Herr Koller, alle reden über künstliche Intelligenz. Welche Rolle spielt das für Sie bei der TKB? Schauen Sie eher zu, wohin sich das entwickelt, oder wollen Sie gleich vorne mit dabei sein?
Wir als TKB gehen davon aus, dass KI die nächste industrielle Revolution sein wird. Auch in der Finanzbranche. Und sie wird vor allem viel schneller sein als alles, was wir bisher gesehen haben. Darum haben wir uns auch in der Geschäftsleitung intensiv mit KI auseinandergesetzt und eine Strategie angestossen.
Wir haben in einer ersten Phase mit KI experimentiert und zum Beispiel interne Texte, Videos und Schulungsunterlagen erstellt. Weiter kam KI bei der Auswertung einer Umfrage oder im Bilanzstrukturmanagement zum Einsatz. Natürlich haben wir dabei stets mit anonymisierten Daten gearbeitet.
Wir haben jüngst verschiedene konkrete Anwendungsfälle definiert, die wir möglichst schnell umsetzen wollen. Das sind zum Beispiel intelligente Chatbots, die uns bei Kundenanfragen unterstützen sollen.
Kommen die TKB-Kunden und -Kundinnen also in Kontakt mit Chatbots?
Noch nicht, aber wir beabsichtigen das.
Wird das auch Auswirkungen auf die Mitarbeitenden der TKB haben? Dass Leute, die bis jetzt solche Fragen entgegengenommen und beantwortet haben, dann in anderen Feldern tätig sind? Oder ist gar mit Stellenabbau zu rechnen?
Nein, das steht nicht im Fokus. Gewisse Ressourcenverlagerungen oder Veränderungen in den Aufgabenprofilen sind aber möglich. Wenn Routinearbeiten mit KI oder mit Robotertechnologie abgewickelt werden können, gewinnen die Mitarbeitenden mehr Zeit für komplexere Aufgaben, zum Beispiel in der Beratung.
Die TKB übernahm vor kurzem die Markenrechte der Hypothekenplattform Valuu und hat sich an einem Vermögensverwalter beteiligt. Was ist der Gedanke hinter solchen Beteiligungen? Zu wachsen?
Im konkreten Fall geht es um die Stärkung unserer eigenen Hypothekenplattform Brokermarket.ch. Hier sind Hypothekenvermittler und Kapitalgeber aus der ganzen Deutschschweiz vertreten, und dank Valuu können wir das Einzugsgebiet noch weiter ausdehnen. Bei der ebenfalls im Frühjahr kommunizierten Beteiligung an der Arete Ethik Invest AG geht es darum, unsere Positionierung im Anlagegeschäft zu stärken und von Spezialisten-Know-how zu profitieren.
Im physischen Betrieb wollen Sie innerhalb der Kantonsgrenzen bleiben?
Genauer gesagt in unserem Marktgebiet, das neben dem Thurgau auch die angrenzenden Gebiete umfasst. Gerade Firmenkunden begleiten wir schon seit vielen Jahren auch in benachbarte Wirtschaftsräume. Aber unser Ziel ist es nicht, in Zürich eine Geschäftsstelle zu eröffnen.
Thomas Koller ist seit August 2011 Mitglied der Geschäftsleitung der Thurgauer Kantonalbank und seit 2019 Vorsitzender des Gremiums. Der 55-jährige Betriebswirtschafter und Bankfachmann führt den Bereich Banksteuerung. Vorher zeichnete er für das Privatkundengeschäft verantwortlich. Thomas Koller kam von Raiffeisen zur TKB, er führte zuletzt die Raiffeisenbank im Raum Flawil. Vor dieser Zeit übte er verschiedene leitende Funktionen bei Raiffeisen Schweiz in St. Gallen aus. Unter anderem entwickelte er Beratungs- und Vertriebskonzepte in den Bereichen Vermögens- und Vorsorgeplanung. Nach der Banklehre sammelte Thomas Koller erste Berufserfahrungen beim damaligen Schweizerischen Bankverein in Wil SG. Hier war er an verschiedenen Orten im Anlagegeschäft für Private und Firmen tätig. Thomas Koller ist Vater von drei erwachsenen Kindern. Privat zieht es ihn gerne in die Natur, zum Skifahren, Biken oder Wandern.
Wie beurteilen Sie als Chef einer Kantonalbank momentan das Verhältnis innerhalb der Kantonalbanken? Gibt es da einen regelmässigen Austausch oder ist es tatsächlich eher ein starkes Konkurrenzieren?
Grundsätzlich haben wir ein sehr gutes Verhältnis unter den Kantonalbanken. Es kann punktuell mal zu einer Konkurrenzsituation kommen – dort, wo sich das Einzugsgebiet überlappt. Im Kantonalbanken-Verband bündeln wir gemeinsame Interessen und treiben übergeordnete Themen voran, zum Beispiel die Initiative Financemission zur Stärkung der Finanzkompetenz von Jugendlichen. TKB-seitig arbeiten wir seit vielen Jahren immer wieder individuell mit anderen Kantonalbanken zusammen.
Von der ZKB etwa beziehen wir das Research im Anlagebereich oder arbeiten im Konsortialgeschäft mit ihr zusammen. Das wird jetzt umso wichtiger, weil es die CS nicht mehr gibt.
Und weshalb beziehen Sie das genau von der ZKB?
Zum einen hat die Bank von ihrer Grösse her das entsprechende Angebot. Im Bereich Research kann sie uns in deutscher Sprache beliefern.
Zum anderen hat die ZKB eine ähnliche Kultur wie wir. Sie versteht unsere Bedürfnisse und die Bedürfnisse unserer Kunden und Kundinnen. Wir arbeiten aber auch mit anderen Kantonalbanken zusammen.
Die TKB profitierte letztes Jahr vom guten Zinsjahr. Welche Alternativen gibt es dazu?
Wir wollen unsere Positionierung im Anlagegeschäft noch weiter stärken. Im Bereich Vermögensverwaltung haben wir das Angebot in den letzten Jahren ausgebaut, was sich positiv auf die Ertragslage auswirkt. Auch Nischenangebote wie Brokermarket helfen, die Ertragsbasis zu verbreitern.
Was beschäftigt die Kunden und Kundinnen der TKB zurzeit am meisten?
Das ist sehr individuell. Oben auf der Agenda sind aber sicher – insbesondere im Firmenkundengeschäft – das Zins- und das konjunkturelle Umfeld. Wenn dieses mit Unsicherheiten behaftet ist, schätzen Kunden ganz besonders die persönliche und umfassende Beratung und unsere Verlässlichkeit; gerade bei wesentlichen Lebensereignissen.
Auf der anderen Seite haben sie hohe Ansprüche an digitale Angebote, die intuitiv zu bedienen sind und die sie rund um die Uhr nutzen können.
Und natürlich werden Zinsen und Gebühren viel stärker verglichen als früher. Das spüren wir auch. Wir haben als eine der ersten Banken sämtliche Kontoführungsgebühren abgeschafft; für Privatpersonen, Geschäftskunden und auch Vereine.
Wenn Sie sagen, der Vergleich kommt vor, heisst das, dass man vom lokalen Bonusfaktor gar nicht mehr ausgehen kann? Dass jemand, der im Thurgau wohnt, nicht automatisch als erste Anlaufstelle eine TKB hat, sondern dass eigentlich der Konkurrenzkampf durch das ganze Onlinebanking deutlich grösser geworden ist?
Nein, das nehme ich nicht so wahr. Ich glaube, die Kunden und Kundinnen schätzen die regionale Verankerung und vergleichen in erster Linie die Banken in der gleichen Stadt, im gleichen Dorf. Aber auch dort werden die Onlinekanäle natürlich verglichen.
- Gründungsjahr: 1871
- Bilanzsumme: 33 Mrd. Franken
- Anzahl Kunden und Kundinnen: 220’000
- Verbreitungsgebiet/abgedeckte Region: Thurgau und angrenzende Gebiete
- Rechtsform: öffentlich-rechtliches Bankinstitut
- Was ist an Ihrer Bank im Vergleich zu anderen Banken speziell?: Sie zählt zu den bedeutendsten Arbeitgebern im Kanton, bildet zahlreiche Lernende aus und engagiert sich als Sponsorin und Mäzenin für Sport, Kultur und Gesellschaft im Thurgau.
Wenn Sie auf Ihre Zeit als CEO schauen oder auf das, was Sie noch als CEO vorhaben, wohin wollen Sie die TKB dann führen? Was ist Ihr Siegel, das Sie der Bank aufdrücken wollen?
Sicherlich möchte ich zusammen mit dem TKB-Team unsere Strategie umsetzen. Mir ist zudem wichtig, dass wir im Ganzen unsere Vision «Mehr als eine Bank» leben und verankern. Bei der TKB geht es uns nicht nur ums Geld, sondern wir engagieren uns übers Bankgeschäft hinaus für Wirtschaft und Gesellschaft in unserer Region.
Darf man denn einem Bank-CEO glauben, wenn er sagt, es gehe nicht nur ums Geld?
Ja, denn wir informieren transparent über unser Engagement. Wir machen viel für die Region und übernehmen Verantwortung für Mitarbeitende. Ich glaube, auch die Kunden und Kundinnen schätzen das.
Was ist denn ein solcher Wert, den eine Kantonalbank vertritt und den eine Privatbank vielleicht nicht vertritt?
Bei uns steht zum Beispiel der Teamgedanke im Vordergrund, nicht eine Bonuskultur. Das zeichnet uns auch als Arbeitgeberin aus. Darum sage ich immer wieder, wir sind mehr als nur eine Bank.
Die Gewinnmaximierung im Banking führt ja immer wieder zu Dysfunktionen im System. Wäre eine skandalfreie und gerechte Zukunft im Banking vielleicht durch ein stärkeres Dasein von Regionalbanken möglich?
Das ist eine schwierige Frage. Als Kantonalbank ist für uns die regionale Verankerung zentral und sinnstiftend. Im TKB-Gesetz ist unter anderem festgehalten, dass wir in sozialer Verantwortung die wirtschaftliche Entwicklung im Kanton fördern. Diesen Auftrag nehmen wir vielfältig war. Damit geht auch eine grosse Verantwortung einher.
Wir konzentrieren uns auf Geschäftsfelder, die zu unserer Rolle passen. So sind wir nicht im Investmentbanking tätig und haben keinen Eigenhandel.
Um zum Abschluss: Zwei von 24 Kantonalbanken sind von Frauen geführt. Eine Amtskollegin von Ihnen, Susanne Thellung, die Chefin der Schwyzer Kantonalbank, sagte im HZ-Banking-Interview bezogen auf die Frage nach der Gleichstellung: «Natürlich bleibt jeder Bank die Hoheit über ihre eigene Personalentwicklung.» Wie ist das bei der TKB? Und was halten Sie für den Grund für dieses Ungleichgewicht?
Das hat vielfältige Gründe und hängt auch mit den Eigenheiten der Branche zusammen. Es braucht das gemeinsame Engagement von Wirtschaft und Gesellschaft, um hier weiter voranzukommen. Und auch Zeit. Noch vor wenigen Jahren hatten wir bei Stellenbesetzungen kaum Bewerberinnen, obwohl wir explizit Frauen angesprochen hatten. Bei der TKB konnten wir die Zahl der weiblichen Führungskräfte dennoch stetig steigern. Eine wichtige Rolle spielen moderne Arbeitsbedingungen, die eine möglichst hohe Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben gewährleisten sollen, was übrigens auch für Männer immer wichtiger wird.