Eine Frau steht im sommerlichen Wald, in den Armen ein Kind. Sie blickt nach oben, hin zum Credo: «Unser Handeln erfolgt im Einklang von Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft: Nachhaltigkeit bildet eine integrierte Dimension unseres Geschäftsmodells.» So präsentiert die Zürcher Kantonalbank (ZKB) das Thema Nachhaltigkeit auf ihrer Website.
Wie die ZKB trägt mittlerweile fast jede grössere Schweizer Bank das Schlagwort Nachhaltigkeit sichtbar nach aussen. Damit nehmen die traditionellen Banken scheinbar einen Platz im Impact Investing ein, der vor einigen Jahren noch von einzelnen Fintechs besetzt wurde. Doch wie weit geht diese Annäherung? Und bedeutet «nachhaltig» bei jedem Unternehmen dasselbe?
Das Problem mit den ESG-Ratings
Den Eindruck, den die traditionellen Banken vermitteln, bestätigt auf den ersten Blick auch Zacharias Sautner, Professor für Sustainable Finance an der Universität Zürich.
«Durch eine breite Veränderung in der Nachfrage bieten die traditionellen Banken nachhaltige Produkte mittlerweile auf einem guten Niveau an», sagt Sautner. Er erklärt weiter, dass es neben dem ethischen Argument eines Impact Investments auch ein finanzielles Interesse in der grünen Ausrichtung einer Bank gebe. Denn die Klimakrise sei längst zum Investitionsrisiko geworden, das sich zeitnah in Renditen bemerkbar machen könnte – etwa durch allfällige CO2-Steuern.
Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch, dass das Label «nachhaltig» schwer zu definieren ist. Viele Banken verbinden es mit ESG-Ratings. Der Unterschied von Bank zu Bank ergebe sich oft in der Gewichtung, nicht aber in der Grundbewertung dieser Ratings, sagt Sautner. Und er fügt an, dass die ESG-Klassifizierungen allein kaum reichen würden, um eine klare Aussage darüber zu treffen, wie «nachhaltig» ein Produkt tatsächlich sei.
Der Impact-Aspekt
Das wiederum liegt sicherlich auch in der unklaren Definition des Schlagwortes «nachhaltig». Für Tillmann Lang, CEO und Gründer des Schweizer Fintechs Inyova, das sich auf Impact Investing spezialisiert hat, ist es daher wichtig, die Thematik abseits der ESG-Ratings zu betrachten. So ergäbe sich nach wie vor der markante Unterschied zwischen traditionellen Banken und Impact-Investing-Fintechs: «ESG kann alles und nichts bedeuten. Ob so ein Produkt zu einer Veränderung führt, ist völlig unklar.»
Diese verändernde Wirkung bei einem Unternehmen findet sich laut Tillmann Lang bei fast keiner Bank im Retailangebot. Ein grünes Produkt ist für Lang also nicht gleich ein Wirkungsprodukt und somit etwas, das tatsächlich eine grüne Konsequenz mit sich bringt.
Wer bei einer traditionellen Bank – beispielsweise der ZKB – nachfragt, sieht Langs Eindruck bestätigt. Die Antwort der ZKB auf die Frage, ob sie die Wirkung ihrer nachhaltigen Produkte verfolgt: «Das Assetmanagement der Zürcher Kantonalbank vertreibt keine Produkte unter dem Label ‹Impact› beziehungsweise keine wirkungsorientierten Produkte. Dies aus dem Grund, da die Auswirkungen eines Investments hinsichtlich ESG von verschiedenen Faktoren beeinflusst und folglich dessen konkrete Quantifizierung verunmöglicht wird.» Weiter heisst es: «Das Assetmanagement der Zürcher Kantonalbank unterscheidet bei ihren nachhaltigen Produktlinien zwischen ‹responsible› und ‹sustainable› Produkten. Bei deren Klassifizierung gelangen unterschiedliche Kriterien zur Anwendung.»
Tatsächlich wirkt sich nicht alles, was unter «nachhaltig» läuft, auch automatisch nachhaltig aus.
Der digitale Aspekt
Neben dem wirkungsorientierten Aspekt definieren sich Fintechs wie Inyova auch über die Darbietungsform: Investieren gleicht einer Erfahrung am Smartphone. Doch auch dieses Alleinstellungsmerkmal scheinen die traditionellen Schweizer Banken anzugreifen.
Zumindest sieht das Daniel Salzmann, CEO der Luzerner Kantonalbank, so. Die traditionellen Banken hätten in den letzten Jahren stark in die Digitalisierung investiert, sagt er. «Ich bin froh, dass vonseiten der Fintechs ein gewisser Druck auf die Banken zukam. Mittlerweile spüre ich bei den Fintechs aber eine Ernüchterung.»
Eine Studie der Hochschule Luzern scheint Salzmanns Eindruck zu bestätigen: Auf Datenbasis des Google Play Stores und des Apple App Stores veröffentlichten die HSLU-Forschenden eine Rangliste, die das Mobile Banking verschiedener Schweizer Banken bewertet. Auf Platz eins und zwei finden sich mit der ZKB und der LUKB zwei Kantonalbanken, also Traditionsbanken.
Diese Studie gilt es laut Inyova-CEO Tillmann Lang allerdings ebenfalls kritisch zu betrachten: «Mobile Banking bei der Kontoführung und beim Payment anzuwenden, ist ein gelöstes Problem, doch sobald es um Investmentkonten geht, wird es sehr schnell katastrophal. Und genau da kann ein Fintech nach wie vor angreifen.»
Weitere Kooperationen in Aussicht
Die Meinungen darüber, wie nachhaltig und digital die traditionellen Banken in der Schweiz im Vergleich zu Fintechs sind, gehen also nach wie vor auseinander. Die Überschneidungen aber häufen sich. Oder um es mit den Worten von Inyova-Gründer Tillmann Lang zu formulieren: «Ich glaube, es wird viele Kooperationen geben, aber es wird auch bestimmte Fintechs geben, die alleine bestehen bleiben. Das zeigt sich bereits im Ausland.»