihre konjunkturbremsende Ausrichtung immer mehr zurücknehmen.

Die EZB strebt zwei Prozent Inflation für den Euroraum an. Im Juni sank die Rate zwar auf 2,5 von 2,6 Prozent im Mai. Sorgen bereitet der EZB aber, dass die Inflation im Dienstleistungssektor mit 4,1 Prozent nach wie vor recht hoch ist. Dazu kommt ein kräftiges Wachstum der Löhne - einer der stärksten Inflationstreiber zuletzt. «Damit die Arbeitnehmer die erlittenen Kaufkraftverluste ausgleichen können, sind die Tariflöhne bis zuletzt deutlich gestiegen», sagt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Das sorge im arbeitsintensiven Dienstleistungssektor derzeit noch für überdurchschnittlichen Kostendruck. «Darüber hinaus hängt der Zinssenkungsspielraum der EZB auch von der fiskalpolitischen Ausrichtung der europäischen Regierungen ab.»

Fragen zu Frankreich

Dirk Schumacher, Volkswirt bei der französischen Investmentbank Natixis, geht davon aus, dass die EZB-Führung am Donnerstag keine klare Orientierung für die Zinssitzungen nach dem Sommer geben wird. Er erwartet, dass Lagarde auf der Pressekonferenz nach dem Zinsbeschluss danach gefragt werden wird, unter welchen Umständen die EZB zugunsten von Frankreich am Anleihemarkt intervenieren würde. Im Zuge der überraschenden Parlamentswahl in dem stark verschuldeten Land waren zeitweise die Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen kräftig in die Höhe geschossen. Nach der Wahl hatte sich die Situation an den Anleihemärkten aber wieder etwas beruhigt.

Nach der jüngsten Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters rechnen Volkswirte derzeit mehrheitlich damit, dass die EZB in diesem Jahr die Zinsen noch zwei Mal senken wird. Sie gehen davon aus, dass die Notenbanker den Einlagensatz auf ihren Sitzungen im September und im Dezember um jeweils einen Viertelprozentpunkt nach unten setzen werden. Damit würde der Satz bis zum Jahresende bei 3,25 Prozent liegen. Zu diesen beiden Sitzungen werden den Währungshütern jeweils auch neue Inflations- und Konjunkturprognosen der Notenbankvolkswirte vorliegen. Diese gelten als wichtige Entscheidungsgrundlage für die weitere Ausrichtung der Geldpolitik. (reuters/hzb/ps)

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