Der schnellste Zinsanstieg seit vier Jahrzehnten schafft mit seinen Auswirkungen möglicherweise das beste Umfeld für Private-Credit-Anlegende seit der Finanzkrise.

Die Gastautoren: Kristofer Kraus und Jamie Weinstein, Portfoliomanager von Pimco.

Angesichts von Liquiditätsengpässen, regulatorischen Kontrollen und höheren Kostenstrukturen sind die Banken auf dem Rückzug. Deutlich höhere Zinsen haben die Kosten für Kredite in die Höhe getrieben, überschüssige Liquidität in der gesamten Wirtschaft beseitigt und mehr Sparerinnen und Sparer dazu veranlasst, ihre Ersparnisse auf Konten zu übertragen, die mehr Zinsen versprechen. Die erste massgebliche Reform der Bankenregulierung seit über einem Jahrzehnt, die – sofern sie durchgesetzt wird – im kommenden Jahr in Kraft treten soll, würde darüber hinaus die Kapitalanforderungen zu einer Zeit erhöhen, in der das Eigenkapital der Banken bereits äusserst knapp ist.

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Lücke bei der Kreditvergabe

Die ausbleibende Unterstützung der Banken hat eine Lücke an den Märkten für die Kreditvergabe hinterlassen, und privates Kapital konnte hier Abhilfe leisten. Es bietet den Banken eine stabile und längerfristige Finanzierungsquelle und hilft ihnen gleichzeitig, ihre Bilanzsumme insgesamt zu verringern.

Angesichts dieser neuen Dynamik muss nun bei der Beurteilung der Chancen am Private-Credit-Markt zwischen zwei Faktoren unterschieden werden:

Erstens gilt es, zwischen dem bestehenden Kreditangebot und der künftigen Herkunft von Krediten zu unterscheiden. Wir bei Pimco erwarten, dass das derzeitige Zinsumfeld einen Grossteil des bestehenden Kreditangebots unter Druck setzen wird, und zwar insbesondere die Kredite für Unternehmen und Gewerbeimmobilien, da sie einem Umfeld entstammen, in dem das Angebot reichhaltig und die Zinsen niedrig waren. Durch den Bankenrückzug ist der Wettbewerb jedoch an vielen Märkten gesunken, sodass neue Vergabemöglichkeiten entstanden sind und die Position für die verbleibenden Kreditgeber gestärkt wurde.

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Zweitens gilt es, zwischen dem technischen Druck auf die Banken aufgrund von Liquiditätsschwierigkeiten und dem fundamentalen Druck zu unterscheiden, der die Vermögenswerte selbst betrifft. Die Bilanzen der Verbraucherinnen und Verbraucher haben sich als erstaunlich solide erwiesen, da sie bei ihren Hypotheken von historisch niedrigen Zinsen profitiert haben.

Schwäche bei Unternehmenskrediten

Viele Unternehmen haben höher verzinste Anleihen ausserdem durch die Ausgabe langfristiger festverzinslicher Anleihen mit niedrigem Kupon refinanziert. Während die Banken also in verschiedenen vermögensbasierten Finanzbereichen, die jedoch sowohl durch Sicherheiten der Verbraucherinnen und Verbraucher als auch durch verbraucherunabhängige Sicherheiten abgesichert sind, unter Liquiditätsdruck stehen, sind die Fundamentaldaten der Vermögenswerte selbst eigentlich recht robust.

Im Gegensatz dazu macht sich allmählich eine fundamentale Schwäche bei den Unternehmenskrediten bemerkbar: Hier haben Unternehmen mit hoher Fremdkapitalaufnahme Schwierigkeiten, variabel verzinste Zahlungen zu leisten oder bevorstehenden Kreditfälligkeiten nachzukommen. Wir bei Pimco sind der Ansicht, dass dieser Stress zunehmen und sich ausweiten wird, wenn die Fiskalpolitik restriktiver wird und die Konjunktur sich abschwächt, wodurch wiederum Chancen für Private-Credit-Anlegende entstehen können.

Chancen bei Immobilienfinanzierungen

Auch die Immobilienmärkte sind mit einzigartigen Herausforderungen konfrontiert: Bis 2025 werden in den USA und in Europa gewerbliche Immobiliendarlehen in der Höhe von 3,6 Billionen Dollar fällig, wobei viele möglicherweise nicht für eine Verlängerung infrage kommen. (1) Neben den Banken sind noch weitere Kreditgeber weggefallen, die in der Regel für Finanzierungen zur Verfügung standen. Hierzu zählen börsennotierte Emittenten von Hypotheken-REITs und CMBS (Commercial Mortgage-Backed Securities), die derzeit ihre eigenen Schwierigkeiten bewältigen müssen. Aus diesem Grund rechnen wir damit, dass die Chancen im Bereich der Immobilienkredite gemessen an Immobilienaktien über den Anlagezyklus hinweg überdurchschnittlich gross bleiben werden.

Auswirkungen auf Anlagen

Da die Nachfrage nach Kapital das Angebot übersteigt, können Anleger und Anlegerinnen von der Kombination aus liquiditätsbasierten Chancen im Bereich Private Credit und komplexeren Transaktionen profitieren, mit denen die Herausforderungen in Bezug auf die Kapitalstruktur für die Kreditnehmenden von Unternehmens- und Immobilienkrediten beseitigt werden. Hierbei ist es wichtig, die vielen verschiedenen Möglichkeiten im Bereich Private Credit, darunter Spezialfinanzierungen, Immobilien- und Unternehmenskredite, zu erfassen.

Ferner ist Geduld gefragt, da sich viele dieser Chancen erst in den kommenden Monaten und Jahren auftun werden, wenn die Vermögensinhaber Zeugen einer unsicheren Geldpolitik, einer möglichen Konjunkturabschwächung und erhöhter geopolitischer Spannungen werden. In dieser Anfangsphase des Stresszyklus bevorzugen wir eine Liquiditätserhöhung und bereiten uns gleichzeitig darauf vor, uns übertriebene Bewertungen und Verwerfungen zunutze zu machen.

Spezialfinanzierungen füllen Lücken

Spezialfinanzierungen in Form von besicherten Darlehen für Verbraucherinnen und Verbraucher und für kleine und mittlere Unternehmen gewannen nach der weltweiten Finanzkrise an Bedeutung, da sie die Liquiditätslücke gefüllt haben, die die Banken mit ihrem Rückzug in verschiedenen Sektoren, insbesondere bei Wohnimmobilienfinanzierungen, hinterlassen haben. Viele Kreditgeber von Spezialfinanzierungen sind jedoch auf kurzfristige, kostengünstige Bankkredite angewiesen (bezeichnet als «Warehouse Lending»), um ihre Darlehen zu finanzieren, sowie auf funktionierende Verbriefungsmärkte.

Angesichts des zuletzt vorherrschenden Liquiditätsdrucks haben regionale Banken diese Kredite zurückgefahren, und auch die Aktivität an den Verbriefungsmärkten war verhalten. Dies machte deutlich, wie gross der Bedarf von Spezialfinanzierern an diversifizierten Quellen für «stabiles» Kapital ist.

Die Nachfrage nach Spezialkrediten steigt

Für Private-Credit-Anlegerinnen und -Anleger sehen wir drei verschiedene Möglichkeiten, um Kapital bereitzustellen: Kreditvergabe an Banken – die noch immer Darlehen gewähren, jedoch in weitaus geringerem Umfang –, Kreditvergabe an andere Kreditgeber (ohne Banken) sowie direkt an Kreditnehmende. Zu den Sektoren, von denen wir am meisten überzeugt sind, zählen Wohnimmobilienfinanzierung, Solarfinanzierung und Renovierungskredite, Ausrüstungsfinanzierung sowie Flugzeugleasing. Die Preisgestaltung ist attraktiver geworden, da das verfügbare Bankkapital sinkt und die Nachfrage nach Spezialfinanzierungen steigt. Wir sehen hierin den Beginn eines vermutlich langfristigen Trends.

Der Sektor stellt somit eine interessante Gelegenheit dar und bietet potenziell höhere risikobereinigte Renditen als andere private Anlageklassen, wie private Unternehmenskredite und Aktien. Vor Hintergrund der aktuellen Ungewissheit in Bezug auf die Inflations- und Zinsentwicklungen kann die kürzere Laufzeit der Anlagen die Volatilität reduzieren, da das Kapital über einen längeren Zeitraum zurückgezahlt wird – statt in Form eines hohen Betrages bei Endfälligkeit. Des Weiteren ist aufgrund der verschiedenen Arten der Darlehen und der Darlehensnehmer eine potenziell umfassende Diversifizierung möglich, sodass die Anlagerenditen im historischen Vergleich eine niedrige Korrelation mit den Märkten, der Wirtschaft sowie untereinander aufweisen. (2)

3 Billionen Dollar für vorrangige Unternehmensdarlehen

Der Fremdkapitalanteil der Unternehmen ist deutlich gestiegen, insbesondere am Markt für vorrangige, variabel verzinsliche Darlehen: Sein Umfang hat sich seit der Finanzkrise auf nahezu 3 Billionen Dollar verdreifacht. (3) Vor allem das private Segment des Marktes dürfte unserer Ansicht nach stärker unter Druck geraten. Bei vielen Darlehensnehmern handelt es sich um kleinere, hoch verschuldete Unternehmen, die weniger Zugang zu den Kapitalmärkten haben und auf Konjunkturrückgänge empfindlicher reagieren. Die stark gestiegenen Zinsen könnten dazu führen, dass viele dieser Kreditnehmenden ohne Investment-Grade-Status Schwierigkeiten haben, die höheren Kosten für ihren Schuldendienst zu stemmen.

Anleihenverkauf wegen Bonität nötig?

Dieser fundamentale Stress für die Kreditnehmer und Kreditnehmerinnen könnte zu einem breiteren Liquiditätsengpass beitragen, der sich unserer Einschätzung nach noch verschärfen dürfte. Denn die Verwalter von Private-Debt-Fonds (direkte Kreditgeber), die in vorrangige Darlehen investieren, müssen ihre notleidenden Kredite aus den Sicherheitenpools entfernen, sodass den Banken im Rahmen der Kreditvergabe weniger Sicherheiten zur Verfügung stehen. Daher dürften mehr und mehr Fondsmanager gezwungen sein, notleidende Kredite mit einem erheblichen Abschlag zu verkaufen, um die Bonität zu verbessern, eine bestimmte Rendite für die Anlegenden aufrechtzuerhalten und langwierige sowie zeitintensive Umstrukturierungsprozesse zu vermeiden.

Wo traditionelle Liquiditätsquellen zunehmend wegfallen, können opportunistische Credit-Managerinnen einspringen, um erhebliche Liquiditätslücken zu schliessen, wobei sie höhere Spreads sowie strengere Regelungen einfordern können. Für die Anleger dürften sich dadurch in Zukunft vermehrt Chancen ergeben, um diese Darlehen entweder mit einem Abschlag zu erwerben oder Unternehmen direkt mit flexibleren Darlehen und Kapitalstrukturen zu refinanzieren.

Erhebliche Probleme bei Gewerbeimmobilien

Am Markt für Gewerbeimmobilien beobachten wir erhebliche Verwerfungen, wie dies zuletzt während der weltweiten Finanzkrise der Fall war. Die Fundamentaldaten haben dem jedoch bisher weitgehend standgehalten – mit Ausnahme des Bürosektors. Natürlich sind die aktuellen Verwerfungen eine Folge der Kapitalmarktentwicklungen. Die steigenden Zinsen haben die Bewertungen belastet, eine anhaltende Volatilität an den Finanzmärkten ausgelöst und die Liquidität im Bereich Private Debt und Aktien verringert.

Derzeit ergeben sich neue Chancen für Private-Credit-Anlegerinnen sowohl im Bereich Public als auch Private Debt, angefangen bei störungsfreien bis hin zu notleidenden Krediten. Wichtig ist, dass die aktuelle Dynamik den Kreditgebern die Möglichkeit bietet, mit höherwertigen Sicherheiten besicherte Kredite zu vergeben und zu erwerben. Darüber hinaus profitieren sie von strengeren Bedingungen und niedrigeren Beleihungsquoten, bei einem höheren Gesamtrenditepotenzial.

Bei den störungsfreien Krediten sehen wir derzeit einen plötzlichen Anstieg bei Übergangskrediten beziehungsweise Darlehen für Projekte in der Vermietungs-, Sanierungs- und Bauphase. Diese generieren aktuell Renditen im hohen einstelligen bis zum niedrigen zweistelligen Bereich, wobei die Verschuldung moderat ist und in einigen Fällen sogar ausbleibt. Ausserdem verkaufen Banken störungsfreie Darlehen mit attraktiven Abschlägen, um die Liquidität und die Kapitalquoten zu steuern und künftige potenzielle Probleme zu antizipieren. Auch weniger ordnungsgemäss bediente Kredite oder solche, bei denen die Bank von Schwierigkeiten bei Fälligkeit ausgehen, werden derzeit veräussert.

Auch beim Sanierungskapital haben wir sowohl auf der Ebene der Vermögenswerte als auch der Holdinggesellschaften einen steigenden Bedarf beobachtet. Dies schafft attraktive Möglichkeiten für Überbrückungskapital in Form von Vorzugs- und Mezzanine-Finanzierungen.

Fazit

Wir bei Pimco beobachten derzeit ein Umfeld, auf das wir als Private-Credit-Anleger gewartet haben. Das beispiellose Zinserhöhungstempo und die daraus resultierende Volatilität bieten aktuell zahlreiche Chancen an den liquiden öffentlichen Märkten. Auch im Privatbereich tun sich allmählich in den Marktsegmenten Gelegenheiten auf, in denen das Underwriting nachlässig behandelt wurde. Die kommenden Jahre sind unserer Ansicht nach für den Privatbereich äusserst vorteilhaft in Bezug auf eine breite Spanne an Anlegerzielen. Da die Nachfrage nach Kapital das Angebot übersteigt, müssen Anlegerinnen und Anleger unseres Erachtens keine grossen Risiken eingehen, um attraktive Renditen zu erzielen. (Pimco/hzb/pg/ajm)


1) Fälligkeitsdaten für gewerbliche Immobiliendarlehen in den USA: Morgan Stanley; Fälligkeitsdaten für britische und europäische gewerbliche Immobiliendarlehen: JLL.
2) Preqin, Stand vom 30. Juni 2023.
3) S&P LCD (Leveraged Commentary & Data) per 31. Dezember 2022.