Wenn sie irgendwo etwas Neues aufbauen kann und dabei viel Gestaltungsfreiraum hat, dann fühlt sich Rula Ipsaryaris wie ein Fisch im Wasser. «Das zieht sich irgendwie durch meinen ganzen Lebenslauf», gesteht sie. Und der ist beachtlich – angefangen bei der kaufmännischen Lehre in einer Treuhandgesellschaft. «Buchhaltung ist wie Putzen: Wenn man beides gründlich macht, kennt man die ganze Firma bis in die letzte Ecke», sagt sie. Als ihr damaliger Chef sie im dritten Lehrjahr in alle Meetings geschoben hat, war ihr anfangs zwar etwas mulmig zumute, doch «ich bin geschwommen und habe überlebt», sagt sie und lacht.
Hingegen hatten die männlichen Kollegen bei ihrer zweiten Anstellung als Controlling- and Back-Office-Securities-Administratorin weniger zu lachen. Damals war sie die einzige Frau in der ganzen Zürcher Niederlassung, die keine Assistentin war. Wie selbstverständlich legten die Kollegen ihre Spesenquittungen einfach auf ihren Tisch. «Gehts noch!», dachte sie sich und packte alle Zettel in eine grosse Schachtel. Nach etwa drei Monaten kamen die ersten Nachfragen, wo denn die Spesenerstattungen blieben. Da hat sie den Kollegen die Schachtel vor die Nase gestellt und gesagt: «Ohne Spesenrapport gibt es keine Spesenauszahlungen.» Danach legte ihr keiner mehr irgendetwas einfach so aufs Pult.
Sich gegen andere durchzusetzen, hat sie früh gelernt, und zwar dank ihres griechischen Vaters. «Ich war eine Rebellin von Anfang an», sagt sie und bezeichnet es selbst als glücklichen Zufall, dass sie als Kind die meiste Zeit bei ihrer Grossmutter verbrachte, die sie als «eine sehr starke und furchtlose Frau» beschreibt. Denn die gerade erst eingewanderten Eltern waren jung und mussten arbeiten, also wurde die Oma in die Schweiz gebeten, um sich um die Kleine zu kümmern. Der Vater arbeitete als Bodenleger und noch während der Treuhand-Lehre «kündigte» sie ihm die Stelle, hatte bereits eine Lokalität gemietet, gründete für ihn die eigene Firma und sagte: «Du bist jetzt selbständig, du machst weiter wie bisher, einfach auf deine Rechnung, den Rest mache ich», und übernahm wie selbstverständlich die Buchhaltung und Administration für das Geschäft, das jetzt der Bruder in zweiter Generation weiterführt.
Der Vater habe es ja immer gut mit ihr gemeint, doch sie brauche Freiheit, erklärt sie. Was nicht ausschliesst, dass die Familie ihr das Wichtigste im Leben ist. «Ohne die familiären Bindungen, vor allem zu meinen Geschwistern, wäre ich nicht so resilient. Denn was auch passiert, wir können uns immer aufeinander verlassen», sagt sie.
Mit dieser Sicherheit im Rücken hat sie beruflich vorwärtsgemacht. Nicht weil sie unbedingt Karriere machen wollte, sondern weil sie attraktive Opportunitäten erkannt und genutzt hat. Und manchmal auch etwas riskiert hat. So auch bei einer Bank, als der Chef der Buchhaltung – heute würde man sagen «Chief Financial Officer» – gesundheitsbedingt ausfiel und sie gefragt wurde, ob sie ihn interimistisch vertreten könnte. Das tat sie so gut, dass die Neubesetzung lange auf sich warten liess. Für ihren Geschmack etwas zu lange. Nach mehrmaligem Druck offerierte man ihr dann zusammen mit einem Kollegen den Aufbau der Luxemburger Fonds. Aufgrund der Zusammenarbeit mit dem externen Revisor flatterte ein neues Jobangebot als Audit Manager von Coutts ins Haus, und als solche war Rula Ipsaryaris verantwortlich für die Schweizer und die internationalen Standorte vom Fernen Osten über Nordamerika, Frankreich und Österreich bis hin zur Isle of Man. «Das war sehr intensiv und fordernd», erinnert sie sich. Aber sie habe dabei sehr viel über das Portfoliomanagement und Trading dazugelernt, was letztlich auch eine weitere Grundlage für die nachfolgenden beruflichen Stationen im Asset-Management bei Julius Bär, State Street, Vontobel und Vanguard gelegt hat.
«Wenn ich etwas anpacke, dann mit vollem Einsatz und Passion», sagt sie. Ihre aktuelle Stelle als Head of Client Solutions Switzerland & Liechtenstein bei Aviva Investors hat sie seit 2020 inne. Die Aufgaben als Country Head beinhalten auch eine unternehmerische Komponente, die sehr wichtig für sie ist, wie sie sagt. Sie konzentriert sich auf Wachstumschancen für institutionelle und Wholesale Kunden in ihrer Region – und bis heute gibt es für sie jeden Tag neue Herausforderungen, die ihre Arbeit interessant machen.
Funktion: Head Client Solutions Switzerland & Liechtenstein
Familie: eine tolle griechische Familie
Ausbildung: CAS (Certificate of Advanced Studies) in Sales and Distribution Management der Universität Luzern, Treuhänderin mit eidgenössischem Fachausweis.
Karriere:
Rula Ipsaryaris ist seit über 30 Jahren im Finanzdienstleistungssektor tätig. Bevor sie zu Aviva Investors kam, arbeitete Rula Ipsaryaris als Senior Sales Executive und stellvertretende Leiterin Schweiz & Liechtenstein für Vanguard. Ihre Berufserfahrung sammelte sie in verschiedenen leitenden Positionen in der Treuhandbranche bei einem amerikanischen Broker, sowohl internationalen als auch Schweizer Privatbanken, sowie bei einer der weltweit grössten Vermögensverwalter.
Persönliches Motto: «Never give up, never surrender»