Kevin Rohner, das Thema Open Banking gewinnt an Dynamik. Sind Fintechs Konkurrenz oder eine Chance?

Wir sehen sie als Chance. Gerade als kleine Bank haben wir gar nicht die Möglichkeit, innovative, neue Produkte auf den Markt zu bringen. Das kostet uns zu viel. Und es sind doch sehr innovative Unternehmen, die da unterwegs sind. Durch eine Zusammenarbeit mit diesen Fintechs haben wir dann trotzdem die Möglichkeit, neue und gute Produkte für Kundinnen und Kunden zu lancieren.

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Ist eine Fusion für die Bank Leerau ein Thema?

Nein. Unsere Stärke ist auch unsere Grösse: Wir sind wahnsinnig effizient unterwegs. Ein Beispiel: Ich bekam am Montagmorgen eine Mail von einem neuen Kunden, der am Mittwoch den Kaufvertrag beim Notar unterzeichnen musste. Wir hatten noch gar nichts von diesem Kunden und haben es geschafft, dass wir am Dienstagnachmittag Kreditverträge unterzeichnen konnten – alles sauber geprüft. Unser Neukunde konnte am Mittwoch das unwiderrufliche Zahlungsversprechen zum Notar mitnehmen. Und das Geschäft abwickeln.

Das ist wirklich sehr schnell.

Ja, in einer grösseren Bank ist das unvorstellbar. Doch durch unsere Grösse und Effizienz können wir so einen Sondereinsatz leisten.

Gibt es weitere Vorteile, die eine kleine Bank gegenüber einer grösseren ausspielen kann? 

Auf alle Fälle: Viele unserer Mitarbeitenden stammen aus unserer Region und sind sehr gut verankert. Sie kennen unsere Kundschaft bestens, und zwar nicht nur die eigene Generation, sondern über mehrere Generationen hinweg. Man weiss, wer die Kundin respektive der Kunde ist. Gerade diese Stärke – wie in meinem Beispiel eben – wollen wir uns nicht verspielen

Da haben Sie einen neuen Kunden gewonnen?

Richtig, ja. So etwas spricht sich im Dorf herum – und dann gewinnen wir vielleicht noch weitere Kundschaft. Es ist sicher einer unserer USPs, dass wir so schnell sind.

Zur Person Kein Rohner
  • Seit wann sind Sie CEO Ihrer Bank? 1.6.2023
  • Höchste/letzte Ausbildung? Eidg. dipl. Bankwirtschafter
  • Alter: 42
  • Familie: verheiratet, 2 Kinder
  • Hobby: Biken, Reisen, Golf, Skifahren

Machen KI-Anwendungen für Sie bei der Bank Leerau schon Sinn?

Ja, es ist sicher ein bedeutendes Thema für uns. Es wird heute schon angewendet, zum Beispiel im Zahlungsverkehr bei Fraud Detection und Fraud Prevention. Von künstlicher Intelligenz (KI) unterstützte Systeme können die Zahlungen schon vor ihrer Ausführung prüfen.

Was ist Ihre KI-Strategie?

Wir evaluieren, wo andere Einsatzmöglichkeiten bestehen, etwa im Kundenservice, bei der Digitalisierung der Kreditverarbeitung. Ziel ist, Dienstleistungen für Kundinnen und Kunden zu verbessern sowie die Effizienz zu steigern. 

Wobei Datensicherheit und Datenschutzstandards stets zu gewährleisten sind. Zuletzt geht es auch um die Lancierung neuer Produkte. Für so etwas braucht eine kleine Bank Partner.

Arbeiten Sie mit externen Partnern zusammen?

Wir konzentrieren uns auf unser Kerngeschäft: die Kundenberatung und -betreuung. In allen Bereichen, die nicht zu unserem Kerngeschäft gehören, arbeiten wir mit Partnerschaften: im Rechnungswesen, in der IT und auch im Compliance-Bereich. Wir, als kleine Bank mit 19 Personaleinheiten, können gar nicht alles selber abdecken. Gerade im Bereich Digitalisierung und bei Compliance-Fragen sind Partner für uns wichtig.

Wer sind diese Partner?

Equilas ist ein grösserer Partner im Compliance- und Rechnungswesenbereich. Die IT und das Bankenapplikationssystem, das Kernbankensystem, beziehen wir von Finnova. Dazu kommen diverse Partner, denen wir kleinere Aufträge vergeben.

Klingt effizient.

Dieses Vorgehen macht Manpower frei für unsere Kundinnen und Kunden. Bei einer kleinen Bank hat man ganz viele verschiedene Hüte an. Als CEO ist man in der Kundenberatung tätig, aber man macht auch noch Banksteuerung und anderes. Geht es um Spezialwissen im Compliance-Bereich, können wir auf unseren externen Partner zugehen. 

Passivgelder beschaffen ist für viele kleinere Banken eine Hauptaufgabe. Bei Ihnen auch?

Es ist immer ein grosses Thema. Ich darf aber auch sagen, dass wir weiterhin grosses Vertrauen von unseren Kunden und Kundinnen spüren. Wir wachsen immer auch bei den Kundengeldern. Aber die ganze Refinanzierung ist allgemein immer ein Thema. Wir steuern es auch ein wenig über das Wachstum im Aktivgeschäft. Wir müssen nicht alljährlich 9 Prozent zulegen. Eine gesunde Bank zu bleiben und die Refinanzierung gewährleisten zu können, das ist hingegen unser Ziel.

Wie beschaffen Sie sich die Mittel?

Wir haben gerade wieder eine Kassenobligation-Aktion gemacht. Und wir hatten Erfolg damit.

Nehmen Sie auch Geld am Geldmarkt auf?

Das ist auch eine Option, sicher. Wir sind auch Mitglied der Pfandbriefbank. Dort finanzieren wir uns auch hin und wieder. Zudem besteht die Möglichkeit für uns, bei Entris Banking Geld aufzunehmen. Das ist dann einfach etwas teurer als bei der Pfandbriefbank. Wir haben auch sonst Regionalbanken, mit denen wir in gutem Kontakt sind. Falls notwendig, können wir zudem dort Geld aufnehmen. Die Kantonalbanken stehen ebenfalls parat. 

Wächst denn in Ihrem Gebiet der Hypo-Markt auch so extrem wie an anderen Orten?

Ja, als ich die Bank frisch übernommen habe, war mir das Hypo-Engagement ein bisschen zu schnell und zu stark gewachsen. Da muss man auf der Passivgeldseite mithalten. Darum bin ich auf die Bremse getreten – und habe die Balance wiederhergestellt.

Hat das der Verwaltungsrat goutiert?

Da habe ich zum Glück einen Verwaltungsrat, der mir den Rücken stärkt. Der sagt am Schluss: Liquidität ist das Blut, das durch unsere Adern fliesst.

Was ohne Liquidität geschieht, hat man ja beim CS-Debakel auch gesehen: Es wird sehr schwierig. Wir haben bei der Bank Leerau ein gutes Cost-Income-Ratio. Wir sind nicht getrieben. Wir müssen nicht wahnsinnig wachsen und über das Volumen Erträge generieren.

Haben Sie dennoch vor, neue Geschäftsfelder oder Marktsegmente zu erschliessen?

Ja, wir haben jetzt gerade am 1. Juli im Anlagenbereich ein neues Produkt lanciert. Das war ein längeres Projekt, das wir in Zusammenarbeit mit einer Novus-Partnerbank, der Bank Zimmerberg, realisiert haben. Jetzt setzen wir den Fokus darauf, dass unser Projekt zum Fliegen kommt. 

Wie ist die Resonanz?

Es ist gut angelaufen. Die Kundinnen und Kunden haben Freude, die Mitarbeitenden ebenso. Jetzt haben wir den Fokus auf der gesamtheitlichen Beratung. Klar, wir werden immer eine Hypothekarbank sein, das liegt auf der Hand. Doch nun haben wir den Bonus, noch etwas mehr anbieten zu können. Das hilft der Bank Leerau auch, mehr indifferente Erträge zu generieren.

Das gibt dann einen Sockel an Einnahmen, der alles stabiler macht, oder?

Richtig. Und gerade auch wenn die Zinsen dann wieder hoch- und runtergehen – wie wir es jetzt erleben –, haben wir ein drittes Standbein neben dem Hypotheken- und dem Firmenkundengeschäft.

Gibt es weitere Projekte?

Wir arbeiten bei Pensionsplanungen mit einer Firma in Aarau zusammen. Wir verdienen zwar nichts daran, aber wir können die Dienstleistung unserer Kundschaft anbieten.

Viele Banken haben Angst vor Regulierungswut. Was sagen Sie zu diesem Thema?

Es ist jetzt schon genug und führt zu steigenden Kosten – gerade bei kleineren Banken. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist wichtig, dass wir reguliert sind. Die Frage ist nur: Wo ist das richtige Mass? Eine kleinere Regionalbank ist nicht die gleiche Bank wie eine UBS.

Das wird mit den fünf Gruppen, welche die Finma unterscheidet, ja schon gemacht, oder?

Wir sind bei der fünften Gruppe im Kleinbankenregime dabei. Wir haben etwas höhere Liquiditäts- und Eigenmittelanforderungen. Gerade geht es um die neuen MIRE-Berechnungen, die Mindesterfordernisse. Hier hat es bei der Liquidität eine weitere Verschärfung gegeben, die bei uns gerade 25 bis 30 Prozent ausmacht.

Was bedeutet das für die Bank Leerau?

Wir müssen mehr Liquidität hinterlegen, ohne dass wir deswegen sicherer oder weniger sicher sind.

Und wie schaffen Sie das?

Das eine war die Kassenobligation-Aktion. Der Brief kam im April heraus. Das erste Mal wird bereits Ende August mit der neuen Anforderung neu berechnet. Also ich habe am Morgen zuerst in der Zeitung davon gelesen, bevor ich den Brief im Büro hatte. 

Da macht man schon die Faust im Sack, nicht?

Ja, es war schon ein Frust. Und dann haben wir mal angefangen, zu rechnen und gemerkt: 25 bis 30 Prozent geht unser LCR gerade einmal runter. Unter dem Strich sind wir meiner Meinung nach nicht sicherer geworden. 

Es hat ja bestimmt einen Grund, dass jetzt der Regulator sagt, dass Sie als kleine Bank mehr Geld brauchen und von Ihnen fordert, mehr Eigenmittel zu hinterlegen. Was ist denn die Motivation des Regulators?

Das betrifft nicht nur uns kleine Banken. Wahrscheinlich haben sie schon das Gefühl, dass in einem Fall wie bei der CS weniger passieren kann, wenn man mehr Liquidität hat. Es ist mehr die Berechnung angepasst worden. Spargelder sind vorher zu 20 Prozent angerechnet worden, heute sind es 100 Prozent. Der Regulator möchte, dass man mehr liquide Mittel hat.

Was sehen Sie als weitere Herausforderung für Schweizer Banken?

Sicher die IT-Digitalisierung und die Datensicherheit. Dass man dort Kosten und Ertrag in der Balance halten kann. Dann wäre noch der Fachkräftemangel. Wir investieren sehr viel Geld in Weiterbildung und Ausbildung. Wir haben auch immer drei Arbeitsplätze für Lernende bei uns, wo wir möglichst jedes Jahr eine lernende Person haben möchten. Schön wäre, wenn sie nach dem Lehrabschluss noch ein bisschen bei uns bleiben würden.

Was haben Sie in diesem Geschäftsjahr noch vor?

Wir sind relativ frisch in dieser Zusammensetzung. Ich bin jetzt ein bisschen mehr als ein Jahr dort. Ein Kollege von mir in der Geschäftsleitung hat im Juli des letzten Jahres angefangen. Und das dritte GL-Mitglied ist seit fünf Jahren hier. Aktuell haben wir eine Vollbesetzung. Wir konnten jede Stelle besetzen. Und jetzt können wir Gas geben. Da freuen wir uns drauf.

Die Bank Leerau
  • Gründungsjahr: 1836
  • Bilanzsumme: 824,2 Mio. Franken per 31.12.2023
  • Kundinnen und Kunden: rund 9000
  • Verbreitungsgebiet/abgedeckte Region: «Zum Marktgebiet zählen wir die Region des aargauischen Suhrentals sowie das Rueder-, Uerken- und Wynental. Kernmarktgebiet ist die Gemeinde Kirchleerau und Schöftland (je eine Geschäftsstelle) sowie die angrenzenden Gemeinden.»
  • Genossenschaft
  • Besonderes: «Auf beiden Geschäftsstellen betreiben wir Bargeldschalter. Aufgrund unserer Grössen haben wir enorm kurze Entscheidungswege und sind sehr effizient. Wir haben motivierte und kompetente Mitarbeitende, die in engem Kontakt mit den Kundinnen und Kunden stehen und die Bedürfnisse in unserem Markt kennen.»
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