Geldhäuser spielten bei der Bestimmung, mit wieviel Liquidität das Bankensystem ausgestattet sein sollte, aber künftig eine grössere Rolle, sagten vier mit den Überlegungen vertraute Personen. Die Euro-Notenbank ist momentan dabei, ihren operativen Rahmen zu überprüfen, mit dem sie die kurzfristigen Zinsen am Finanzmarkt steuert. Diese Überprüfung war notwendig geworden, da das Bankensystem der Euro-Zone trotz inzwischen wieder deutlich gestiegener Zinsen als Folge der jahrelangen ultralockeren Geldpolitik noch immer mit Billionen an Überschussliquidität ausgestattet ist.
Den Insidern zufolge stimmten die Währungshüter in der vergangenen Woche bei einem Treffen überein, an einem sogenannten «Floor-System» zur Steuerung der kurzfristigen Zinssätze festzuhalten. Dieses hatte sich im vergangenen Jahrzehnt immer mehr etabliert, als die EZB über grosse Anleihenkaufprogramme und langfristige Kreditspritzen die Banken mit Liquidität überflutete, um die Konjunktur und die damals schwache Inflation anzuheizen. Die Folge: Die Bedeutung der wöchentlichen EZB-Kreditgeschäfte nahm ab und der Einlagensatz wurde zum richtungsweisenden Zinssatz am Finanzmarkt.
In einem solchen System fungiert dieser von der EZB bestimmte Einlagenzins, den Finanzinstitute erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Liquidität parken, als Untergrenze für die kurzfristigen Kreditzinsen. Bei ihren Beratungen legten die Währungshüter den Insidern zufolge jedoch keine Zielmarke fest, wieviel Liquidität im Bankensystem künftig noch vorhanden sein sollte, wenn Überschussreserven mit der Zeit sinken werden. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.
Die Überschussliquidität im Bankensystem war in der jüngsten Vergangenheit im Zuge der billionenschweren Anleihenkaufprogramme und der grossen Kreditsalven an Finanzinstitute kräftig nach oben geschnellt. Den Insidern zufolge würden Institute künftig selbst mitbestimmen, wie viel Liquidität im Bankensystem vorhanden ist, indem sie sich benötigte Gelder von der EZB ausleihen. Eine ähnliche Strategie verfolgt auch die britische Notenbank. Um dies zu erleichtern, wird es die EZB den Insidern zufolge für die Institute günstiger gestalten, sich von ihr Geld zu leihen. Dazu werde sie den Zinssatz für ihre wöchentlichen Geldgeschäfte mit Banken, der derzeit bei 4,5 Prozent liegt, senken und näher an den Einlagensatz heranrücken, der aktuell bei 4,0 Prozent liegt.
Schmaler Korridor
Ein solcher schmaler Korridor würde unter anderem den finanziellen Aufpreis und das Stigma für solche Banken verringern, die an Bargeld knapp sind - insbesondere in einer Übergangsphase, sagten die Insider. Dabei werde die EZB auch einige Schwankungen im Referenzzins €STR für Tagesgeld im Interbankenmarkt um den Einlagensatz herum tolerieren. Die Insider erwarten, dass die EZB ein solches «nachfragegetriebenes Floor-System» schon im nächsten Monat ankündigen könnte. EZB-Direktorin Isabel Schnabel hatte ein solches Steuerungssystem erstmals im vergangenen Jahr in einer Rede vorgestellt.
Für die Mindestreserve-Anforderungen der Banken sei derzeit keine Änderung geplant, sagten die Insider. Einige Euro-Wächter könnten aber einen solchen Schritt befürworten und Anpassungen vorschlagen. Es gebe ausserdem noch Diskussionen darüber, wie gross künftig ein Anleihenportfolio der EZB sein sollte. Dazu zähle auch die Frage, ob dieses hauptsächlich aus kurzlaufenden oder aus längerlaufenden Papieren bestehen werde. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte unlängst gesagt, der neue Steuerungsrahmen werde sehr wahrscheinlich eine Kombination eines Anleihenportfolios umfassen aber auch Kreditoperationen mit unterschiedlichen Laufzeiten. Künftig könnten somit zielgerichtete, längerfristige grosse Kreditspritzen - in der Fachwelt «TLTRO» genannt - Teil des ständigen Instrumentenkastens der Währungshüter sein. (reuters/hzb/ps)