Simon Youssef ist Mitgründer und CTO von Neon. Im Interview erklärt er, was es mit dem neuen KI-Produkt der Neobank auf sich hat und warum es die Datensicherheit nicht tangiert.
Neon launchte gestern Abend ein neues Produkt namens Finsights. Wie funktioniert es?
Ich muss als Neon-Kunde oder -Kundin den Knopf für Finsights auf dem Statistikscreen drücken. Dann kann ich auf das Mikrofon auf der Tastatur klicken und zum Beispiel fragen, wie viel ich im letzten Jahr für Zugtickets oder Restaurantbesuche ausgegeben habe. Und darauf bekomme ich eine Antwort.
Wie kam Finsights zustande?
Es gab ganz viele verschiedene Einflüsse. Wir arbeiten intern in der Entwicklung schon eine ganze Weile mit KI. Tatsächlich war es in diesem Fall so, dass unser Data-Team relativ schnell ein gutes Konzept entwarf und wir daraufhin fanden, wir probieren das.
Die Kunden und Kundinnen fragen auch oft nach einfachen Analysen für ihre Transaktionen – für uns war KI die Antwort auf dieses Problem.
In der Schweiz ist Finsights eine Neuheit. Gibt es etwas Ähnliches im übrigen Europa?
Die niederländische Bank Bunq hat ein ganz ähnliches Produkt.
Bisher konnten Neon-Kundinnen und -Kunden gut ohne dieses Feature leben … Wie will Neon es also unter die Leute bringen?
Ich glaube auch, man kann natürlich gut ohne dieses Produkt leben – wer es aber mal benutzt hat, will nicht mehr ohne. Ich merke das bei mir persönlich und gehe nicht mehr auf die klassischen Analysescreens. Ich stelle alle meine Fragen nur noch Finsights.
Es handelt sich um eine Betaversion. Weshalb?
Wenn wir merken, dass es viele Fragen gibt, die wir nicht beantworten können, dann behalten wir uns vor, Finsights zu pausieren und nachzubessern. Das ist ein ganz bewusster Approach, den wir hier gewählt haben: Wir wollen nicht erst alles perfekt können, sondern wir haben das Produkt relativ sportlich in rund zweieinhalb Monaten von der ersten Idee bis jetzt zum Go-live entwickelt. Es ist daher auch explizit als Betaphase gekennzeichnet.
Gab es bei der Entwicklung von Finsights Probleme?
Es gab natürlich technische Hindernisse. Und Probleme bei der Datenqualität.
Inwiefern betrafen die Probleme die Datenqualität?
Zum Beispiel liegen Geodaten nicht in einer Form vor, wie wir sie nutzen können.
Es gibt auch sogenannte Category Codes, die an einer Transaktion dranhängen und anhand derer wir wissen, ob die Transaktion ein Restaurant oder eine Fluglinie betrifft. Solche Daten liegen nicht unbedingt strukturiert vor, wir müssen sie zuerst verfügbar machen.
Werden die Kundinnen und Kunden für Neon und die KI durch Finsights gläsern? Zum Beispiel kennen Neon und die KI so doch auch das Nutzungsverhalten bei Transaktionen, die Kundinnen und Kunden lieber diskret behandeln …
Wir müssen zwei Dinge unterscheiden: Entweder die Kundin oder der Kunde will nicht, dass die KI das Nutzungsverhalten kennt – oder er oder sie will nicht, dass Neon es kennt.
Im ersten Fall: Nicht mal, wenn man die KI nutzt, kennt die KI das Nutzungsverhalten. Die KI übersetzt lediglich die Frage des Kunden in eine Datenbankabfrage, in ein sogenanntes SQL-Statement, ein Structured-Query-Language-Statement.
Die KI sieht also nie die Transaktionen der Kundin oder des Kunden.
Wichtig dabei ist, dass die Kundin oder der Kunde den Prozess triggert. Es ist also eine bewusste Entscheidung von Kundenseite und nicht etwas, das im Hintergrund abläuft oder von uns angestossen wird.
Aber Neon könnte theoretisch anhand der Transaktionen eine Persona von einer Kundin oder einem Kunden erstellen und sich ein Bild von der Person machen?
Theoretisch können wir das – so wie jede andere Bank übrigens auch. Da haben alle Banken mehr oder weniger die gleichen Daten. Wir machen es nicht und haben auch nicht vor, das demnächst so strukturiert zu machen.
Glauben Sie dennoch, dass Banken durch KI zukünftig ihre Kundinnen und Kunden genauer einteilen wollen? Dass das Transaktionsverhalten also etwa eine Hypothekenvergabe beeinflussen könnte?
Ich glaube es nicht. Banken wollen am Ende ja beispielsweise eine Baufinanzierung verkaufen, und die regulatorischen Hürden sind schon relativ hoch, insbesondere auch bezüglich Tragfähigkeit des Kredits. Wer jetzt noch zusätzlich eine Hürde aufbaut, kann das Produkt dann weniger Leuten verkaufen.
Und diejenigen Kundinnen und Kunden, die besser keinen Kredit bekommen sollten, werden ohnehin schon erfasst.
Wie geht es bei Neon mit der Nutzung von KI im Kundenbereich nun weiter?
Für uns ist völlig klar, dass wir mit Finsights den ersten Schritt Richtung kundenorientierte KI gemacht haben. Und wir haben vor, weitere Kundenprodukte zu entwickeln.
Könnte dies auch das Ausfüllen eines Zahlungsbelegs via KI betreffen, oder halten Sie das für zu ferne Zukunftsmusik?
Wenn wir das priorisieren würden, traue ich uns das in vier Wochen zu. Das wäre absolut machbar, aber ich glaube, der Kundenmehrwert ist nicht riesig.