Immer mehr neue Fintech-Unternehmen beschäftigen sich mit Payment-Lösungen. Völlig neue Angebote und Services rund ums Bezahlen werden von diesen innovativen Unternehmen vorangetrieben und auf dem Markt etabliert. Für die Experten von EY war dies laut Alla Gancz Grund genug, sich sechs Monate lang intensiv mit dem Thema Paytech zu beschäftigen. Das Fazit: Der weltweite Markt werde regelrecht aufgemischt mit noch nie dagewesenen Möglichkeiten und Angeboten. Das Resultat der Analyse mündete in dem globalen Paytech-Report von Ernst & Young (EY) «The rise of PayTech – Seven forces shaping the future of payments» (Der Aufstieg der PayTechs – Sieben Kräfte, die die Zukunft des Zahlungsverkehrs prägen).
Der EY-Report ist zwar schon vor rund einem Jahr erschienen, doch er ist noch so aktuell wie damals. Alla Gancz, Payment Consulting Leader, bei Ernst & Young führte am Swiss Payment Forum in Zürich aus, wie ihre Studie dabei helfen soll, sich bietende Chancen durch Paytech (Zahlungstechnologie) besser abzuschätzen.
Der Strauss an Optionen ist bunt
Open Banking, Echtzeitzahlungen, grenzüberschreitende Zahlungen, «Buy now, pay later» (Jetzt kaufen, später zahlen), digitale Geldbörsen und Super-Apps, eingebettete Zahlungen sowie digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) und digitale Währungen bieten ein gewaltiges Potenzial für Zahlungsdienstleister auf der ganzen Welt. «Selbst wenn das Tempo einer Einführung sowie die Auswirkungen dieser einzelnen Paytech-Anwendungen von Markt zu Markt unterschiedlich sein mögen, so bedeutet doch jede einzelne von ihnen einen grundlegenden Wandel – und eine Chance», betonte Alla Gancz vor rund 200 Zuhörerinnen und Zuhörern am Swiss Payment Forum.
Paytechs werden Wandel vorantreiben
Es sei nun an den etablierten Zahlungsdienstleistern, bei der Einführung der nächsten Payment-Ära eine massgebliche Rolle zu spielen. Die sieben Bereiche – alle global relevant – veränderten den Zahlungsverkehr dramatisch, wie Gancz erklärt: Open Banking, Echtzeit-Zahlungsschienen (RTP), Buy now, pay later (BPNL), digitale Geldbörsen und Super-Apps, eingebettete Zahlungen, digitale Währungen und grenzüberschreitende Zahlungen.
Die Zukunft des Zahlungsverkehrs
Der vernetzte Handel ist der Motor der digitalen Wirtschaft. Neue Zahlungsangebote helfen dabei, Händler und Verbraucher direkt und auf die effizienteste Weise miteinander zu verbinden. «Dies führt in der Konsequenz zu schnelleren, günstigeren und auch wesentlich sichereren Zahlungsmethoden als bisher», meint Gancz.
Open Banking wird ein echter Game Changer sein, da viel mehr Akteure neue Zahlungsmethoden wie etwa variable wiederkehrende Zahlungen (VRP) abwickeln werden. Die Einführung von Echtzeit-Zahlungsschienen (Real Time Payment Rails, RTR) setze enorme Innovationen bei den Overlay-Diensten frei und ermögliche es allen Zahlungsdienstleistern, ihre Kunden durch Account-to-Account (A2A) besser zu bedienen. In der Folge beschleunigt das den Trend zu Open Banking.
Radikale Veränderungen durch Embedded Payment
Eingebettete Zahlungen (Embedded Payments) nehmen voraussichtlich zu, da Anbieter von Nicht-Finanzdienstleistungen Zahlungen in den Kundenverkehr integrieren. Angetrieben wird diese Entwicklung durch den Aufstieg von E-Commerce, Apps und Marktplätzen. Ausserdem verändere das Aufkommen innovativer Zahlungsvermittler (Payfacs) grundlegend die Art und Weise, wie Unternehmen, Acquiring-Banken und Kartennetze zusammenarbeiten.
Neue Paytech-Ökosysteme
«Es entstehen neue Paytech-Ökosysteme, die durch Zahlungstransaktionen generierte Daten von Verbrauchern und Händlern sicher speichern, verwalten und nutzen können», betonte Gancz. Dies wiederum ermögliche eine «radikale Datenmonetarisierung» und führe zu einzigartigen Kundenangeboten, die wir heute noch nicht alle erahnen können. Kryptowährungen und digitale Währungen bieten nicht nur neue Zahlungsmethoden, sondern auch eine neue Infrastruktur, die eine sofortige Abwicklung durch Distributed-Ledger-Technologie (DLT), Programmierbarkeit, intelligente Verträge und Tokenisierung ermöglicht. Der unvermeidbare Trend hat schon eingesetzt: «Grundsätzlich werden Zahlungen immer unmittelbarer und zudem in die Customer Journey eingebettet», so Gancz.
Sieben Kräfte bestimmen die Zukunft
Open Banking ist ein Wendepunkt für das Finanzökosystem. Denn Open Banking hat eine neue Bankzahlungsmethode und einen Rahmen für Innovationen bei der Zahlungsabwicklung geschaffen. Open Banking bietet zwar keine neuen Zahlungsschienen, schafft aber einen neuen Mechanismus für die Auslösung von Zahlungen. Durch Anwendungsprogrammierschnittstellen (APIs) können auf einfache Weise Einzelzahlungen ausgelöst werden. Das bietet mehr Flexibilität.
Die APIs, die es neben dem Open Banking gibt, haben auch das Potenzial von A2A-Zahlungen (Account to Account) freigesetzt, indem sie Barrieren beseitigen, die durch das stark fragmentierte Banksystem historisch entstanden sind. Das erleichtert den Zugang zu Zahlungsverkehrssystemen und die Einbettung einer A2A-Zahlung am Ort des Kaufs. Dadurch bekommen Kunden und Händler in Zukunft weitaus mehr Möglichkeiten.
«Die Open-Banking-Bewegung gewinnt weltweit an Dynamik und verändert die Art und Weise, wie Banken Geschäftsmodelle, Kundenkontakt und Serviceleistungen angehen», betont Gancz. Da digitale Erlebnisse immer wichtiger werden, bietet Open Banking den Unternehmen die Möglichkeit, ihre Kunden auf innovativere und intuitivere Weise zu bedienen.
Echtzeit-Zahlungen
Sogenannte Real-Time-Protokolle, kurz RTP, nutzen moderne Zahlungsschienen, um Geld in Echtzeit zu bewegen. Während die RTP-Infrastruktur die Zahlungslandschaft grundlegend verändert hat, wird der wahre Wert von RTP erst durch die Kombination mit Mehrwertdiensten deutlich. Dazu erwähnt Alla Gancz ein Beispiel aus Australien: Osko by BPAY ist der erste Mehrwertdienst, der über die New Payment Platform (NPP) eingeführt wurde. Verbraucher können anstelle einer Kontonummer einen Alias verwenden. Das kann eine E-Mail-Adresse oder auch eine Handynummer sein. Diese eine Angabe reicht, um Zahlungen auf der NPP zu veranlassen. Gemäss Gancz haben sich solche Dienste als wirksam erwiesen, um RTP-Netze zu skalieren.
Die Einführung von Echtzeit-Rails setzt enorme Innovationen bei Overlay-Diensten frei und ermöglicht es allen Zahlungsdienstleistern, Kunden durch A2A besser zu bedienen, was durch Open Banking noch verstärkt und beschleunigt wird. Finanzinstitute, Zahlungsverkehrsdienstleister, Paytechs und Fintechs würden von der Bereitstellung dieser Overlays profitieren, da sie nicht nur ihre Gewinne durch neue Einnahmequellen mit hohen Margen steigern. Auch das Transaktionsvolumen werde erhöht. «Das ist eine Win-win-Situation für alle Parteien im Ökosystem», so Gancz.
Schneller und billiger grenzüberschreitend zahlen
Grenzüberschreitende Zahlungen sind heute langsam und verursachen höhere Transaktionsgebühren als solche im Inland. Weltweit streben Regulierungsbehörden eine Modernisierung dieser Zahlungen an. Auch viele Paytechs arbeiten mit Hochdruck an neuen Geschäftsmodellen für grenzüberschreitende Zahlungen. Anbieter beginnen das Potenzial von digitalen Vermögenswerten, Kryptowährungen und DLT-Technologien zu erkennen. In der Folge werden Clearing- und Abwicklungsprozesse verbessert und umgestaltet.
G20 gibt Fahrplan vor
Die G20 hat einen Fahrplan zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs gebilligt, der vom Financial Stability Board (FSB) in Abstimmung mit dem Committee on Payments and Market Infrastructure (CPMI) und anderen relevanten Organisationen entwickelt wurde. Der Fahrplan enthält ein umfassendes Massnahmenpaket, das 19 vom CPMI identifizierte «Bausteine» in fünf Schwerpunktbereichen umfasst. Die in diesem Zusammenhang umzusetzende ISO-20022-Migration verbessere zudem die Qualität.
Jetzt kaufen, später bezahlen
Buy now, pay later (BNPL) ist eine neuere Zahlungsmethode, die eine sofortige Kreditentscheidung und Ratenzahlungsoptionen an der Verkaufsstelle bietet. Einzelhändler und Gewerbetreibende nutzen diese Kreditoption, um den Umsatz zu steigern, Kunden anzuziehen und den Abbruch von Einkäufen zu verringern. Und die Verbraucher entscheiden sich für BNPL wegen der Bequemlichkeit, der niedrigen Kosten und des vorhersehbaren Zahlungsplans.
Ursprünglich wurde BNPL für preisgünstige Modeeinkäufe verwendet. BNPL wird jetzt auch für den Einkauf, juristische Dienstleistungen und Autoreparaturen angeboten. «Für Banken ist BNPL eine Gelegenheit, einen neuen Kanal zur Förderung des Kreditwachstums zu erschliessen und noch enger mit Paytech-Partnern zusammenzuarbeiten», meint Gancz.
Digitale Geldbörsen und Super-Apps
Digitale Geldbörsen tragen dazu bei, die Gebühren für den Zahlungsverkehr erheblich zu senken, und bieten Kunden eine gute Übersicht über ihre Finanzen. Super-Apps gehen noch einen Schritt weiter und erfüllen nahezu alle Finanz-, Freizeit- und Lifestyle-Bedürfnisse ihrer Nutzer. «In der APAC-Region haben digitale Geldbörsen und Super-Apps im Vergleich zu Nordamerika und Europa, die immer noch stark auf Zahlungskarten und Kartennetze angewiesen sind, die grösste Verbreitung gefunden», weiss Gancz. Finanzinstitute können Paytech-Strategien anwenden, um den Kundenstamm zu erweitern. Hier winkt ein gutes Geschäft für Banken, meint Gancz: «Wir gehen davon aus, dass Banken die digitalen Geldbörsen weiter ausbauen und neue Dienstleistungen anbieten, um ihre Nutzerbasis zu vergrössern.»
Eingebettete Zahlungen
Eingebettete Zahlungen werden mit Geschäftsmodellen in Verbindung gebracht, bei denen Unternehmen, die keine Finanzdienstleistungen anbieten (z.B. Uber oder Shopify), ihren Geschäftskunden Zahlungsfunktionen zur Verfügung stellen.
Eingebettete Zahlungen sind daher bei Geschäftsmodellen wie Plattformen und Marktplätzen weit verbreitet. Paytechs spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung der Akzeptanz. Die EY-Analyse hat ergeben, dass eingebettete Zahlungen massiv zunehmen werden. Dies geschehe parallel zum Angebot von Nicht-Finanzdienstleistern und der Integration von Zahlungen in die Customer Journey.
Digitale Währungen und die Zukunft des Geldes
Digitalwährungen und CBDCs gewinnen an Dynamik und stehen ganz oben auf der Agenda von Zahlungsdienstleistern. «Der volle Nutzen von Distributed-Ledger-Technologie (DLT) wird sich aus der Tokenisierung, der Programmierbarkeit und den intelligenten Verträgen ergeben», betonte Gancz in Zürich. Der ultimative Nutzen digitaler Währungen wird in sofortiger Abrechnung, erhöhter Automatisierung, mehr Transparenz und Effizienz durchschlagen, zeigt sich die EY-Managerin überzeugt. Neue Geschäftsmodelle würden durch die «Programmierbarkeit des Geldes» erst ermöglicht.
Krypto- und Digitalwährungen bieten nicht nur neue Zahlungsmethoden, sondern auch eine neue Infrastruktur, die eine sofortige Abwicklung durch DLT, Programmierbarkeit, intelligente Verträge und Tokenisierung ermöglicht. «Wir gehen davon aus, dass die Akzeptanz von digitalen Währungen bei Banken, Händlern und Regulierungsbehörden zunehmen wird.»