Die genossenschaftlichen Raiffeisen-Banken, Nummer drei der Schweiz, dürfte wegen der Zinswende Druck auf die Zinsmarge bekommen. Denn ein Grossteil der vergebenen Hypotheken hat einen festen Zins, bei den Einlagen - der wichtigsten Refinanzierungsquelle - steigen aber die Zinsen.
2022 hat Raiffeisen solide gewirtschaftet, der Jahresgewinn legte um fast 11 Prozent auf 1,18 Milliarden Franken zu. Doch strategisch kommt die Gruppe nicht so recht vom Fleck, denn die Abhängigkeit vom Zinsergebnis ist zuletzt wieder leicht gestiegen.
Die Raiffeisen ist mit einem Marktanteil von stabil 17,6 Prozent Marktführerin im Schweizer Hypothekarmarkt. Dieser Erfolg ist ein Erbe der sonst wenig ruhmreichen Ära des früheren Chefs Pierin Vincenz, der im ultratiefen Zinsniveau eine Chance sah und seine Raiffeisen-Bank einem aggressiven Wachstumskurs verschrieb.
Das Erbe der Ära Vincenz
Vincenz’ Nach-Nachfolger Heinz Huber geht bei den Hypotheken nun seit Jahren vom Gas. Das Volumen ist mit 3,7 Prozent so stark wie der Markt gewachsen, mittlerweile hat die Raiffeisen die Marke von 200 Milliarden Franken bei den Hypothekenkrediten überschritten.
Huber will Raiffeisens Abhängigkeit vom Zinsgeschäft lockern. Er setzt daher auf den Ausbau des Anlagegeschäfts, das Kommissions- und Dienstleistungserträge abwirft und das nicht am Zinsniveau hängt. Dieser Bilanzposten legte 2022 beim Ergebnis mit einem Plus von gut 10 Prozent auch am stärksten zu, bleibt aber absolut mit 591 Millionen Franken im Vergleich zu den Zinseinnahmen weiterhin eher klein.
Das Zinsergebnis ist um 7 Prozent auf knapp 2,6 Milliarden Franken angestiegen. Die Folge: Verdiente die Raiffeisen 2021 noch 71 Prozent im Zinsgeschäft, waren es im vergangenen Jahr schon wieder 73 Prozent. Trotz Erfolgen beim Ausbau des Anlagegeschäfts bleibt die Raiffeisen stark vom Zinsergebnis abhängig.
Refinanzierung wird teurer
Und hier drohen in Zukunft Probleme: Denn von den gut 200 Milliarden Franken Hypotheken sind rund 80 Prozent Hypotheken mit festen Zinssätzen. 50 Prozent der Hypotheken haben eine Laufzeit von länger als drei Jahren, sagte Finanzchef Christian Poerschke auf der Medienkonferenz.
Sprich, im Kreditbuch kann Raiffeisen kaum an der Preisschraube drehen, die Zinssätze sind fest. Wegen der steigenden Leitzinsen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) hat aber auch Raiffeisen die Sparzinsen auf Einlagen angepasst. Da Raiffeisen 95 Prozent der Hypotheken mit Kundeneinlagen refinanziert, wird also die Refinanzierung teurer. Das drückt die Zinsmarge.
Raiffeisen-Chef Heinz Huber blieb hier etwas vage: «Man wird sehen, wo sich das einpendelt», sagte er vor den Medien. Finanzchef Poerschke erklärte auf Nachfrage: «Ich erwarte eine stabile Zinsmarge.»
Das schwierige Börsenumfeld hat zudem auch im Anlagegeschäft Spuren hinterlassen. So ist das Nettoneugeld der verwalteten Kundenvermögen um 44 Prozent auf noch 8,1 Milliarden Franken gesunken. Auch die Zahl der neu eröffneten Depots hat sich verlangsamt. Wurden 2021 noch 268 neue Depots am Tag eröffnet, waren es im vergangenen Jahr nur noch 158 pro Tag. «Heute ist die Raiffeisen auch eine Anlagebank», wird Huber trotzig in der Medienmitteilung zitiert.
Ein Erfolg war die Ausgründung der Stadtniederlassungen wie Zürich, Basel und Winterthur, die früher zur Raiffeisen Schweiz gehörten und nun eigenständige Genossenschaftsbanken sind. Über 47’000 Menschen haben im Zuge dieser Ausgründung Genossenschaftsanteile gezeichnet. Damit stieg die Zahl der Kreditgenossen auf über zwei Millionen. Im Jahr 2000 waren es noch 900’000.
Auch die Ausgründung ist ein Erbe der Ära Vincenz. Denn mit den Einnahmen der Stadtniederlassungen konnte Vincenz teure Zukäufe tätigen – bei denen er selbst heimlich mitverdiente, wie der Strafprozess gezeigt hat. Zudem machte die Raiffeisen Schweiz mit den eigenen Bankniederlassungen ihren Mitgliedern Konkurrenz. Nun ist die Raiffeisen Schweiz auf Zentralfunktionen wie Marketing oder Risikokontrolle zurechtgestutzt.
Die Zahl der Standorte sinkt weiter
Mit Blick nach vorn will die Raiffeisen in Sachen Digitalisierung vorwärtsmachen. Bis 2025 sollen alle digitalen Services in einer neuen App auch über den mobile Kanal zur Verfügung stehen. In diesem Jahr will die Raiffeisen ermöglichen, dass neue Kundinnen und Kunden ihr Konto digital eröffnen können, also ohne einen Filialbesuch.
Eine eigene, günstige digitale Produktlinie hat Raiffeisen bisher nicht im Angebot. Auf die Frage, ob Raiffeisen reine online-Kunden einen Preisvorteil einräumen wolle, sagte Huber, dass «wir diese Frage zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.»
Die Digitalisierung im Bankwesen hat auch bei der Raiffeisen Spuren bei der Zahl der Standorte hinterlassen: Verfügte die Bankengruppe 2021 noch über 820 Standorte, sank die Zahl im vergangenen Jahr auf 803. Vor fünf Jahren waren es noch 880 Standorte.