Der Umbruch im Paymentsektor verändert die Möglichkeiten für Händler, Finanzdienstleister und Kunden rasant. Trotz aller digitaler Innovation muss jedoch die Sicherheit aller Zahlungen stets gewährleistet sein. Was sind die realen Gefahren? Und wie sehen Zahlungsdienstleister den Paymentflow der Zukunft? Maike Hornung, Crypto Business Lead, Visa Europe, hat am Swiss Payment Forum in Zürich dazu Antworten gegeben.
Maike Hornung, Sie sind in Europa bei Visa für das Kryptogeschäft tätig. Inwiefern ist die Blockchain ein Beispiel dafür, wie Innovation und Sicherheit im Zahlungsverkehr Hand in Hand gehen?
Die Blockchain ist ein gutes Beispiel für das Spannungsfeld Innovation vs. Sicherheit. Bei Technologien, die noch am Anfang ihres Innovationszyklus stehen – und meiner Meinung nach sind wir bei Kryptos und der Blockchain noch in den Kinderschuhen, was dieses Thema angeht –, ist das Spannungsfeld besonders ausgeprägt.
Was ist die Innovation?
Auf der Innovationsseite ist klar: Die Technologie ermöglicht, dass Geld, Werte oder auch Rechte von einer Partei zur anderen Partei einfacher übertragen werden können. Das kann in Echtzeit und grenzüberschreitend passieren. Und – je nach Netzwerk, das man wählt – auch zu wesentlich geringeren Kosten. Dies ermöglichen sogenannte Smart Contracts, die weder smart noch Verträge sind, sondern eine automatisierte Form eines Datenaustauschs. Das ist die grosse Innovation der Blockchain-Technologie.
Was bedeutet das für die Sicherheit?
Auf der Sicherheitsseite sind die Blockchain-Netzwerke aufgrund ihrer dezentralen Struktur sicherer, da es keine zentrale Angriffsstelle gibt. Stattdessen bilden viele Computer einzelne Knotenpunkte im Netzwerk, die alle Transaktionen kontrollieren. Zur eigentlichen Transaktionsverifizierung werden Konsensusmechanismen eingesetzt. Sobald eine Transaktion der Blockchain hinzugefügt wird, kann diese nicht mehr rückgängig gemacht werden. Ausserdem ist die Transaktion nicht fälschbar.
Wo sehen Sie Entwicklungen, das Konfliktfeld zwischen Innovation und Sicherheit zu entschärfen?
Eine Innovation in diesem Bereich ist Account-Abstraction, eine Entwicklung aus dem Ethereum-Netzwerk. Das Konzept versucht, die Komplexität des Vorgangs durch eine technische Lösung zu abstrahieren. Konkret: Nutzerinnen und Nutzer können mit dem System interagieren, ohne sich mit technischen Details der Blockchain auseinandersetzen zu müssen. Alles läuft im Hintergrund ab.
Visa forscht intensiv darüber, wie wir in Zukunft bezahlen könnten. Welche Strategie verfolgt Visa bei Krypto-Payments?
Visa möchte allen Arten der Geldbewegung einen Mehrwert verleihen, sei dies inner- oder auch ausserhalb des Visa-Netzwerkes. Wir wollen als Brücke dienen, genauso wie wir es mit anderen Bezahlsystemen tun. Blockchain-Netzwerke verbinden wir mit unserem eigenen Visa-Netzwerk. So schlagen wir eine Brücke zwischen unseren 100 Millionen Händlern, 4 Milliarden Karteninhabern und über 15’000 Finanzinstituten.
Was bedeutet das konkret?
Wir fokussieren uns kurz- und mittelfristig auf mehrere Bereiche. Als Erstes möchten wir es den Konsumentinnen und Konsumenten leichter machen, mit ihrer Visa-Karte an der Krypto-Welt teilzuhaben, Kryptowährungen rsp. Assets zu kaufen. Ein weiterer Bereich betrifft Situationen im Kryptosystem selbst. Wenn jemand beispielsweise in einem Spiel einen In-Game-Token gewonnen hat, will er diesen Wert eventuell umwandeln. Dafür arbeiten wir mit vielen Kryptobörsen zusammen, die über siebzig Plattformen repräsentieren. Die Konsumentinnen und Konsumenten müssen sich nicht darum kümmern, wie sie ihr Kryptoguthaben wieder in eine Fiatwährung umwandeln können. Es ist ganz einfach: Die Kundschaft kann dann hierzu ihre Visa-Karte verwenden.
Welche Probleme können Stablecoins im Payment-Sektor lösen?
An Fiatwährungen gekoppelte Stablecoins sind in unseren Augen im Vorteil. Diese wurden um 2014 gross. Es ging darum, die grosse Volatilität bei Kryptowährungen zu brechen. Unterdessen haben sich Stablecoins etabliert. Sie bieten vor allem im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr Vorteile, da sie sehr kostengünstig sind.
Was bedeuten all diese Entwicklungen für den Zahlungsausgleich, das Settlement?
Am Ende des Tages muss das Settlement zwischen den Banken und den Zahlungsdienstleistern über die Bühne gehen. Heute geschieht das an Werktagen, nicht an Feiertagen und auch nicht am Wochenende. Zahlungen vom Wochenende werden in der Regel erst am Montag abgewickelt. Dazu gibt es noch verschiedene Zeitzonen. Die Frage ist in so einem Fall: Welche Zeitzone ist massgeblich für das Settlement? Zusätzlich verkomplizieren die verschiedenen Bankensysteme den Zahlungsausgleich. Die Blockchain-Technologie bietet hier einen Vorteil: die Unmittelbarkeit, also 24/7 zur Verfügung zu stehen. Der Settlement-Prozess könnte durch die neue Technologie also optimiert werden. Momentan testen wir solche Prozesse.
Und was ist das Ergebnis?
Das Settlement könnte in Zukunft an sieben Tagen in der Woche oder mehrmals am Tag durchgeführt werden. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Liquidität und auf das Treasury-Management, da sich neue Möglichkeiten ergeben. Auf der Issuer-Seite könnte die Vorfinanzierung von acht auf vier Tage reduziert werden. Der Konsument hingegen merkt davon nichts, da es sich um Backend-Prozesse handelt.