Von der Schaltereröffnung der ersten Raiffeisenkasse in Bichelsee im Kanton Thurgau im Jahr 1900, über die Gründung des Schweizer Verbands der Raiffeisenkassen im Jahr 1902, bis hin zur Digitalisierung des Bankgeschäfts, werden auf dem neuen Webauftritt einzelne Stationen der Genossenschaftsbank dokumentiert, wie Raiffeisen Schweiz am Donnerstag in einer Mitteilung schreibt.. 

Noch heute steht am Gründungsort der ersten Raiffeisenkasse eine Geschäftsstelle der Raiffeisenbank am Bichelsee. Bereits drei Jahre nach deren Gründung riefen zehn Raiffeisenkassen 1902 den Schweizer Verband der Raiffeisenbanken ins Leben. Schnell weitete sich das Netzwerk an Raiffeisenkassen auf die ganze Schweiz aus – 1906 wurde die erste Raiffeisenkasse in der Westschweiz, 1923 im Tessin gegründet. Heute ist Raiffeisen die zweitgrösste Bankengruppe der Schweiz und verfügt mit 219 Raiffeisenbanken und 784 Geschäftsstellen über das dichteste Bankstellennetz in der ganzen Schweiz. Mittlerweile sind über zwei Millionen Personen Mitglied einer Raiffeisenbank und über 3,6 Millionen sind Kundin oder Kunde.

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Forschungslücke geschlossen

Die Raiffeisen Gruppe in der Schweiz basiert – wie andere Raiffeisenbanken in Europa – auf der genossenschaftlichen Bewegung in Deutschland von Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818 bis 1888). Auf der Themenseite findet sich deshalb auch ein Exkurs zum Sozialreformer. Es gab in der Vergangenheit Hinweise auf antisemitische Positionen von Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Um zu klären, ob diese Positionen auch die Schweizer Raiffeisenorganisationen beeinflussten, hat Raiffeisen Schweiz einen unabhängigen Forschungsbericht beim Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich in Auftrag gegeben. Unter der Leitung von Dr. Gregor Spuhler untersuchte das Forschungsteam die Geschichte der Raiffeisenbewegung in der Schweiz von den Anfängen bis 1950 mit den beiden Fokusthemen «Antisemitismus» und «Raiffeisen zur Zeit des Nationalsozialismus». In diesem Zusammenhang wurden Friedrich Wilhelm Raiffeisens Äusserungen über Jüdinnen und Juden und sein Einfluss als Sozialreformer und Impulsgeber für die Schweizer Raiffeisenbewegung untersucht.

Der Forschungsbericht zeigt, dass Friedrich Wilhelm Raiffeisen sich zwar antisemitischer Formulierungen, Stereotype und Ausdrücke bediente und insbesondere den angeblichen «jüdischen Wucher» anprangerte, sich aber um 1880 vom politischen Antisemitismus deutlich distanzierte. Auch Schweizer Raiffeisen-Vertreter übernahmen das Stereotyp des «jüdischen Wuchers» und die Erzählung, Friedrich Wilhelm Raiffeisen habe die deutschen Bauern von der Ausbeutung durch «die Juden» befreit. Zudem hatten gemäss Forschungsbericht manche katholisch-konservative Sozialreformer, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Raiffeisenkassen in der Schweiz propagierten, heftige antisemitische Vorurteile.  Es fanden sich jedoch keine Hinweise darauf, dass Antisemitismus im Bankgeschäft der Schweizer Raiffeisenorganisationen eine Rolle spielte. Auch die Idee der Genossenschaftsbank von Friedrich Wilhelm Raiffeisen gründete nicht in der Verfolgung antisemitischer Zwecke. Durch die damalige Gründung von Kreditgenossenschaften nach dem Modell Raiffeisen konnten Anfang des 20. Jahrhunderts unterversorgte Regionen erfolgreich und selbstorganisiert mit Bankdienstleistungen versorgt werden.

Mit dem Forschungsbericht und dem Fokus auf Antisemitismus hat Raiffeisen Schweiz eine Forschungslücke geschlossen, was zu einer transparenteren Darstellung der Geschehnisse beiträgt, und eine differenzierte Betrachtung ermöglicht. Die Raiffeisen Gruppe distanziert sich von den antisemitischen Äusserungen ehemaliger Exponenten. 

Der Forschungsbericht wird der Öffentlichkeit uneingeschränkt zugänglich gemacht. (pd/hzb/ps)

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