Die von der UBS über Nacht in den USA publizierten Zahlen zeigen: Die Übernahme der unrentablen Credit Suisse führt bei der UBS zu einem Rekordgewinn: Rund 35 Milliarden Dollar werden bei der Fusion als Nebeneffekt der Konsolidierung abfallen. Das Zauberwort heisst «Badwill».
Badwill? Den meisten dürfte der Fachausdruck neu sein, denn allzu oft kommt dieser bei Fusionen – erst recht in dieser Grössenordnung – nicht vor. Badwill ist das Gegenstück zu Goodwill. Aber auch das nur nur beschränkt.
Wie entsteht der Badwill im Falle der UBS? Relativ einfach: Die Grossbank bezahlt – zumindest buchhalterisch – einen kleinen Preis für die Credit Suisse, indem sie die CS-Aktionäre mit eigenen Aktien entschädigt, die sie bereits in ihren Büchern hält. Im Gegenzug erhält sie das ganze Eigenkapital, das heute in der Credit Suisse steckt. Ein vermeintlich sicheres Geschäft.
In Zahlen: Ende 2022 hielt die Credit Suisse Eigenkapital von 48,8 Milliarden Dollar. Davon zieht die UBS einen grösseren Betrag direkt ab, weil sie Wertberichtigungen auf Teilen der Credit Suisse vornimmt und zusätzliche Rückstellungen für Rechtsfälle bildet. Sie nimmt also bereits Kosten vorweg, die voraussichtlich noch entstehen werden – oder entlässt die Luft aus der CS-Bilanz. Ebenfalls fliesst ein, dass im Rahmen der Übernahme bei der Credit Suisse sogenannte AT1-Anleihen abgeschrieben werden. Daraus erfolgt der Betrag von netto 34,8 Milliarden Dollar Badwill (oder «negativer Goodwill»).
Die UBS wird diesen Ertrag direkt als Gewinn verbuchen. Der Badwill wird aufgelöst, Spuren hinterlässt er in der Bilanz der neuen UBS-Gruppe nur in Form von höherem Eigenkapital, wie die UBS erklärt.
Der Unterschied zu Goodwill
Etwas anders sieht der Fall aus, wenn Goodwill entsteht. Nehmen wir an, in der Credit Suisse gäbe es nur 10 Milliarden Eigenkapital, die UBS hätte jedoch 20 Milliarden dafür bezahlt. Buchhalterisch entsteht dann ein Loch in der Bilanz, das mit dem Goodwill gestopft wird. Man argumentiert, die Firma sei eigentlich mehr wert als die Bilanz abbilde, daher auch der Ausdruck «Goodwill».
Diese Differenz zwischen Kaufpreis und übernommenen Bilanzpositionen erklärt sich zumeist mit dem Wert der gekauften Marke oder dem Wert von Patenten oder Kundenbeziehungen – also sogenannten «immateriellen Werten». Werte die zwar unterstellt werden, aber in der Bilanz bislang nicht abgebildet sind.
Den so kreierten Goodwill lässt man so lange in der Bilanz stehen, bis man zur Einsicht kommt, dass er nicht mehr gerechtfertigt ist – etwa, weil sich die Übernahme als verlustbringend erwiesen hat oder wenn die übernommene Einheit geschlossen wird. Erst dann entsteht der Verlust auch in der Erfolgsrechnung. So wie jetzt, wenn die UBS alten Goodwill abschreibt, der noch in der CS-Bilanz steckt.
Wie Badwill bilanziert werden kann
Verluste aufsparen, Gewinne gleich verbuchen? Buchhalterisch sind Goodwill und Badwill nicht direkte Spiegelbilder. Theoretisch lassen die Buchführungsregeln von IFRS zwei Szenarien zu: Entweder man lässt auch den Badwill in der Bilanz stehen und löst ihn erst später auf, um den Gewinn mit Verlusten zu verrechnen. Oder man verbucht ihn direkt als Gewinn, so wie es die UBS hier tut.
Offiziell gibt es von der UBS keine Erklärung, weshalb die direkte Verbuchung gewählt wurde – oder gewählt werden musste. Die Vorteile liegen jedoch auf der Hand: Die UBS vermeidet so das Risiko, plötzlich mit zu wenig Eigenkapital dazustehen. Denn mit Blick auf die Eigenkapitalanforderungen birgt die Übernahme auch Risiken: Grössere Banken werden mit einem Malus bestraft, brauchen also überproportional viel Eigenkapital. Indem die UBS quasi das Maximum an Kapital aus der Übernahme generiert, sinkt das Risiko, plötzlich mit zu schlechten Kennzahlen dazustehen.
Und doch ist der riesige Gewinn mit Vorsicht zu geniessen, denn eines ist zwar absehbar, aber noch nicht verbucht: Die Tatsache, dass die Credit Suisse derzeit – und bis auf weiteres – Verlust schreibt. Vermutlich noch auf Jahre hinaus wird die Übernahme das laufende Geschäft belasten. Ein teil der nun generierten Gewinne wird dazu verwendet werden müssen, diese Verluste zu decken. Wie viel am Ende übrig bleibt, ist die spannende Frage, die heute noch niemand beantworten kann. Nicht einmal UBS-Chef Sergio Ermotti selbst.
1 Kommentar
Die CS hat im ersten Quartal einen operativen Verlust von 1.5 Mrd. gemacht. Es ist plausibel anzunehmen, dass dieser relativ bald reduziert werden kann, weil durchaus schon Synergien enstehen. Beispielsweise werden die Refinanzierungskosten durch die Übernahme gesenkt - wir sprechen da mutmasslich von ein paar hundert Millionen. Auch im Einkauf von Drittleistungen wird die UBS relativ schnell Synergien nutzen und Kosten senken können.
Wenn die CS im Schnitt pro Quartal die kommenden 2 Jahre 1 Mrd. operativen Verlust schreiben sollte, summierte sich das auf 8 Mrd. Demgegenüber stehen noch immer 35 Mrd. Badwill. Dazu kommt, dass die UBS Wertkorrekturen in der Höhe von 11 Mrd vornimmt, das sind letztlich Rückstellungen resp. stille Reserven, die mutmasslich sich grosszügig geschätzt sind. Weitere stille Reserven wurden gebildet über die Abschreiung des Goodwills auf den Markenwert der CS (1.5 Mrd).
Unter dem Strich: Die UBS wird aus dem Deal auf jeden Fall 20+ Mrd. netto herausholen, der Badwill ist so riesig, dass der Turnaround bei der CS nur einen Teil davon auffressen wird.
Die zentrale Frage, wie viel übrig bleibt, stellt sich vielmehr im Zusammenhang mit einer möglichen Klage wegen den AT1 Geldern. Dort allerdings frage ich mich, sollte das Bundesgericht, welches wohl in letzter Instanz hierfür zuständig wäre, zum Schluss kommen, die FINMA habe hier falsch gehandelt, wer dann eine allfällige Rückerstattung trägt - der Bund oder die UBS?