Die Regierung von Ministerpräsident Michel Barnier ist über ein Misstrauensvotum gestürzt. Auslöser war ein Streit über Sparpläne im Haushalt. Barniers Haushaltsentwurf hatte Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen im Volumen von fast 60 Milliarden Euro vorgesehen. Rechte und Linke lehnten die geplanten Einsparungen ab. Unlängst war der Renditeabstand zehnjähriger französischer Staatsanleihen zu deutschen Bundesanleihen - die sogenannte Risikoprämie - mit rund 0,90 Prozentpunkten auf den höchsten Stand seit der Staatsschuldenkrise von 2012 geklettert. Es folgt eine Übersicht über die möglichen Massnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB).
Was kann die EZB tun?
Die EZB hat mit dem sogenannten «Transmission Protection Instrument» (TPI) ein geldpolitisches Werkzeug, das es ihr erlaubt, unbegrenzt Staatsanleihen eines Euro-Landes zu kaufen. Voraussetzung dafür ist laut EZB unter anderem, dass das Land unter einer ungerechtfertigten Verschärfung seiner Finanzierungsbedingungen leidet und der Anstieg der Staatsanleihe-Renditen auch noch ungeordnet erfolgt, beispielsweise im Zuge heftiger Börsenturbulenzen. Die Ausweitung der Risikoprämie für französische Staatsanleihen ist aktuell allerdings wieder etwas gesunken und lag am Donnerstagvormittag bei rund 0,81 Prozentpunkten. Das ist nicht weit entfernt von den rund 0,80 Prozentpunkten, die im Sommer während der Parlamentswahl in Frankreich zeitweise erreicht wurden. Und damals wurde TPI nicht aktiviert. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise 2012 lag die Risikoprämie vergleichbarer italienischer Staatsanleihen zeitweise bei etwa 4,00 Prozentpunkten.
Sind die Voraussetzungen erfüllt?
Das ist wahrscheinlich aktuell nicht der Fall. Der jüngste Anstieg der Renditen französischer Staatsanleihen wurde ausgelöst durch die politischen Turbulenzen und die Sorgen hinsichtlich der Staatsfinanzen. Zu argumentieren, dass der Renditeanstieg ungerechtfertigt sei, dürfte daher schwerfallen. Auch zu begründen, dass der Anstieg ungeordnet ist, dürfte nicht leicht fallen. Denn der Renditeaufschlag zu den als sehr sicher geltenden deutschen Bundesanleihen hat sich alles in allem bislang nicht sehr stark im Vergleich zu den Niveaus vom Sommer erhöht.
Die EU-Kommission hatte im Juni wegen zu hoher Neuverschuldung ein Defizitverfahren gegen Frankreich eingeleitet. Es dürfte daher schwer zu argumentieren sein, dass das Land das weitere EZB-Kriterium einer «soliden und tragfähigen Wirtschaftspolitik» erfüllt. EZB-Präsidentin Christine Lagarde vermied im Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des EU-Parlaments am Mittwoch allerdings eine klare Aussage dazu, ob die EZB im Notfall Frankreich unterstützen würde. Die Französin sagte lediglich: «Preis- und Finanzstabilität sind miteinander verknüpft. Ohne das eine gibt es das andere nicht.»
An den Finanzmärkten ist derzeit keine Panik zu erkennen. «Bislang haben die Märkte für französische Staatsanleihen besonnen reagiert», sagt der Chefvolkswirt der DekaBank, Ulrich Kater. Die Risikoprämie sei in den vergangenen Monaten zwar spürbar gestiegen, aber von Panik keine Spur. «Dahinter steht die Erwartung, dass die zweitgrösste Volkswirtschaft des Euroraums bei allen inneren politischen Differenzen eine Perspektive zur Konsolidierung des Haushalts vorlegen wird, insbesondere, wenn die Finanzmärkte deutliche Stresssignale aussenden sollten», erklärte der Experte.
Sind die jüngsten Kursbewegungen exzessiv?
Die EZB hatte das Anleihenkaufinstrument TPI 2022 aus der Taufe gehoben. Bislang wurde es noch nie eingesetzt - auch nicht als aus Italien vor zwei Jahren Klagen zu hören waren, die Renditeaufschläge auf italienische zehnjährige Staatsanleihen seien zu hoch. Damals hatte der zu dem Zeitpunkt amtierende italienische Notenbankchef Ignazio Visco Renditeaufschläge von mehr als 2,0 Prozentpunkten als ungerechtfertigt bezeichnet. Es sollten nicht mehr als bis zu 1,50 Prozentpunkte sein. Die Analysten des Bankhauses Nomura waren zuletzt davon ausgegangen, dass ein Scheitern der französischen Regierung dazu führen könnte, dass die Renditeaufschläge französischer Bonds dann hochschiessen auf 1,0 bis 1,2 Prozentpunkte. (reuters/hzb/ps)