Diese könnten sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die Inflation in den 20 Euro-Ländern senken, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Piero Cipollone am Dienstag auf einer Finanzkonferenz in Frankfurt. Die meisten Ökonomen sind sich einig, dass die möglichen Zölle auf das Wachstum durchschlagen dürften. Die Meinungen zu den Folgen für die Entwicklung der Verbraucherpreise gehen allerdings auseinander. Einige argumentieren, dass die US-Handelsschranken den Dollarkurs in die Höhe treiben und die Einfuhr wichtiger Rohstoffe verteuern werden. Auch Vergeltungsmassnahmen Europas könnten die Kosten erhöhen.
Frühere Zinssenkungen?
Cipollone vertritt in einem vorab aufgezeichneten Interview die gegenteilige Ansicht. «All dies zusammengenommen lässt mich glauben, dass wir eine Verringerung des Wachstums, aber auch eine Verringerung der Inflation haben werden», sagte er. Dieses Argument gewinnt zunehmend an Bedeutung. Denn einige Mitglieder des EZB-Rates sind der Meinung, dass die Bank nun Gefahr läuft, ihr Inflationsziel von zwei Prozent zu unterschreiten und daher ihre Zinsen schneller senken sollte.
Cipollone zufolge dürften US-Zölle die Wirtschaft schwächen, was sich in einem geringeren Verbrauch und damit einem geringeren Druck auf die Preise niederschlage. Zudem dürften chinesische Produzenten, die durch hohe Zölle vom US-Markt verdrängt werden, nach neuen Käufern suchen und ihre Produkte in Europa zu reduzierten Preisen verkaufen.
Die EZB hatte im Zuge der abebbenden Inflationswelle in der Währungsunion, die im Oktober 2022 mit 10,6 Prozent ihren Höhepunkt erreicht hatte, im Juni erstmals wieder die Zinsen gesenkt. Sie legte dann im September und im Oktober nach. Der Einlagensatz, den Banken erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, und der inzwischen als Leitzins gilt, liegt derzeit bei 3,25 Prozent. Die grosse Mehrheit der Ökonomen geht aktuell davon aus, dass die EZB auf ihrer Zinssitzung am 12. Dezember die Marke abermals senkt. (Reuters/hzb/pg)