Frau Thellung, viele Kantonalbanken wollen von der Abhängigkeit der Zinsgeschäfte wegkommen und suchen sich verschiedenste Nischen in anderen Investitionsfeldern. Hat die Schwyzer Kantonalbank auch eine solche Nische gefunden?
Wir haben uns sehr intensiv mit der Essenz der Schwyzer Kantonalbank auseinandergesetzt. Der Kanton Schwyz ist ja ein sehr traditionsreicher und geschichtsträchtiger Kanton. In der Strategiearbeit mit dem Bankrat kamen wir zur Erkenntnis, dass es uns – wie den Kanton Schwyz – schon lange gibt und noch ganz lange geben soll. Übersetzt heisst das für uns: Seit Generationen, für Generationen, hier vor Ort zu sein. Unsere Nische liegt also darin, eine «Generationenbank» zu sein.
Wir sehen uns nicht in erster Linie als Technologie-Treibende. Wir sind uns unserer Grösse bewusst und können deshalb keine Trendsetter sein. Digitalisierung und Technologie nutzen wir ganz bewusst und smart als Mittel zum Zweck.
Wenn Sie sagen, Sie sehen sich nicht als Technologie-Treibende, heisst das, Ihre Nische liegt im Analogen? Aber ist das noch eine Nische?
Ich glaube, dass in der digitalen Welt ein analoges Gespräch enorm wertvoll ist. Viele Menschen setzen sich nicht gerne mit Finanzen auseinander. Die Menschen, die bei uns im Kanton leben, werden langjährig, zum Teil generationenübergreifend, von unseren Kundenberaterinnen und -beratern betreut. Diese wiederum sind tief verwurzelt vor Ort. Man kennt sich und man kennt sich persönlich.
Was treibt die Kundinnen und Kunden der Schwyzer Kantonalbank aktuell am stärksten um?
Eine grosse Sorge unserer Kundschaft, die ein Eigenheim besitzt, ist es, dieses in der eigenen Familie halten zu können. Die Immobilienpreisentwicklung des Kantons Schwyz ist eine der stärksten der Schweiz. Deshalb haben wir ab Sommer eine Lösung bereit: die sogenannte Generationen-Hypothek. Sie ist unser Beitrag dazu, dass Immobilien innerhalb der Familie weitergegeben werden können.
Eine andere Sorge ist, dass meine Generation realisiert, dass das Versprechen, bei der Pensionierung 80 Prozent vom letzten Lohn zu bekommen, nicht stimmt, weil sich das System massiv verändert hat. Da spüren wir den Wunsch der Kundinnen und Kunden, begleitet und unterstützt zu werden, um früh genug ein Vermögen aufzubauen.
Da sind Ihnen andere Kantonalbanken aber bereits voraus. Das eröffnen einer Säule 3a ist bei vielen etwa digital möglich. Bei Ihnen hingegen nicht.
Es ist inzwischen tatsächlich normal geworden, dass man 3a-Konten digital eröffnen kann. Das planen wir auch. Wir sind da sicher eher «late follower» als «early adopter». Unser Hauptfokus in der Geschäftsleitung ist, die Bank konsequent auf unseren Sinn und Zweck zu fokussieren. Dass wir alles, was wir machen, so machen, dass es sich in der Nachhaltigkeit unserer Bank auszahlt. Ich meine mit Nachhaltigkeit nicht nur ESG-Investments, sondern, dass wir die gesunde Zukunftsfähigkeit dieser Bank sichern. Der Schwyzer Kantonalbank geht es heute sehr gut. Und unsere wichtigste Aufgabe ist, dass dies auch in Zukunft so bleibt.
Susanne Thellung, geboren 1974, ist seit 2021 CEO der Schwyzer Kantonalbank (SZKB). Sie hat an der Universität St. Gallen Wirtschaft studiert und als lic. oec. HSG abgeschlossen. Bevor sie zur SZKB stiess, war Susanne Thellung in verschiedenen Positionen bei der UBS Switzerland AG tätig. Lange Jahre als Regionenleiterin Zentralschweiz und zuletzt als Leiterin Business Management Corporate und Institutional Clients. Susanne Thellung ist zudem unter anderem Mitglied des Verwaltungsrates des Verbands Schweizerischer Kantonalbanken (VSKB).
Lassen Sie uns den Fokus von der Bank weg und zu Ihnen lenken. Sie haben bis zu Ihrem Antritt 2021 bei der UBS gearbeitet und übernahmen dann den CEO-Posten bei der Schwyzer Kantonalbank. Als erste Frau …
Mittlerweile sind wir zu zweit. Margrit Koch ist seit 2022 CEO der Obwaldner Kantonalbank …
Zwei von 24 Kantonalbanken werden weiblich geführt. Also eine klare Unterrepräsentation. Bisher gaben Sie auf Fragen dazu immer sehr nüchterne Antworten, es gehe um die Kompetenz, nicht um das Geschlecht …
Ich gebe Ihnen wieder die gleiche nüchterne Antwort: Eine Studie besagt, dass wer an der Spitze arbeiten will, unabhängig von der Branche, im Kerngeschäft tätig sein muss. Wir sehen über sehr viele Branchen hinweg, dass Frauen eher im HR, in Legal und Compliance oder im Marketing aktiv sind. Dort machen sie eine tolle Karriere und steigen auch in die Geschäftsleitung auf. Aber ohne Kerngeschäft-Erfahrung werden sie in der Regel nicht CEO. Ich glaube, es muss uns über die nächsten Jahrzehnte gelingen, dass viel mehr Frauen, egal in welcher Industrie, dort arbeiten und so genannte «Profit-and-loss-Verantwortung» übernehmen.
Wie geht denn der VSKB, der Verband der Schweizerischen Kantonalbanken mit dieser Thematik um?
Im VSKB gibt es nun eine Initiative. Zufälligerweise unter der Leitung von Margrit Koch und mir. Wir brachten im Mai alle weiblichen Geschäftsleitungsmitglieder zusammen, um genau jenen Dialog zu führen. Man könnte den Verband also als «Konzern» verstehen, um die Talententwicklung voranzutreiben. Der nächste Schritt ist, dass wir auch in einer Stufe tiefer, also auf der zweiten Führungsebene, Frauen stärker zusammenbringen. Oder anders ausgedrückt: aktives Talentmanagement betreiben.
Ich glaube, die Branche entwickelt sich ohnehin ein bisschen in diese Richtung. Aber natürlich bleibt jeder Bank die Hoheit über ihre eigene Personalentwicklung. Es ist auch unbestritten, dass ich als Frau eine andere Perspektive habe als meine männlichen Kollegen.
- Gründungsjahr: 1890
- Bilanzsumme: 23,1 Mrd. Franken
- Anzahl Kunden und Kundinnen: 151’400
- Verbreitungsgebiet/abgedeckte Region: 22 Filialen im Kanton Schwyz
- Rechtsform: Öffentlich-rechtliche Anstalt zu 100 Prozent im Besitz des Kantons Schwyz
- Was ist an Ihrer Bank im Vergleich zu anderen Banken speziell? Die Schwyzer Kantonalbank liegt als öffentlich-rechtliche Anstalt zu 100 Prozent im Besitz des Kantons. Zudem ist die Schwyzer Kantonalbank seit Generationen, konkret seit über 130 Jahren, im und für den Kanton Schwyz tätig.
Wie meinen Sie das, eine andere Perspektive?
Ich war in nahezu allen Gremien meines Lebens immer die einzige Frau. Ist das ein Problem? Nein. Ist es besonders angenehm? Nein. Man ist immer eine Minorität. Das bringt zwar viel Aufmerksamkeit, aber exponiert einen auch stark. Das ist manchmal ein bisschen anspruchsvoll, weil wir Frauen nicht sonderlich kompetitiv sozialisiert werden.
Sondern?
Ich durfte mal mit anderen des Senior Management einen Kurs besuchen. Dort wurden die Männer und Frauen separiert. Die Fragestellung an den Tischen war, was wir im Alter zwischen acht und elf Jahren gespielt hatten. Dabei kam heraus: Mädchen spielen traditionellerweise Spiele, bei denen es um Beziehungen untereinander geht. Und Jungen spielen in der gleichen prägenden Phase kompetitive Spiele. Und sie lernen dabei, dass sie, wenn sie aufs Spielfeld gehen, gewinnen oder verlieren und am nächsten Tag im nächsten Spiel wieder eine Chance aufs Gewinnen bekommen. So ist doch eigentlich auch das Berufsleben. Eine Sitzung läuft gut oder läuft nicht so gut. Das Projekt läuft gut oder nicht so gut. Einmal gewinnen, einmal verlieren. Am nächsten Tag kann man die neue Chance wieder nutzen.
Glauben Sie, dass gerade im Banking sehr viel Wert auf ein kompetitives Verhalten gelegt wird?
Überall, wo es um Geld geht, ist das Verhalten leistungsorientiert und kompetitiv. Ich glaube, das war in der Finanzindustrie in der Vergangenheit immer so. Gleichzeitig steckt in einer Kantonalbank auch der Gedanke eines Gemeinschaftsgefühls. Unsere Kantonalbank ist nicht auf absolute Gewinnmaximierung ausgerichtet. Sie hat im Kanton immer auch einen gewissen Service-public-Auftrag in Finanzangelegenheiten.