«Ganz gleich, welche Entscheidung getroffen wird: Wir müssen das Defizit reduzieren», mahnte Villeroy am Donnerstag im Radiosender Franceinfo. Im September soll das neue Parlament über den Haushalt des Landes abstimmen. Der Mitte-Regierung unter Präsident Emmanuel Macron ist es bislang nicht gelungen, die ausufernde Staatsverschuldung einzudämmen. Für 2024 wird ein Defizit von 5,3 Prozent der Wirtschaftsleistung erwartet. Die EU-Schuldenregeln sehen eine Obergrenze von drei Prozent vor.
Die von Macron nach dem Sieg des rechten Rassemblement National (RN) bei der Europawahl anberaumten vorgezogenen Parlamentswahlen vom Sonntag haben unklare Mehrheitsverhältnisse gebracht: Es stehen sich drei politisch unterschiedliche Blöcke gegenüber, wobei sich kein klarer Weg zur Bildung einer Regierung abzeichnet. Die Neue Volksfront (NFP), ein Bündnis aus der linkspopulistischen Partei «Das Unbeugsame Frankreich» (LFI), den Sozialisten, Grünen und Kommunisten, gewann bei dem Urnengang unerwartet die meisten Mandate, verfehlte eine absolute Mehrheit aber klar.
Macron regt Koalitionsregierung an
Macron hat Regierungschef Gabriel Attal gebeten, vorerst Ministerpräsident zu bleiben, um die Stabilität des Landes zu gewährleisten. Zugleich hat er die «republikanischen Werten» verbundenen Parteien zu einer Koalition aufgefordert, die eine «solide» Mehrheit zustandebringen könne. Macron schliesst damit implizit jede Beteiligung rechter oder linker Extreme aus - also ohne RN und LFI. Eine solche Allianz könnte theoretisch von den in Frankreich als nicht extrem angesehenen Kommunisten über das Mitte-Lager Macrons bis hin zu den konservativen Republikanern (LR) reichen. Letztere haben bislang allerdings erklärt, sie würden keiner Koalition beitreten. Koalitionen sind in der von starker Polarisierung geprägten Parteienlandschaft Frankreichs bislang weitgehend unbekannt.
Die NFP erhebt Anspruch auf den Posten des Ministerpräsidenten. Der Mehr-Parteien-Block war bislang jedoch nicht in der Lage, einen gemeinsamen Kandidaten vorzuschlagen. Laut LFI-Chef Jean-Luc Melenchon sollte der Ministerpräsident aus den Reihen seiner Partei kommen, doch die Sozialisten sind dagegen. Das Spitzenpersonal der NFP will sich bis Ende der Woche auf einen Namen einigen. (reuters/hzb/ps)