Georgios Leontaris, HSBC steht vor einem Wachstumsschub, warum?
HSBC hat das Ziel, in den nächsten Jahren erheblich zu wachsen. Unter der Leitung unseres CEO, Gabriel Castello, haben wir bereits eine beträchtliche Anzahl von Mitarbeitenden eingestellt, sowohl in der Schweiz als auch in der gesamten EMEA-Region.
Wir haben fast 100 Personen im Private Banking eingestellt, vor allem im Front Office, aber auch im Investmentbereich. Ausserdem vergrösserten wir unser Vermögen.
Welche Zielmarke haben Sie sich gesetzt?
Wir wollen unser Vermögen innerhalb der nächsten fünf Jahre um bis zu 50 Prozent steigern.
Im Moment sind Sie die Nummer sieben unter den grössten Banken der Welt mit einer Bilanzsumme von rund 3 Billionen. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie und Ihr Team in den nächsten paar Monaten?
Ich konzentriere mich in erster Linie auf die Investitionsseite. Die Welt um uns herum verändert sich, und es gibt immer noch Unsicherheiten, wenn es zum Beispiel um Geopolitik und Handelspolitik geht. Bei den makroökonomischen Trends sehen wir eine aussergewöhnliche Stärke bei den Wirtschaftsdaten und der Dynamik, sowohl bei den harten Daten als auch bei der Stimmung in den USA.
Doch in Europa sieht es anders aus?
In Europa hat die Wirtschaft offensichtlich nicht das gleiche Ausmass an Stärke, obwohl es eine gewisse Widerstandsfähigkeit gab. Noch Anfang Jahr waren die Erwartungen für eine bevorstehende Rezession sehr hoch.
Die Daten haben vor allem in der ersten Jahreshälfte positiv überrascht. Es kam nicht zur deutlichen Erholung, sondern eher zu einer Art Durchwursteln. Seitdem sind die Daten immer noch ein wenig durchwachsen und die Umsätze sind im Vergleich zu den USA zurückgeblieben.
Wie äussert sich das?
Das verarbeitende Gewerbe ist nach wie vor schwach. Der Dienstleistungssektor ist etwas stärker, vor allem in der Peripherie, zum Beispiel in Spanien, wo sich die Produktions- und Dienstleistungssektoren besser gehalten haben als in anderen Ländern. Die Volkswirtschaften der Peripherie Europas stehen also etwas besser da. So verzeichneten beispielsweise Spanien und Griechenland seit der Pandemie ein stärkeres kumulatives Wachstum als Frankreich und Deutschland.
Natürlich gibt es Herausforderungen auf der politischen Seite. Es ist offensichtlich, dass die Unsicherheit sowohl in Frankreich als auch in Deutschland zugenommen hat.
Die Zeiten mit hoher Inflation sind vorbei?
Nun, wir haben gesehen, dass die Zentralbanken auf der ganzen Welt einen Lockerungszyklus eingeleitet haben, nicht wahr? Dieser Schwenk hat also begonnen. Und wir bei HSBC glauben, dass weitere Zinssenkungen bevorstehen.
Allerdings dürften weitere Kürzungen in den USA angesichts der robusten Wirtschaftslage eher schrittweise erfolgen. Dies wird 2025 ein Teil der makroökonomischen Landschaft sein.
Ausserdem sind die Unternehmensergebnisse in den USA hervorragend ausgefallen, angeführt von starken Gewinnmargen und Eigenkapitalrenditen. Die Rentabilität hat sich also in mehreren Sektoren dynamisch entwickelt. Die Erwartungen deuten auf einen weiteren Aufschwung hin.
Am 16. Januar wird Donald Trump seinen Platz im Oval Office einnehmen. Er erregt bereits mit merkantilistischen Ankündigungen Aufmerksamkeit. Können also hohe Zölle und ein grosser Binnenmarkt die US-Wirtschaft zum Boom führen?
Zunächst einmal müssen wir berücksichtigen, wo die USA stehen. Ich denke, dass sie in vielerlei Hinsicht bereits boomen, oder?
Wir haben also über das Wirtschaftswachstum gesprochen, das laut dem Atlanta-Fed-BIP-Now-Mass über 3 Prozent liegt, über die Stärke des Konsums, über die Zukunftsindikatoren, die positiv sind.
Betrachtet man beispielsweise die Verbraucherstimmung, so liegt die zukunftsgerichtete Komponente nahe einem Dreijahreshoch. Auch die Prognosen der Unternehmen sind positiv. Ich würde also sagen, dass wir uns bereits auf einer guten Basis befinden.
Und was denken Sie in Bezug auf die Pläne des angehenden US-Präsidenten?
Ich denke, dass einige Pläne der neuen US-Regierung in Bezug auf das Wirtschaftswachstum sicherlich positiv sind, etwa die Lockerung von Vorschriften.
Deren Absicht ist es, die Geschäftstätigkeit zu erleichtern, um so das Wirtschaftswachstum zu fördern.
Sollte die Regierung die Steuern weiter senken, könnte sich das positiv auf die Gewinnerwartungen der Unternehmen auswirken. Lockere fiskalische Anreize können das Wirtschaftswachstum ebenfalls unterstützen. Andere Aspekte der Tagesordnung, wie die Handelspolitik, können mit inflationsbedingten Risiken verbunden sein.
Was erwarten Sie von der neuen Handelspolitik unter Trump?
Was die Handelspolitik betrifft, so kann diese unterschiedliche Auswirkungen haben, sollte die Einführung von Zöllen die Kosten für wichtige Waren erhöhen. Wir müssen also das endgültige Ausmass der tatsächlich umgesetzten Massnahmen abwarten.
Bislang gibt es noch viele Unwägbarkeiten, nicht nur in Bezug auf den Handel, sondern auch in Bezug auf Steuern und Regulierung. Ende Januar wissen wir mehr.
Aber Sie haben keine Angst, dass sich die Wirtschaft wegen hoher Zölle oder Steuern auf Waren abschwächt?
Wenn wir einige der gemeldeten Zahlen für bare Münze nehmen, dann könnte sich das natürlich auf die Inflation auswirken. Sie kann sich anheizen.
Der Markt hat sich bis zu einem gewissen Grad bereits auf das Risiko vorbereitet, das einige der handelspolitischen Massnahmen sowie einige der starken Wirtschaftsdaten mit sich bringen. Kurzfristig kann jedoch eine gewisse Volatilität nicht ausgeschlossen werden, da das volle Ausmass möglicher Massnahmen noch nicht bekannt ist.
Welchen Herausforderungen wird sich das Private Banking im Jahr 2025 stellen müssen?
Wir müssen bedenken, was die Welt um uns herum für unsere Kunden, ihre Aktivitäten und ihr Vermögen bedeuten wird. Wenn wir also aus Investorensicht recht haben, dass die Wirtschaftstätigkeit robust sein wird, haben wir eine relativ rosige Sicht auf den globalen Aktienmarkt, insbesondere in den USA.
Sie sehen also grosse Chancen?
Wenn dieses Szenario eintritt, kann das natürlich einige Möglichkeiten für unsere Kunden schaffen. Umgekehrt wird ein Anstieg der Volatilität nicht für alle Vermögenswerte von Vorteil sein. Aber im Allgemeinen kann Volatilität die Nachfrage nach bestimmten Produkten, in Bezug auf Diversifizierung, in Bezug auf aktives Management schaffen.
Ich denke also, wenn es um das Angebot einer Universalbank geht, werden die Expertise und die Fähigkeit, den Kunden Produkte anzubieten, wichtig sein.
Wie sieht es in Asien, etwa in China, aus?
Es gibt auch Fragezeichen in Bezug auf Asien. So haben wir zum Beispiel in China zunehmende fiskalische Anreize gesehen, um das Verbrauchervertrauen zu stärken, das in den letzten Jahren eher niedrig war.
China hat eine etwas schwierige Zeit. Sind alle Probleme bereits gelöst oder was erwarten Sie für die nächsten Monate?
Wir gehen davon aus, dass das chinesische Wirtschaftswachstum am Ende des Jahres bei etwa 4,9 Prozent liegen wird, also nur knapp unter dem Zielwert.
Für Investorinnen und Investoren ist es wichtig, dass es keinen nachhaltigen Aufschwung bei den Vertrauensindikatoren gegeben hat. Einige der Herausforderungen, mit denen der Immobilienmarkt in den vergangenen Jahren konfrontiert war, sind immer noch nicht vollständig überwunden.
Aber die chinesische Regierung hat viel getan, um die Baisse zu überwinden, oder?
Die chinesischen Behörden haben in den letzten Monaten und Quartalen etwas energischer zusätzliche Stimulierungen angekündigt. Wir können uns immerhin damit trösten, dass in China Schritte in die richtige Richtung unternommen werden. Und wir erwarten, dass im nächsten Jahr weitere Anreize angekündigt werden.
Welche Chancen werden sich 2025 in Asien ergeben, abgesehen von China?
Indien ist eines unserer bevorzugten Länder, und zwar nicht nur in diesem Jahr. Indien ist eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften.
Viele Investitionen ins verarbeitende Gewerbe wurden getätigt und die Wirtschaftsdaten in diesem Bereich sind stabil. Das halte ich für wichtig. Auch die demografische Entwicklung ist sehr positiv. Der signifikante Anstieg der Mittelklasse sollte dazu führen, dass mehr für Produkte ausgegeben wird.
Viele indische Unternehmen haben eine hohe Eigenkapitalrendite und erzielen beträchtliche Margen.
Und in Japan tröstet uns die Tatsache, dass sich das Wirtschaftswachstum und die Inflationsaussichten im Vergleich zu früheren Jahren verbessert haben. Das Ende der Deflation ist sicherlich positiv zu bewerten.
«Ich persönlich bin seit 17 Jahren bei HSBC und stolz, ein Teil der grössten ausländischen Bank hier in der Schweiz zu sein»: Georgios Leontaris, CIO EMEA & Schweiz bei HSBC Global Private Banking.
Georgios Leontaris spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Hausmeinung, der Asset Allocation, der thematischen Ideen und der Thought-Leadership-Beiträge. Er steht in engem Kontakt mit den Kundenteams sowie den Private-Banking- und Wealth-Kunden, um Anlageberatung für alle Anlageklassen zu bieten.
Georgios Leontaris ist seit 2007 bei HSBC tätig und wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem als «Top 40 under 40 in 2022» von Citywire Selector und als «Best Wealth Management Rising Star under 40» bei den Wealth-Briefing Swiss Awards 2023. Vor seiner jetzigen Tätigkeit leitete er das Fixed Income Advisory Team in der Schweiz und war für die Verwaltung von massgeschneiderten Fixed-Income-Mandaten im Umfang von 1,5 Milliarden Dollar verantwortlich. Er hat einen Master of Science von der London School of Economics and Political Science (LSE) und ist CFA Charterholder.
Lassen Sie uns einen Blick auf den Aktienmarkt werfen. Technologieaktien sind derzeit das Mass aller Dinge. Sehen Sie das auch so?
Nun, das ist eine weit gefasste Aussage, aber ja, zu einem grossen Teil. Ich denke, Ihre Frage spielt auf die Tatsache an, dass ein grosser Teil der Stärke auf der Aktienseite auf die Technologie zurückzuführen ist. Zweifellos war dies einer der Sektoren mit der besten Performance.
Wir haben auch beeindruckende Ergebnisse und eine beeindruckende Akzeptanz von technologischen Verbesserungen, KI und so weiter gesehen.
Sind Sie hier etwas skeptisch?
Die Aussichten für das erwartete Gewinnwachstum, zum Beispiel das Wachstum der «Magnificent 7» im Vergleich zu den Nicht-«Magnificent 7» wird sich in den kommenden Quartalen angleichen.
Wenn man im Technologiebereich bereits hohe Wachstumsraten erzielt, wird es offensichtlich etwas schwieriger, noch weiter zu wachsen.
Ich denke also, dass wir auch bei den erwarteten Gewinnen anderer Unternehmen ein wenig Nachholbedarf haben.
Ist das Ende des rasanten Wachstums also nahe?
Was die Zukunft betrifft, so mögen wir bei HSBC nach wie vor Technologie. Darüber hinaus wollen wir uns aber auch in einer breiteren Palette von Sektoren engagieren.
Woran denken Sie?
Wir halten beispielsweise nach Kommunikationsdiensten Ausschau, nach dem Gesundheitswesen, nach Finanzwerten, die ebenfalls eine gute Wahl sind, und nach Industriewerten in Verbindung mit dem Konsumsektor. Ich habe die Stärke des Verbrauchers ja bereits erwähnt.
Lassen Sie uns einen Blick auf die Zinslandschaft werfen. Die Zinssätze fallen. Hier in der Schweiz sprechen wir bereits von Negativzinsen. Ist das in Ihren Augen etwas, das wir fürchten müssen?
Also, unsere Prognosen sehen keine negativen Zinsen vor. Wir rechnen mit weiteren Zinssenkungen durch die Schweizerische Nationalbank.
Ich glaube nicht, dass die Schweizer Wirtschaft diese Negativzinsen im Moment braucht, aber wir sind sicherlich auf dem Weg zu weiteren Senkungen.
Sinken die Zinsen global auf breiter Front?
Wir gehen davon aus, dass die EZB, die Bank of England, die Federal Reserve und die wichtigsten Zentralbanken der Welt weitere Zinssenkungen vornehmen werden – auch wenn die Senkungen in den USA möglicherweise langsamer erfolgen.
Was bewirken diese erwarteten Zinssenkungen?
Das wirkt sich natürlich positiv auf die Investitionen aus, sowohl auf der Seite der festverzinslichen Wertpapiere als auch auf der Seite der Aktien.
Es wird also ein glänzendes nächstes Jahr?
Es gibt Gründe, optimistisch zu sein. Dennoch bestehen noch immer viele Überraschungsmomente, ohne Zweifel: Wir haben eben darüber gesprochen, dass wir bei einigen Massnahmen, etwa in den USA, noch keine vollständige Klarheit haben.
Die geopolitischen Risiken sind nach wie vor hoch. Dennoch halten wir es für sinnvoller, investiert zu bleiben und die Extremrisiken durch Diversifizierung zu managen.
Wie gehen Sie bei HSBC vor?
Wir haben eine Übergewichtung in Hedgefonds, die dazu neigen, Marktrückgänge zu begrenzen, und halten eine Übergewichtung in Gold. Unsere Allokation in Privatmärkten ist ebenfalls längerfristig ausgerichtet.
Was bereitet Ihnen Kopfzerbrechen?
Wir wissen zum Beispiel, dass sich die Arbeitsmärkte abkühlen. Auch die Inflationsentwicklung, die ich bereits erwähnte, birgt Aufwärtsrisiken für die Inflation angesichts einiger Unsicherheiten bezüglich politischer Veränderungen im nächsten Jahr. Ausserdem wissen wir nicht, ob die fiskalischen Anreize in China die beabsichtigten Ergebnisse erzielen.
Die Bank HSBC (Hongkong & Shanghai Banking Corporation Holdings PLC) mit Sitz in London ist die siebtgrösste Bank der Welt.
Mit einem Umsatz von 74 Milliarden Dollar, bei einem Gewinn von 22,2 Milliarden Dollar, steht die HSBC laut den Forbes Global 2000 auf Platz acht der weltgrössten Banken. Andere Statistiken, etwa Wikipedia, weisen ihr den siebten Platz zu. Gleichzeitig ist HSBC die grösste europäische Bank (Stand: Jahr 2023). Die Bilanzsumme umfasst 2,951 Milliarden Dollar. HSBC erzielte Anfang 2018 eine Marktkapitalisierung von rund 200 Milliarden Dollar. Die Investmentgesellschaft der Bank (HSBC Asset Management) verwaltet 707 Milliarden Dollar Assets under Management (AUM).
Was bedeutet das für Anlegerinnen und Anleger?
Wir sollten uns wohl auf eine gewisse Volatilität einstellen. Unsere Strategie bei HSBC besteht darin, investiert zu bleiben. Gleichzeitig bevorzugen wir Aktien gegenüber Anleihen.
HSBC bevorzugt also Aktien gegenüber festverzinslichen Wertpapieren aufgrund der soliden Fundamentaldaten. Wir neigen ausserdem dazu, eine Vorliebe für die US-Märkte gegenüber einigen anderen Märkten zu haben. Und wir legen den Schwerpunkt auf die Diversifizierung in alternative Anlagen neben anderen Vermögenswerten.