Rainer Kobler, Hamilton Lane als Private-Equity-Spezialist ist in der Schweizer Öffentlichkeit wenig bekannt.
Das ist richtig. Hamilton Lane hatte lange nur institutionelle Kunden. Deshalb ist unser Name vor allem bei den Institutionellen bekannt, weniger bei der vermögenden Privatkundschaft.
Unser Ziel ist, dass Anlegerinnen und Anleger an Hamilton Lane denken, wenn von Private Equity die Rede ist, da wir eines der grössten Unternehmen in den globalen Privatmärkten sind.
Schweizer Family Offices haben schon lange in Private Equity investiert. Was sind die Vorteile?
Die meisten Family Offices, vor allem Single Family Offices, gehen auf Unternehmerinnen und Unternehmer zurück. Dazu muss man wissen: Vielleicht hat ein Unternehmer oder die zweite, dritte Generation die Firma verkauft. Diese Personen müssen sich dann überlegen, was sie mit ihrem Geld machen.
Allen gemeinsam ist: Sie haben einen langfristigen Anlagehorizont. Bei ihnen geht es also nicht nur darum, ihr eigenes Vermögen zu verwalten, sondern darum, schon für die nächsten Generationen vorzusorgen.
Und warum ist für diese Vermögenden Private Equity so interessant?
Diese Unternehmer kommen oft aus privat gehaltenen Firmen, die nicht an der Börse kotiert sind. Sie wissen ganz genau, was die Vorteile einer privat gehaltenen Firma sind. Zum Beispiel muss man nicht jedes Quartal Kennzahlen über den Geschäftsgang seiner Firma publizieren und kann sich so auf längerfristige Ziele konzentrieren.
Viele unternehmerische Investoren haben bereits in ihrem eigenen Unternehmen den Vorteil von langfristigen Projekten gesehen, die vielleicht über sechs oder sieben Jahre angelegt waren – ohne den steten Druck punkto eines kurzfristigen, öffentlichen Shareholder-Values zu spüren.
Und sie haben gesehen, wie diese unternehmerische Freiheit erfolgreiches Wachstum fördert. Nun wollen sie ebenfalls in nicht kotierte Unternehmen investieren, die aus ihrer Sicht Wachstumspotenzial haben.
Private Equity verspricht den Investoren also höhere Gewinne?
Die historische Performance der Privatmärkte ist sehr stark. Das ist ein Hauptgrund, weshalb viele Family Offices schon seit zwanzig, dreissig, vierzig Jahren in diesen Bereich investieren.
Seit wann ist der international tätige Private-Equity-Spezialist Hamilton Lane in der Schweiz aktiv?
2012 hatten wir das erste grosse Mandat einer grossen Versicherung.
Seit wann existieren Büros, also eine physische Niederlassung?
Wir starteten im April 2021. Damals war die Covid-Phase vorbei. Wir waren auf der Sales-Seite viel unterwegs. Gegen Ende 2021 eröffneten wir unser Office in Zug. Unsere Niederlassung in Zürich haben wir im Dezember 2023 eröffnet. Wir sind jetzt sieben Leute hier in der Schweiz.
Warum sind Sie bei Hamilton Lane?
Nach meinem Studium war ich acht Jahre bei der Partners Group und wechselte dann zu Hamilton Lane, um den Markt Schweiz mit aufzubauen. Das war mein erstes Ziel: ein Standort und ein Team. Ich betreue den Bereich Private Wealth.
Private Wealth heisst für uns bei Hamilton Lane: Zusammenarbeit mit Vermögensverwaltern, Banken und Family Offices. Andere Leute in unserem Team kümmern sich um die Anliegen von institutionellen Anlegern wie Pensionskassen und Versicherungen.
Was ist Ihr persönliches Ziel?
Mein grosses Ziel ist, den Private-Wealth-Bereich, der bei Hamilton Lane stark wächst, aber immer noch relativ klein ist, weiter aufzubauen.
Doch das investierte Geld ist über Jahre gebunden …
Ja. Es ist wirklich ein langfristiges Investment. Kundinnen und Kunden erwarten ein Premium, wenn sie Illiquidität eingehen. Aus diesem Grund sind viele Family Offices bereit, 20 bis 40 Prozent ihres Portfolios in diese Assetklasse zu investieren. Die Laufzeiten können zehn bis zwanzig Jahre betragen. Manch einer entscheidet also schon für die nächste Generation. Allerdings gibt es jetzt auch eine Reihe von halb liquiden Produkten, die mehr Flexibilität bieten, als die Assetklasse in der Vergangenheit geboten hat.
Noch vor wenigen Jahren belief sich das Mindestinvestment bei Private Equity auf 10 Millionen Dollar. Wer 10 Millionen in ein Produkt über zehn Jahre oder länger investieren kann, muss ein grosses Vermögen haben. Das ist auch ein Grund, weshalb Private früher gar nicht in Private Equity investieren konnten. Die Hürde lag einfach zu hoch.
Kommt dazu: Wenn Sie 10 Millionen Dollar an einen Fonds geben, wird das Geld nicht sofort vollumfänglich abgerufen. Das hat seinen Grund: Wir suchen zuerst Unternehmen. Sobald wir eines haben, rufen wir zum Beispiel 1 Million ab, dann vielleicht 500’000. Dann kommen eventuell wieder 500'000 zurück, wenig später rufen wir eventuell wieder 2 Millionen ab. Sie sehen, das Ganze ist sehr, sehr komplex. Als Investor sind Sie zehn Jahre in diesem Produkt gebunden und haben nur begrenzte Liquiditätsmöglichkeiten.
Doch nun öffnet sich der Markt nach und nach auch für kleinere Investmenttranchen, wie mir Simon Jennings von ihrem Mitbewerber Harbourvest erklärte.
Exakt. Das ist genau das, was die verschiedenen Privatmarktplayer wie wir, aber auch andere grosse Namen weltweit und in der Schweiz, tun. Wir alle wollen einen wesentlich besseren Zugang zu Private Equity ermöglichen. Deshalb hat Hamilton Lane schon früh neue Produkte und Instrumente angeboten, die ein breiteres Spektrum von Anlegenden ansprechen.
Und warum wurden die Privatmarktanlagen nicht schon früher angeboten?
Das hat vor allem strukturelle Gründe. Die Private-Equity-Welt war vor 20, 25 Jahren sehr viel kleiner. Wenn eine Private-Equity-Firma 50 Millionen Dollar benötigte, musste das möglichst schnell – innert Wochen – organisiert sein. Da konnte man nicht einfach zu einer Bank gehen, um eine Zusammenarbeit im Vertrieb mit Privatkundschaft aufzugleisen.
Welche Rolle spielt Hamilton Lane im Wealth-Management?
Wir waren sicher ein Early Mover. Wir haben inzwischen fünf Anlagevehikel und 8 Milliarden Dollar Assets under Management in unseren Evergreens, also semiliquiden Strategien, und gehören heute zu den grösseren Anbietern. Wir wollen den Zugang weiter für einen grösseren Kundenkreis öffnen.
Die amerikanische Firma Hamilton Lane aus Conshohocken im Bundesstaat Pennsylvania, bietet seit rund dreissig Jahren Investmentfonds und Separately Managed Accounts (SMAs) im Bereich der Privatmarktanlagen an. Jetzt setzt das US-Unternehmen stärker auf den europäischen Markt und will in der Schweiz wachsen. Hamilton Lane hat rund 940 Milliarden Dollar Assets under Management (AuM) und Supervision.
Was haben Sie in der Schweiz vor?
Unsere Private-Wealth-Lösungen wollen wir vermehrt in den Portfolios von Privatkundinnen und -kunden sehen, damit diese ebenfalls von dieser unglaublichen Privatmarktstory profitieren, die wir über die letzten Jahre gesehen haben. Wir sind heute mit sieben Leuten in der Schweiz vor Ort und könnten in Zukunft noch wachsen.
Wie können Anlegende Zugang zu dieser Anlageform erhalten? Wie machen Sie das?
Hamilton Lane geht potenzielle Privatkundschaft in der Regel nicht direkt an, sondern über einen Intermediär wie etwa Vermögensverwalter, Family Offices oder Banken.
Eine Möglichkeit ist, dass unsere Partner Vehikel kreieren, die diese Mindestinvestitionen, die in die Millionen gehen, poolen. So kann die Summe zum Beispiel auf hundert Investorinnen und Investoren statt auf einen einzelnen verteilt werden.
Das Zweite sind die in der letzten Zeit auf dem Private-Equity-Markt etablierten Evergreen-Strukturen, die wir seit über fünf Jahren anbieten. Wir versuchen, die Zugangsbarrieren zu Private Equity so gut wie möglich zu minimieren, indem wir zum Beispiel die Mindestanlagebeträge senken und einige der operativen und steuerlichen Belastungen, die es auf institutioneller Seite gibt, beseitigen. Das geht mit sogenannten Evergreen-Fonds.
Können Sie das näher erläutern?
Es gibt keine Capital Costs, das Geld wird von Anfang an abgerufen. Es fühlt sich für Anlegende fast gleich an, wie wenn sie in einen Aktienfonds investieren. Das Geld wird voll abgerufen, und es wird auch wieder reinvestiert innerhalb des Portfolios. Im Kundendepot und im E-Banking-Account ist alles ersichtlich. So kommen wir mit diesem Produkt einem salopp gesagt «Alleskönner» sehr nahe.
Wichtig ist, dass man den Kunden informiert, dass es keine liquide Anlage ist. Man kann Evergreen-Fonds nicht täglich traden. Bei den unterliegenden Firmen, in die wir investieren, haben wir eine Haltedauer von fünf bis sieben Jahren. Aber wir können eine gewisse Liquidität bis zu einem gewissen Punkt kreieren.
Wenn sich meine Lebenssituation ändert, kann ich bei diesen Fonds zumindest teilweise aus der eigentlich illiquiden Anlage aussteigen – stimmt das?
Wenn ich einen Grossteil meines Vermögens in Evergreen-Fonds investiert habe und wegen persönlicher Umstände oder wegen eines Hauskaufs ans Geld kommen muss, ist das in der Regel möglich, ja.
Wie funktioniert das bei einer eigentlich illiquiden Anlageklasse?
Besteht eine Liquiditätsproblematik, kann man unter Umständen den Fonds zurückgeben. Bei Hamilton Lane geht das sogar monatlich, bei gewissen Fonds anderer Anbieter jedoch nur quartalsweise. Auch hier gilt, dass wir eine illiquide Anlageklasse nicht vollständig liquide machen können.
Auf Fondsebene haben wir daher gewisse Restriktionen, sogenannte Gates, um den Fonds zu schützen. Das bedeutet im Wesentlichen, dass nicht mehr als 5 Prozent der gesamten Fondssumme auf einmal freigegeben werden dürfen.
Woran liegt das?
Damit soll ein gleichmässiges Kapitalniveau aufrechterhalten werden. Wenn gleichzeitig alle aussteigen wollen, wäre das ein Problem. Doch grundsätzlich gibt es die von Ihnen angesprochene Möglichkeit der Liquidität.
Avancieren diese Evergreen-Fonds nun zum Private-Equity-Asset für die breite Masse?
Das Potenzial ist gross. Bedenken Sie aber, dass diese Fonds nach wie vor nur qualifizierten Anlegenden hier in der Schweiz zur Verfügung stehen, in anderen Ländern semi- oder professionellen Anlegenden. Im Moment kommen fast jeden Monat neue Evergreen-Produkte auf den Markt. Das ist ein Trend. Ich glaube tatsächlich, dass deutlich mehr Geld in diesen Bereich fliessen wird.
Was sind die Gründe?
Private Equity ist historisch gesehen vor allem auf der institutionellen Seite gewachsen. Aber in jüngster Zeit mussten vor allem grosse Pensionskassen ihre Privatmarktanlagen reduzieren, weil sie ans Maximum bei der Allokation gelangten. Wegen des Kurssturzes an der Börse nach den letzten Jahren geopolitischer Instabilität hatten sie auf einmal statt nur 7 oder 8 Prozent plötzlich 15 Prozent im Privatmarkt angelegt.
Das veranlasste die Private-Equity-Manager, sich nach anderen Investorengruppen umzusehen, und gleichzeitig interessierten sich Private-Wealth-Kunden zunehmend für den Zugang zu den Privatmärkten.
Das führte zu Problemen?
Nicht gerade zu Problemen. Doch im Privatmarkt ist es extrem wichtig, dass sie immer wieder frisches Geld zur Verfügung haben. Alternativen waren gefragt, da keine grossen Summen von den Pensionskassen mehr kamen. So wurde mehr und mehr der Private-Wealth-Bereich interessant.
Also wurde die Schaffung von Evergreen Fonds aus der Not geboren?
Der Zeitpunkt war wohl eher ein guter Trigger-Point, der den Trend beschleunigte. Private Wealth Investoren haben im Durchschnitt eine Allokation von weniger als 1 Prozent im Privatmarkt. Die Family Offices sind mit 20 bis 40 Prozent engagiert. Wenn Private Wealth nur schon 1 oder 2 oder 3 Prozent Anteil beisteuert, sind das am Ende riesige Volumen.
Geht die oft beschworene «Demokratisierung» bei Private Equity weiter?
Der Trend ist klar: Von den Ultra High Net Worth Individuals (UHNWI) wanderte die Möglichkeit in Private Equity zu investieren zu den High Net Worth Individuals (HNWI). Und jetzt versucht man, in den Affluent-Bereich hineinzukommen. Doch eine wirkliche Demokratisierung hat in meinen Augen erst stattgefunden, wenn selbst der Retail-Kunde, der 20’000 oder 30'000 Franken auf dem Konto hat, Zugang zum Private Market hat. Dorthin wollen wir kommen.
Geben Sie hier Prognosen ab? Wird das jemals der Fall sein?
Das wird nicht von heute auf morgen passieren, aber das ist die Richtung, in die es geht. Einer der Hauptgründe, warum das noch nicht stattgefunden hat, sind die regulatorischen Hürden.
Die Finanzmarktaufsicht Finma stellt sich quer?
Da gibt es gute Gründe. Es muss viel mehr Aufklärung über die Risiken und Vorteile dieser Assetklasse betrieben werden. Ausserdem trauen Beraterinnen und Berater der Branche oft nicht zu, dass sie das den Kundinnen und Kunden gut erklären können. Meiner Meinung nach benachteiligt der Mangel an Aufklärung Private Equity im Vergleich zu anderen Anlageklassen.
Als Kryptowährungen auf den Markt kamen, waren sie von Anfang an im Retailgeschäft zu haben, trotz der grösseren Volatilität: Wir alle haben gesehen, welche Schwankungen und Risiken mit Kryptos verbunden sind. Der Regulator kann hier eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn er den Zugang zu Private Equity fördert, einer Assetklasse, die ein geringeres Risikoprofil hat und stabiler ist, wenn man die historische Performance über 10, 15 und 20 Jahre betrachtet, aber bisher nicht so zugänglich war.