Dieser Artikel ist Teil der Market Opinion «Fixed Income Investments», die in Zusammenarbeit mit der Capital Group realisiert wurde.

Lässt man die Aktien einmal beiseite und betrachtet nur den Bond-Markt, fällt eine enorme Steigerung der Nachfrage bei nachhaltigen Anlagen auf: Der grüne Anleihenmarkt ist «durchschnittlich 90 Prozent allein zwischen 2016 und 2021» gewachsen, stellt Bram Bros, Global Head of Green, Social and Impact Bonds bei Goldman Sachs, fest. Grüne Bonds spriessen wie Blumen im Frühling: Nie war das Angebot grösser. «Der globale Anleihenmarkt wird eine wichtige Investitionsquelle sein», um die horrende Summe von jährlich 3100 Milliarden Dollar für die Dekarbonisierung der globalen Ökonomie zusammenzubringen, glauben die Autoren der kürzlich publizierten Goldman-Sachs-Studie «Green Bond Market Guide».

Doch bei weitem nicht alle Angebote auf dem Bond-Markt sind ESG-kompatibel. ESG (Abkürzung für «Environmental», «Social» und «Governance») steht für Umwelt. Die Spreu vom Weizen zu trennen, ist eine der grossen Herausforderungen für institutionelle und private Anlegerinnen und Anleger, aber auch für Anbieter wie Investmentfirmen. Wer nicht ganz genau hinschaut, riskiert etwa in seinem Anleihenfonds Bergbaufirmen, Rüstungskonzerne, Firmen mit Kinderarbeit oder Ölförderer zu haben. Das ist für Investoren, die im Grunde nachhaltig, ökologisch und sozial korrekt gemäss ESG-Kriterien anlegen wollen, ein absolutes No-go. «Nachhaltigkeitsbewusste Anlegerinnen und Anleger sollten insbesondere die ESG-Ratings der Emittenten unter die Lupe nehmen», rät Luis Ferrara, Finanzstratege bei der Banque Cantonale Vaudoise (BCV) in Lausanne.

Greenwashing-Problem hat zugenommen

3100 Milliarden Franken globales Investitionsvolumen pro Jahr ist ein grosser Kuchen. Nicht alle Finanzdienstleister, die davon ein Stück abhaben wollen, setzen im hart umkämpften Anleihenmarkt saubere Anlagemöglichkeiten ein. Das gigantische Potenzial und die anziehende Nachfrage verlocken offenbar Marktakteure, Anleihen grüner erscheinen zu lassen, als sie es sind: Die Zahl von Greenwashing-Fällen durch Banken und Finanzdienstleister in aller Welt ist in den vergangenen zwölf Monaten um 70 Prozent hochgeschnellt, wie aus einer kürzlich veröffentlichten Studie von RepRisk hervorgeht. Die meisten davon entfielen auf europäische Finanzinstitute.

Regierungen greifen regulierend ein

Das seit Jahren grassierende Greenwashing hat für sehr viel Unmut bei professionellen und privaten Anlegerinnen und Anlegern gesorgt. Und auch die Politik auf den Plan gerufen, die nun eine härtere Gangart einschlägt. Die EU verschärft mit ihrer Taxonomie-Verordnung seit ein paar Jahren stetig die Kriterien und Anforderungen bei grünen Investments und ESG-kompatiblen Anlagemöglichkeiten. Die letzte Verschärfung trat am 1. Januar 2023 in Kraft. Anfang Oktober hat das EU-Parlament zudem beschlossen, ein neues Siegel gegen Greenwashing bei Anleihen zu schaffen. Externe Bewerterinnen und Bewerter sollen prüfen, ob der Standard eingehalten wird.

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Auch Bundesbern reagiert: Der Bundesrat will nun im Kampf gegen Greenwashing bei Finanzprodukten durchgreifen. Bis spätestens Ende August nächstes Jahr soll das Finanzministerium von Karin Keller-Sutter dazu einen Verordnungsvorschlag für eine «prinzipienbasierte staatliche Regulierung» ausarbeiten, wie die Regierung am 25. Oktober mitteilte. Das Eingreifen der Landesregierung und der EU hat einen guten Grund: Die Bestrebung der Finanzbranche nach einer effektiven Selbstregulierung erwies sich in den vergangenen Jahren als zahnlos. Nach wie vor werden Anlagen wie Bond-Fonds auf dem boomenden Markt lediglich ein grünes Mäntelchen übergestülpt.

 

Verbände von Banken und Versicherungen reagieren

Als Reaktion auf die bundesrätliche Intervention haben die Asset Management Association Switzerland AMAS, die Schweizerische Bankiervereinigung SBVg und der Schweizerische Versicherungsverband SVV betont, das Vorgehen des Bundesrats zu begrüssen. Die drei Verbände wollen die Landesregierung «auch künftig vollumfänglich unterstützen». Gemeinsam wolle man die Position der Schweiz als führenden Standort für nachhaltige Finanzen stärken, halten die drei Verbände der Schweizer Finanzbranche fest. «Unabhängig von allfälligen regulatorischen Entwicklungen werden die Selbstregulierungen in den kommenden Jahren weiter vorangetrieben, um mit Blick auf Greenwashing stets effektive Vorgaben für den Schweizer Finanzplatz zu gewährleisten», betonen AMAS, SBVg und SVV in einem Schreiben.

Globale Investmentfirmen wollen grüner werden

Die Schweizer Finanzdienstleister sind nicht allein mit dem Wunsch, das Greenwashing-Problem ein für alle Mal loszuwerden. Weltweit reagieren namhafte Investmentfirmen und Grossbanken, um ihre Angebote auf dem Bond-Markt und bei anderen Anlagemöglichkeiten zu verbessern. Schritt für Schritt trimmen sie ihre Angebote Richtung Nachhaltigkeit. Sie kommen so dem Wunsch ihrer Kunden, professionellen Anlegern von Familiy-Offices, Pensionskassen, Versicherungen und auch den Bedürfnissen privater Anlegerinnen und Anleger immer besser entgegen.

Globale Rating-Agenturen wie Fitch, S&P und Moody’s mischen im Geschäft ESG-Bewertungen mit und veröffentlichen ihre Berichte. «Betrachtet man die bisher vergebenen ESG-Ratings, fallen die Ergebnisse je nach Agentur höchst unterschiedlich aus – für dasselbe Unternehmen wohlgemerkt», kritisiert Karl Schmedders, Professor für Finanzen, am Management Institut IMD in Lausanne.

Einheitliche ESG-Regeln gibt es nicht

In ihrem ESG-Bericht moniert die Capital Group, eine der ältesten und grössten Investmentunternehmen der Welt mit über 2,3 Billionen Dollar gemanagtem Vermögen: «Da es keine branchenweite gemeinsame Definition gibt, wird es auch für Investmentgesellschaften schwieriger, ihren eigenen ESG-Ansatz zu definieren.» Es entstünden gerade unterschiedliche Standards für Fondslabels und -berichterstattung. Das erschwere die Einhaltung von Vorschriften. «Die meisten institutionellen (52 Prozent) und Wholesale-Investoren (54 Prozent) meinen, dass es durch regional unterschiedliche Fondslabels schwieriger wird, ihre ESG-Ziele zu verfolgen», wie die Studienautoren der Capital Group schreiben. Problematisch sei, dass ESG-Ratingagenturen unreguliert seien.